Das Rätsel des Mühlauer Friedhofes
Ein Mühlauer Leser meines Vertrauens kam mit einem Bild und einer Frage auf mich zu, die da lautet:
Das ist der Neue Mühlauer Friedhof, aufgenommen vor dem 28. August 1914, dem Einsturz der ehemaligen Rauchmühle rechts im Bild. Eine geringfügige Erweiterung des Friedhofes wird 12 Jahre später Architekt Wilhelm Stigler im Nordwesten der Anlage vornehmen (1926). Noch ist kein einziges Grab zu sehen.
Von wem stammen der Entwurf der Kirche und der gesamten Friedhofsanlage? Wer ließ die Anlage errichten?
Ausschlaggebend für die Fragestellung ist die Tatsache, dass in gängigen Beschreibungen des Friedhofs, also im Dehio und Co und, die gesamte Friedhofsanlage Wilhelm Stigler zugeschrieben wird. Soweit ich mich recht erinnere ist diese Tatsache auch im 2018 erschienenen Doppelbändigen Werk zu Stigler von Juliane Mayer nachzulesen. Auf dem Bild von 1914 wird ersichtlich, dass die Anlage jedoch schon länger existierte und Stigler „nur“ einen Eingriff vornahm.
(Bild: Sammlung Andreas Rauch)
Der Beitrag „Mühlau von oben“ zeigt ein Luftbild der 1920er mit der Brandruine der Rauchmühle und dem Friedhof samt Kapelle von Willi Stigler.
Auf einem Plan von 1920 (hik tirol) ist der neue Mühlauer Friedhof bereits eingezeichnet. Nur geplant oder auch umgesetzt? Das wäre für Stigler zu früh.
Laut Ludwig v. Ficker wurde der neue Mühlauer Friedhof 1911 angelegt.
Eine ähnliche Ansicht wie oben mit Mühle, Kraftwerk, Pfarrkirche und Friedhof, um 1910: https://www.sagen.info/forum/media/innsbruck-m%C3%BChlau-um-1910.63079/
Aber ich nehme an, Herr Rauch kennt alle Bilder rund um Mühlau und seine Mühle.
Um 1910 kann nicht stimmen. Es steht schon das nach dem Einsturz 1914 neu errichtete Kraftwerk orografisch links des Baches.
„Der neu erbaute, schön gelegene Friedhof in Mühlau“ wurde lt. IN vom 25. Okt. 1915 am 24. Okt. 1915 eingeweiht. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 10 Gräber vorhanden.
Mehr dazu: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19151025&query=%22Friedhof+M%c3%bchlau%22~15&ref=anno-search&seite=7
… nach Plänen des Architekten Arthur Riegler vom Stadtbauamte in Innsbruck.
zu diesem Zeitpunkt war Stigler 12 Jahre alt.
In den Innsbrucker Nachrichten vom 9. und 19. Juli 1926 wird eine Kriegerkapelle erwähnt, die nach einem Entwurf von Stigler errichtet wurde.
Am 1. Oktober 1928 ist Stigler bei einer Heimatschutzausstellung vertreten: Architekt Stigler – Villenbauten anheimelnden Charakters, Kriegerdenkmal in Mühlau. Kein Hinweis auf den Neuen Mühlauer Friedhof, seltsam…jetzt habe ich mir die Dissertation von Juliane Mayer in der UB bestellt
Das von Barbara Pöll zitierte Foto auf Sagen.info ist wie von ihr schon bemerkt falsch datiert. Es stammt aus dem Jahre 1916 oder 1917. Dieses Bild ist aber interessant, zeigt es doch sehr gut den (äußerst kleinen) noch nicht fertig gestellten Teil im Nordwesten des Neuen Mühlauer Friedhofes den Architekt Wilhelm Stigler sen. zehn Jahre später (1926) noch gestalten wird. Hierfür wird er auch ein weiteres (zweites) Eingangstor entwerfen. Beide einsehbaren Ansichten zeigen auch, dass die giebelförmige Erhöhung sowie der Durchblick in der südlichen Friedhofsmauer bereits ursprünglicher Baubestand waren, also nicht wie gerne beschrieben erst Jahre später von Stigler geschaffen wurden.
Weiß nun bitte irgendjemand etwas über den tatsächlichen Planer des Neuen Mühlauer Friedhofes, seiner Kirche und Umfassungsmauer Architekt Arthur Riegler vom Stadtbauamt Innsbruck zu berichten?
Eigenartig, dass sich W. Stigler als Architekt für den Neubau so beharrlich hält. Auch F.-H. Hye nennt ihn in seinem Stadtteilbeitrag über Mühlau (das Fenster / 17 Tiroler Kulturzeitschrift, dig. Seite 9): „Dieser vom Innsbrucker Architekten Willi Stigler 1926 entworfene und ausgestaltete Friedhof …“ Als Quelle nennt er in FN 44 „Willi Stigler, Aus meinem Leben. Ein Querschnitt von 1925 bis 1972. Sonderdruck aus: Beiträge zur Technikgeschichte Tirols, Heft 4, Innsbruck 1972, S. 8.“ Ich kenne diese Quelle nicht, womöglich ist der Begriff ‚ausgestaltet‘ irreführend und es wurde damit ‚erweitert‘ gemeint?
Es gab offensichtlich viel später (1986) noch einen Architekten, der für eine zusätzliche Erweiterung zuständig war, Luis Nothdurfter. Über ihn konnte ich auf die Schnelle nichts finden.
https://www.significantcemeteries.org/2014/12/new-cemetery-muhlau-innsbruck-austria.html
Zum Architekten Arthur Riegler zunächst auch nichts gefunden. Im AB von 1916 (Basis sind Daten von 1915) wird ein Ing. Riegler als Stadt-Baurat genannt, allerdings ein Josef. Es gibt dort auch einen Vertragsbeamten namens Arthur, allerdings mit Nachnamen Ringler.
Ein Architekt Riegler – ohne Angabe des Vornamens – bietet in der Zeitung „Salzburger Wacht“ am 1. Februar 1917 abreisehalber sein Wohnhaus in Innsbruck Richard-Wagner-Straße 5 zum Verkauf an. An dieser Anschrift findet sich in den Adressbüchern 1912 bis 1918 aber ein Architekt Arthur RINGLER.
Zu letzterer Namens-Kombination wirft ANNO etwas mehr aus, z. B. Hochzeit 09.11.1905 in der Pfarre Wilten mit Leontine Carey aus München, Geburt der Tochter Thusnelda im Juli 1908, langjährige Mitgliedschaft im Innsbrucker Turnverein, Alpinist, Planung eines neuen Eislaufpavillons nach Brand des alten, Planung Umbau Ramolhaus/Ötztal, Planung Umbau Braunschweiger Hütte/Pitztal, Erweiterungsbau der Turnhalle des ITV in der Fallmerayerstraße, Mitarbeit (neben Josef Senn) an der Potsdamer Hütte/Fotschertal, etc. Alles mögliche gefunden, aber nichts zum Friedhof Mühlau, außer dem bereits am 7. 8. verlinkten Artikel in den IN.
Dass der Architekt Riegler in der Annonce zum Hausverkauf seinen Namen falsch angibt schien mir zunächst sehr unwahrscheinlich. Allerdings muss er ja auch die Meldung an die Adressbücher geliefert haben, dann wäre dort Ringler falsch. Ich vermute jetzt bei Riegler einen Druck- bzw. Lesefehler, dann sollte in dem verlinkten IN-Artikel auch Arthur Ringler gestanden haben. Wenn ich damit richtig liege, kann ich auch noch seine Lebensdaten liefern: geb. am 07.12.1876 in München, gest. am 04.07.1956 in Innsbruck (?), bestattet am Pradler Friedhof – Grab der Gemeinsamen.
Falls der Architekt des Neuen Mühlauer Friedhofes aber tatsächlich Arthur Riegler hieß, hoffe ich, dass jemand mehr Glück bei der Suche nach ihm hat.
GPT-4o findet diesen Artikel aus 1986 bezüglich der Erweiterung von Luis Nothdurfter:
https://issuu.com/innsbruckinformiert/docs/_innsbrucker_stadtnachrichten_198605_nr05_gesamt/14
Über Arthur Riegler findet GPT-4o nichts, über Arthur Ringler immerhin ein bisschen was:
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Der Innsbrucker Architekt Arthur Ringler war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine bedeutende Figur in der lokalen Baugeschichte. Hier sind die wichtigsten Informationen, die sich aus den Quellen ergeben:
Bedeutende Bauwerke von Arthur Ringler
BHAK/BHAS Innsbruck (Saggen)
Baujahr: Anfang des 20. Jahrhunderts
Architekten: Arthur Ringler und Eduard Klingler
Stil: „Tiroler Gotik“ – eine historistische Stilrichtung, die regionale Elemente mit neugotischen Formen verbindet (1) (2).
Knaben-Hauptschule (heute Teil der BHAK/BHAS)
Baujahr: 1910/1911
Mitarchitekt: Friedrich Konzert
Das Gebäude wurde über 110 Jahre lang als Schule genutzt 2.
Weitere Projekte
In einem Artikel über eine Firstfeier wird Arthur Ringler als Planer eines weiteren, nicht näher benannten Bauprojekts erwähnt. Die Ausführung übernahm der Innsbrucker Baumeister Josef Nigler (3).
⚽ Neben der Architektur: Fußballpionier
Arthur Ringler war nicht nur Architekt, sondern auch ein früher Fußballpionier in Innsbruck:
Er kam 1902 aus München nach Innsbruck.
War Gründungsmitglied des FC Bayern München.
Initiierte 1903 die erste Fußballriege in Innsbruck.
Organisierte 1904 das erste internationale Fußballspiel in Innsbruck gegen den FC Bayern München 4.
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Die Quellenlage der KI ist allerdings dünn, immerhin zwei der drei Quellen sind Artikel von i-e:
(1) https://www.nextroom.at/building.php?id=34582&inc=pdf
(2) https://innsbruck-erinnert.at/aus-mueller-wurde-bruell/
(3) https://innsbruck-erinnert.at/firstfeier/
Stilistisch würde der Friedhof Mühlau in der Ursprungskonzeption ganz gut zu den Werken Ringlers passen – zu den eher moderneren; die Kapelle wirkt so wie ein schon etwas „abstrahierterer“ Reformstil.
Hier noch ein Artikel aus der Feder des Architekten selbst zu einigen Berghütten: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://bibliothek.alpenverein.de/webopac/05_Aufsaetze/RinglerAV-Huette.pdf
Dann ist hier noch was zu finden: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://freimaurergedanken.com/wp-content/uploads/2014/02/fzas_vertrauliche_mitteilungen_mai1912.pdf
Demnach war Ringler Mitglied der Freimaurerloge „Pythagoras“ – interessante Kombi, wenn man bedenkt, dass der AV-Hütten Artikel 1944 verfasst wurde. Andererseits war das aber 1912.
Unter https://fcbayern.com/de/news/2025/02/michael-diederich-besucht-muenchner-kunsthalle-mit-talenten-vom-fc-bayern-campus steht u.a.
„….Arthur Ringler, Otto Naegele und Fred Dunn traten später der NSDAP bei – Letzterer beschrieb die Kunst des Jugendstils in einem Aufsatz im Jahr 1936 sogar als „entartet“ und fällte damit ein vernichtendes Urteil über sein eigenes Schaffen…..“
Aus der Diplomarbeit von Herrn Köchl „Touristische Erschließung und alpiner Hüttenbau im
inneren Ötztaler Gebirgsraum“ (https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://ulb-dok.uibk.ac.at/download/pdf/4542177.pdf) ist Folgendes zu entnehmen:
„Der Innsbrucker Arthur Ringler trat in den 1930er Jahren als Entwurfsplaner mehrerer
Schutzhütten auf. Er erarbeitete in seinem Buch ‚Alpenvereinshütten‘ Leitlinien bzw.
Beschreibungen des Schutzhüttenbaus anhand exemplarischer Bauten. Die Ideen standen in der
Tradition der Schutzhüttenbauleitlinien der Jahrhundertwende. Ringler zielte darauf ab, das
Baumaterial in Verbindung mit dem Bauort in ein gesamtkompositorisches Verhältnis zu setzen
und dabei das „formal Richtige“ zu erschaffen.“ Man kann da dann noch weiterlesen, da wird dann eher haarsträubend…