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Reformhotel Habsburgerhof

Reformhotel Habsburgerhof

Die meisten von uns tun es, manchmal hinterfragt man es, oft ist man unsicher – und ist man mit lokalen Gewohnheiten nicht vertraut, dann kann man auch durchaus ordentlich danebengreifen, für einen Lacher oder böse Blicke sorgen: die Rede ist vom Trinkgeld. Bei uns ist dies seit langem üblich, das Grimmsche Wörterbuch weist das Wort und das damit verbundene Konzept schon im Mittelalter nach. Im Bereich der Stadt Innsbruck ist es mir beispielsweise als Trink- und Badgeld bekannt, das als Vergütung für Mitglieder von städtischen Gremien diente. Auch trifft man in Verordnungen zum Postwesen immer wieder darauf, auch dort war das Postillions-Trink und -Wagenschmiergeld üblich und sogar gesetzlich festgelegt. (Vor allem macht das Schmiergeld – Schmieren der Achsen – dann auch irgendwie Sinn …)

Stadtarchiv Innsbruck, VO-1817.

Im Laufe des 19. Jahrhundert wurde Trinkgeld aber für immer mehr Menschen im Bereich des Dienstleistungssektor ein essentieller Teil der Entlohnung. Dementsprechend wuchs auch die Kritik daran. Besonders als der Rechtswissenschaftler Rudolf Jhering die Sache aus rechtlicher Sicht beleuchtete und den Kritikern damit Argumente an die Hand gab, entfachte eine öffentliche Debatte über Sinn- oder Unsinn dieser Gewohnheit.  Rasch etablierten sich Anti-Trinkgeldligen, die sich dem Kampf gegen das überhandnehmende Phänomen verschrieben. Dabei gab es zwei Stoßrichtungen: einerseits versuchten Gegner des Trinkgelds auf die oft prekäre Lage von Dienstpersonal aufmerksam zu machen und forderten statt des Trinkgeldes eine angemessene Entlohnung. Andererseits wollten Gäste in Hotels und Gasthäusern ein gutes bzw. überhaupt ein Service ohne dafür extra bezahlen zu müssen. So gibt es Schilderungen von verärgerten Gästen, die bei der Abreise aus einem Hotel mit einer Vielzahl an ausgestreckten offenen Händen konfrontiert waren, vom Kofferträger und den Zimmermädchen über die Ober bis zum Rezeptionisten.

Ankündigung der Neueröffnung des Hotels Habsburgerhof in Innsbruck, Innsbrucker Nachrichten, 30. April 1892.

Die Debatte machte auch vor Innsbruck nicht Halt. Allerdings wurde hier nicht nur geredet, sondern auch gehandelt. Im Sommer 1892 eröffnete der Habsburgerhof (Museumsstraße/Sillgasse – im Titelbild), nach dem Konkurs des vormaligen Besitzers neu. Geblieben war der Name, neu war das Konzept: Im Gasthaus und Hotel war das Geben und Nehmen von Trinkgeld verboten. Stattdessen setzte der neue Besitzer Joseph Cathrein, der sich als Hotelier in Salzburg und Errichter der Zahnradbahn auf den Gaisberg als innovativer Geist gezeigt hatte, auf Gewinnbeteiligung der Angestellten.

Eine von zahlreichen Werbeannoncen die ab 1892 für das Hotel und neue Konzept waren, hier ein Beispiel aus dem Salzburger Volksblatt 1894.

Schon im Vorfeld der Eröffnung wurde in der Presse über das Konzept berichtet und auch die historischen Hintergründe im „Krieg gegen den Trinkgeldzwang“ (2. Teil hier) besprochen. Nicht nur in Innsbruck, sondern auch in anderen Teilen der Monarchie, von Vorarlberg bis Böhmen herrschte reges Interesse an dem Experiment. Wenngleich damals ein abschließendes Urteil über diesen Versuch noch ausstand, so war die Anerkennung dafür doch allgemein verbreitet.

Da Sie und ich heute wohl schon gesagt haben: „Stimmt so!“ können Sie erahnen, wie die Sache ausgegangen ist. Das Experiment ist gescheitert. Schon 1895 gibt es erste Meldungen, dass zumindest ein Teil des Gasthauses (Garten und Veranda) von der Reform ausgenommen wurde, später folgte dann der Rest des Betriebes. In der Folge wurde zwar immer wieder darüber berichtet, aber in der Regel als abschreckendes Beispiel, wenn wieder einmal ein Hotelier oder eine Gasthausbesitzerin, den Versuch wagte, an der Gewohnheit zu rütteln.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum KR-PL-347)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Strom für Innsbruck gab’s 1892 bereits aus dem Mühlauer Kraftwerk an der Schweinsbrücke. Die dominante Straßenlaterne mitsamt ihrem Blitzableitet ist ja auch kaum zu übersehen.
    Straßenbahnschienen gibt’s in der Museumstraße ab 1904, aber die sieht man hier noch nicht, sodass wir den Zeitraum der Aufnahme grob eingegrenzt haben. Auch die Mode lässt keine engere Eingrenzung zu, verweist aber eher in die Zeit vor 1900.

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