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8 Monate Anno 1902 (10)

8 Monate anno 1902 (10)

Wer waren die Menschen, die bei Onkel Nikolaus und Anna Posch aus und ein gingen, dadurch auch Teil von Maries Leben wurden und ihr wichtig genug waren, um sie in ihrem Tagebuch zu erwähnen? Einer davon war „Herr Hauck“. Eine Spurensuche (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit):

Josef Hauck war Kaufmann, Hausbesitzer und Handelskammerrat mit Geschäft und Wohnung in der Landhausstraße (heute Meraner Straße) 7. Im gleichen Haus hatte auch die „Mödlinger Schuhfabrik“ ihre Niederlassung, deren Schild man auf dem obigen Foto noch halbwegs lesen kann; jenes von Hauck kann zumindest ich höchstens erahnen. Das Geschäft dürfte vielseitige Leistungen angeboten zu haben: es scheint 1911 in der Rubrik „Antiquitäten“ auf, übernahm 1902 den Verkauf des Stanzglases von F. Böse und war 1896 lokale Vertretung der „Pester Versicherungsanstalt“.

Als Jahrgang 1860 war Josef Hauck ein paar Jahre jünger als Nikolaus und ein paar Jahre älter als Anna. Zusammen mit seiner Frau Maria (geb. Riedl) hatte er zumindest einen Sohn, ebenfalls Josef, der im August 1886 geboren wurde und somit dreieinhalb Jahre jünger als Marie war. „Pepi“, wie er in Maries Tagebuch heißt, sollte später Bankdirektor werden.

In seiner Freizeit ging Herr Hauck nicht nur gerne fischen; zumindest 1898/99 firmierte er auch als Obmann der Innsbrucker Ortsgruppe des „Bundes der Deutschen in Böhmen“; die Sache des Vereines unterstützte er bis zu seinem Lebensende. Hauck starb zu Weihnachten 1924 „nach längerem schweren Leiden“ im Alter von 64 Jahren.

Mit der Frau Wollek ist die Sache leider etwas komplizierter. Die Adressbücher dieser Zeit kennen den Südbahn-Oberoffizial in Pension, Ignaz Wollek, wohnhaft in der Karlstraße 14 und den Beamten, Spediteur und französischen Konsul Josef Wollek aus der Andreas-Hofer-Straße. Zu wem gehört Frau Wollek? Das ist derzeit noch ein ungelöstes Rätsel…

21.III.1902. Frühlingsanfang.
Heute zog schon morgens der Scirocco, der sich mittags zum Sturm steigerte. Wir aßen schon früh, da um 11 Uhr der liebe Onkel Nikolaus mit Herrn Hauck nach Aldrans fischen fuhr. Heute ist Schmerzenfreitag, weshalb ich um 9 Uhr zur Predigt u. um 2 Uhr mit der lieben Tante Anna zur Complet gieng. Nachmittags nähten wir dann fleißig an den Pathengeschenken.

22. Samstag. Der Scirocco weht weiter. Es war heute sehr eilig; Margreth u. Josef putzten das Erkerzimmer, wir kauften Hüte für die Pathenkinder, ich putzte selbe auf, nähte am Knabenkleid u. schlug den Stockfisch im Gärtenhäuschen für die nächste Woche. – Abends begann es zu regnen, doch gar nicht stark. –

23. März 1902. Palmsonntag.
Um 1/2 9 Uhr gieng ich bei Regen in die Jesuitenkirche, wo soeben eine Predigt für die Studenten war und hierauf 2 hl. Messen, denen ich auch beiwohnte. Dann eilte ich schnell in die Servitenkirche, wo ich noch zum Austheilen der geweihten Palmzweige zurecht kam u. 4 schöne erhielt. – Nachmittag hörte es auf zu regnen.

24. März, Montag. Heute früh regnete u. schneite es, hörte aber zum Glück bald auf. Vormittags kam die liebe Fr. Mutter herauf; schon früher hatte ich eine Ansichtskarte mit Glückswünschen von den l. Großtanten erhalten, dann kam Fr. Wollek u. gratulierte mir ebenfalls. Nachmittags gratulierte mir dann die l. Frau Mutter u. überreichte mir ein Tagebuch u. weißes Briefpapier. Abends kam Herr Hauck u. Pepi mit einem prachtvollen Bouquet. –

25. März 1902.
Fest Maria Verkündigung,
Mein Namenstag.
Schon beim Aufstehen begrüßte mich ein Sonnenstrahl; beim Kaffee gratulierten mir die liebe Tante u. Onkel Nicolaus; Margreth hatte gestern abends noch einen Maiglöckchenstock in mein Zimmer gestellt. Um 1/2 9 Uhr gieng ich in die Servitenkirche u. wohnte 2 hl. Messen bei. Inzwischen waren zuhause allerlei schriftliche Gratulationen eingelaufen, nämlich ein Brief von Hilda, Madeleine (gestern schrieb Martha) u. Karten von Louise Faistenberger u. Louise Nigg, l. Großvater etc. Hierauf wurde mein Namenstag bei Champagner gefeiert und noch etwas später bekam ich die Geschenke: einen photografischen Apparat u. das Jaquet zu einem neuen hellgrünen Kleid, welches Fräulein Ghedina nicht fertig gemacht hatte. Es ist wirklich sehr hübsch u. geht auch gut. Beide Sachen freuen mich riesig und ich kann gar nicht genug dafür danken! – Mit der 12 Uhr Post erschien ein Brief vom lieben Papa, in dem einer von der lieben Mama eingeschlossen war, sowie separat noch ein Brief von Josefine. Papa schrieb, das bestellte Geschenk für mich sei nicht eingetroffen, es werde in einigen Tagen folgen. Bis nachmittags hatte sich der Himmel mit Wolken überzogen, ich setzte aber dennoch den ebenfalls neu erhaltenen weiß-schwarzen Strohut [sic] auf. – Abends kam Herr Hauck.
So verfloss also mein Namenstag; es war sehr angenehm im schönen Daheim beim Betrachten all‘ der hübschen neu erhaltenen Sachen. Gott vergelte Du in Deiner Allmacht den Spendern ihre Liebe und Güte!

Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling); Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-A-24379, 41-2).

Hier geht es: Zum nächsten Eintrag (falls schon vorhanden), zum vorhergehenden Eintrag und zurück an den Beginn des Tagebuchs.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
  1. Dieses Beitragsbild ist natürlich in vielerlei Hinsicht sehr spannend. Vor allem auch weil man das heute noch bestehende Haus Meraner Straße 9, ehemals Landhausstraße 7, erkennen kann.
    Laut dem Hausbesitzerverzeichnis von 1902 gehörte dieses Haus Maries Onkel, dem Privatier Nikolaus Posch. Herr Hauck könnte demnach ein Mieter von Onkel Posch gewesen sein.
    https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Medium/Seite/20709/30

    1940 gehörte das Haus dann Frau Anna Witwe Posch, wohl die Tante. Irgendwann dürfte die Hausnummer von 7 auf 9 umnummeriert worden sein.

    Ich bin mir fast sicher, dass Marie Grass geb. Cornet und ihre als Historiker bekannten Söhne Nikolaus und Franz Grass später auch im Haus Meraner Straße 9 wohnten, natürlich erst weit nach 1902.

  2. Betreffend Frau Wollek ist interessant, dass im ellenlangen Verzeichnis der Abnehmer der Neujahrsentschuldigungskarten von 1903 die Namen von Ignaz Wollek und Nikolaus Posch direkt übereinander stehen:
    https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19030105&query=%22nikolaus+posch%22&ref=anno-search&seite=14

    Wenn das eine chronologische Käuferliste ist, könnte man spekulieren, dass die beiden Herren sich gut kannten und gemeinsam dort waren, um die Karten zu kaufen…..
    Frau Wollek wäre dann die Frau des Südbahn-Offizials Ignaz Wollek und Mutter des Reichsrats- und späteren Nationalratsabgeordneten Richard Wollek.

  3. Der Name von Ignaz Wolleks 2. Ehefrau war Georgine Wollek geb. Gysinger. Die 1. Ehefrau Theres Wollek geb. Kolb starb bereits am 21. März 1870.

    Georgine Wollek, wohnhaft zu Innsbruck in der Karlstraße 14, starb am 5. April 1907 mit 56 Jahren in Hall. Aus diesem Jahr wird es wahrscheinlich keine Tagebücher von Marie mehr geben, sonst hätte man darin nachschauen können, ob sie diese Frau Wollek wirklich kannte und etwas über das Begräbnis schreibt.

    Das ist der Nachruf von Frau Wollek:
    https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwb&datum=19070411&query=%22GEORGINE+WOLLEK%22&ref=anno-search&seite=11

  4. Lieber Herr Auer! Herzlichen Dank für diese tollen inhaltlichen Kommentare. Da Hauck bei den Berufen auch als Hausbesitzer genannt wird, habe ich gar nicht daran gedacht zu sehen, wem sein Geschäfts- und Wohnhaus gehörte. Das passt ja perfekt.

    Das mit der Entschuldigungskarten-Abfolge ist mir auch aufgefallen und Sie haben Recht, das dürfte schon ein Indiz sein, aber es schien mir isoliert etwas dünn, ich hätte z.B. auf gemeinsame Vereinsaktivitäten o.ä. gehofft. Aber auch hier ist z.B. die Mödlinger Schuhfabrik und Hauck direkt nacheinander „. https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19001224&seite=11&zoom=33&query=%22M%C3%B6dlinger%2BSchuhfabrik%22~10&ref=anno-search Der Versuch einer Auswertung dieser Listen samt derartiger Verbindungen wäre einmal ein tolles Projekt für Statistik-Knobel-Kombinations-Afficionados! 🙂

    Und Wolleks Wohnadresse Karlstraße (später Wilhelm-Greil-Str) würde von der Umgebung gut dazu passen, auch was Fr. Wolleks Alter betrifft, passt Sie gut. Sie haben Recht, leider brechen die Tagebücher 1905 ab, noch vor ihrem Tod. Aber vielleicht stoßen wir einmal auf Richard, der ca. 10 Jahre älter als Marie war…

  5. Liege ich mit der Datierung des Titelfotos um 1920 richtig? Auf meinen Fotos hatten die Fester des Hypo-Hauses bis ungefähr dahin noch recht aufwändige Ornamente.

    1. Ja, eine Datierung vor 1905 dürfte genau stimmen! Das Foto der Kanalisierungsarbeiten ist wahrscheinlich Ende 1904 aufgenommen worden.

      Laut einer Bekanntmachung des Stadtmagistrats sollte die Kanalisierung der Landhausstraße, Rudolfstraße sowie des Margarethenplatzes in den Monaten November und Dezember 1904 durchgeführt werden:
      https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19041026&query=%22LANDHAUSSTRA%c3%9fe%22&ref=anno-search&seite=12

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