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Sonnendeck 1.0

Sonnendeck 1.0

In Zeiten der Unsicherheit wie es mit dem studentischen Mauersegler-Nest am Inn weiter geht, eine Erinnerung an die Dachterrasse des Hallenbades in seiner ganz frühen Form. Es scheint als hätten auch die Innsbrucker*innen noch gar nichts von diesem architektonischen Kleinod erfahren, so leer ist das Sonnendeck zu dieser sommerlichen Mittagsstunde.

Zwei Damen machen Streckübungen (die gute alte Kerze, die es bis ins Yoga herüber geschafft hat und eine gekippte Variante davon) und werden dabei von anderen Sonnenhungrigen im Liegestuhl und auf der Treppe beäugt oder ignoriert. Im Vordergrund liegt ein kopfloser Herr mit dem halben Torso und den Beinen in der prallen Sonne. Es ist eine Szene der Ruhe und Harmonie mit Aussicht auf abendliche Hautrötungen.

Die spannendste Frage ergibt sich auf der Rückseite der Karte, auf der als Fotograf ein Paul Karberger genannt ist. Dieser Name ist ansichtskartenaffinen Zeitgenoss*innen vielleicht nicht so geläufig, daher ein paar Informationen aus den Tiefen der Heimatrolle zu ihm: Ein im Osttirolischen Lienz 1887 als Sohn eines böhmischen Eisenbahners geborener Paul Kopetzky kam spätestens 1910 als mit seiner ebenfalls aus Lienz stammenden Gattin Josefine geb. Scheran als Südbahn-Angestellter nach Innsbruck, beantragte 1921 die Namensänderung in Karberger und lebte unter beiden Namen stets an der selben Adresse Pechestraße 1 in Wilten. Ab 1928 scheint er – als guter Eisenbahner mit gerade 41 Jahren – als „i.P.“ auf. Nur 1944 fungiert er laut Adressbuch als „selbst. Photograph“. Diese Information widerspricht wiederum den Angaben im Branchenverzeichnis, wo er bereits ab 1928 als Photograph (beschränkt auf Landschafts-Photographie) aufscheint. Ebenfalls mit Adresse Pechestraße 1. Und teilweise zeitgleich mit einem Schwager, Johann Scheran, an der selben Adresse. Die Beschränkungen der Fotogewerbe auf Sport- oder Landschaftsaufnahmen waren ja ein beliebtes Instrumentarium, um die wirklich profitable Porträtfotografie bei den Zunftmeistern zu halten.

Paul Kaberger durch die Zeitungen der Zwischenkriegszeit zu verfolgen, ist durchaus unterhaltsam. Er ist in den 1920ern Funktionär und Gauobmann der Naturfreunde und später auch führend an der Gründung des Arbeiter-Radiobundes beteiligt. Er hält viele Lichtbildervorträge über die Alpen und zeigt auch gelegentlich in Landeck einen Film zur Rolle der Frau „im Betrieb, in der Wirtschaft und als Mutter“, bei dem im Bericht nur kritisiert wird, dass der Film so schnell abgespult wurde, da der Vorführende den letzten Zug nach Innsbruck erreichen wollte.

In der Tiroler Radiozeitung erscheint 1931 ein interessanter Artikel, der die Störungen des Radioempfanges durch die Straßenbahnen beklagt. Zeitweise hatten die Radiohörenden den Lokalbahnen sogar eigenen Abnehmer finanziert, damit die Leitungen der Straßenbahn Innsbruck nicht in ein einziges Funkloch verwandelten.

Im Jahr 1942 stirbt Frau Josefine Karberger, im Jahr darauf ihr Mann Paul. Damit verschwindet der selbst erfundene Name des kinderlosen Paares wieder aus der Innsbrucker Stadtgeschichte – ob Karberger eine Reverenz an die Berge und das Hafele-Kar war, werden wir nicht mehr herausfinden.

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