Redlich, Fleißig und Willig
Anlässlich des ersten Beitrags aus dem Nachlass von Brunhilde Knaller wurde die Frage aufgeworfen, wie sich wohl ihre Eltern, die aus dem bayerischen Pleystein stammende Theres Puff und der Kärntner Johann Paul kennenglernt haben. Das, ich verrate es vorweg, kann ich Ihnen im Detail noch immer nicht sagen. Aber wir können heute Thereses Weg nach Innsbruck verfolgen.
Sie sei Köchin, heißt es im Eintrag des Wiltener Traubuches. „Köchin“. Was kommt einem bei diesem Begriff wohl als erstes in den Sinn? Ein bodenständiges Gasthaus, eine schlichte Kantine, ein nobles Hotel, die Großküche irgend einer Institution? HLW vulgo Knödelakademie, Kochlehre… – Eine Köchin im Privathaushalt? Da muss man sich schon in ganz bestimmten Kreisen bewegen.
Vor 150 Jahren war das noch ganz anders. Da gehörten Bedienstete noch zum Selbstverständnis des gehobenen Bürgertums (vom Adel ganz zu schweigen). So begann auch der Karriereweg der am 5. April 1880 geborenen Therese Puff. Ein paar Wochen nach ihrem 14. Geburtstag erhielt sie am 18. Mai 1884 von der Gemeindeverwaltung des heutigen Pleysteiner Ortsteils Lohna ihr Dienstbotenbuch.
Es beinhaltet vorne einige Seiten mit „Vorschriften und Belehrungen für den Inhaber und für die Dienstherrschaften“. Demnach mussten sich Dienstboten im landwirtschaftlichen Bereich auf mindestens ein Jahr verdingen, im nichtlandwirtschaftlichen Bereich war auch ein halbes oder ein Vierteljahr möglich. Das Dienstbotenbuch musste beim Antritt den Dienstherren übergeben werden, die es erst beim Austritt wieder aushändigten. Und zwar mit den Eintragungen zu Dauer und zur Bewertung des Dienstes, der von den Behörden abgestempelt wurde. Unveränderbar, denn es durfte nichts ausradiert, gestrichen oder herausgerissen werden. Bei diesen Bestimmungen kommt in mir ein mulmiges Gefühl hoch, wie sehr die (meist weiblichen) Dienstboten Ihren Dienstherren dadurch ausgeliefert waren. Das erinnert ein bisschen an die heutigen üblen Geschichten von Wanderarbeitern und -arbeiter:innen, denen die Arbeitgeber erst einmal ihre Pässe abnehmen.
Theres Puff verbrachte ihre ersten vier Jahre als Magd beim Steuerverwalter Wilhelm Neumüller in Heufeld im Landkreis Rosenheim. Das knappe „Zeugniß treu u. fleißig u. die vollste Zufriedenheit“ dürfte wohl eine andere Bedienstete ausgefüllt haben. Bezeichnend für die Rollenverteilung ist, dass in der Spalte „Dienstherr“ dem Titel entsprechend meist die Männer angeführt wurden, die Bewertung über „Fleiß, Treue und Aufführung“ aber üblicherweise von den (Ehe)Frauen ausgefüllt und unterfertigt wurde. Theres Puff war anschließend je ein Jahr Dienstmädchen bei einer Lokomotivführersgattin (1898/99) und bei einer Arztensgattin in Rosenheim (1899/1900). Letztere prägte vielleicht ihren weiteren Weg, bezeichnete sie sie doch als „geschickt in allen häuslichen Arbeiten, auch in der Küche“.
Im Sommer 1900 übersiedelte die nunmehr 20-Jährige Theres nach Innsbruck, wo ihr Dienst erstmals als „Köchin“ eingetragen wurde. Fast drei Jahre lang war sie bei der Familie von Oberrealschul-Professor Franz Marchel in der Bürgerstraße 13 tätig. Neben treuen und fleißigen Dienst hatte sie sich „besonders durch ihre Liebe zu den Kindern unsere vollste Zufriedenheit erworben“, schrieb dessen Gattin ins Dienstbotenbuch. Ganz ähnlich formulierte ihr nächster Arbeitgeber, der Kustos der Universitätsbibliothek, Dr. Ludwig Sprung aus der Meinhardstraße 12, bei dem sie fast sieben Jahre lang, von April 1903 bis Jänner 1910 tätig war: „Therese Puff ist eine gute Köchin, geschickt, treu und fleißig und zeichnet sich besonders durch ihre Liebe zu den Kindern aus.“ Anschließend verbrachte sie noch knapp zwei Jahre, von 1. Februar 1910 bis 1. November 1911 beim Gymnasialprofessor Friedrich Gschnitzer und seiner Frau Rosa in der Templstraße 3. Diese betonte ebenfalls ihre „vollste Zufriedenheit“ mit Resi, die „redlich, fleißig, u. willig“ gedient hatte. Sie könne sie „Jedermann auf das Beste“ empfehlen und fügte hinzu, dass sie „auf eigenes Ansuchen entlassen“ wurde.
Dieses Ansuchen hatte naheliegende Gründe: bereits drei Tage nach Dienstende heiratete die nunmehr 31-Jährige den gleichaltrigen Postamts-Aushilfsdiener Johann Paul. Im gleichen Jahr fand übrigens der Erste Internationale Frauentag statt, der seither im Zeichen des Kampfes und der Bewusstseinsbildung um Gleichberechtigung steht. Ob Theres Puff damals bereits Notiz davon nahm und was sie dazu dachte, ist nicht überliefert. Die Passfotos im Titelbild stammen übrigens aus den späten 1930er- bzw. frühen 40er-Jahren.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, 06.93.05 NL Brunhilde Knaller, geb. Paul)
Friedrich und Rosa Gschnitzer waren die Eltern des bekannten Juristen und Rechtslehrers Univ.-Prof. Dr. Franz Gschnitzer, geboren 1899 und am 19. Juli 1968 an einem Herzinfarkt verstorben. Friedrich Gschnitzers Vater bzw. Franz Gschnitzers Großvater war Sattlermeister in der Herzog-Friedrich-Straße.
War ein Nachkomme des Dr. Franz Gschnitzer der Gschnitzer Gaggi, seines Zeichens Rechtsanwalt und Gemeinde/Stadtrat in Innsbruck, ein höchst angenehmer, liebenswerter Mensch. Den hab ich gut gekannt und sehr geschätzt.