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Heim Ins Reich Anno 1921

Heim ins Reich anno 1921

Als man in Innsbruck nach dem gerade verlorenen Ersten Weltkrieg wirtschaftlich darniederliegend, politisch orientierungslos und von Tirols Zerreißung gekränkt gar keine staatliche Zukunft mehr für Österreich sah, entwickelte sich eine Idee, die, weil völlig außerhalb der möglichen Zugeständnisse der Siegermächte, von Beginn an als rein symbolischer Akt verstanden werden konnte: Man organisierte im April 1921 eine Volksabstimmung, die über eine Frage befand, die sich gar nicht stellte: Ob Tirol sich dem Deutschen Reich anschließen solle, per Slogan als „Heim ins Reich“ beworben, und das obwohl die letzten Male davor die Tiroler eher unfreiwillig politisch gemeinsame Sache mit den nördlichen Nachbarn betrieben hatten. Die Volksabstimmung ging mit 98% für diese Option, die keine war, aus, und erfüllte somit für die Tiroler Landespolitik ihre erhoffte Funktion, die Gründe für die lokalen Probleme wo anders zu suchen.

Auf dem Titelbild formiert sich offenbar gerade eine Radler-Demo, in der auch eines der Hauptmotive der Wahlwerbung als Plakat mitgeführt wird: Der von einer nackerten Heroengestalt gesetzte Schlussstein in der Brücke zwischen Tirol und Deutschland. Diese Symbolik wurde bei Volksabstimmungen immer wieder verwendet, in Variationen in Tirol und auch anderswo. Ein weiteres Plakat aus dem Stadtarchiv zeigt unter zwei androgynen wenigstens halb bekleideten Burschen den Slogan „Ein Volk – Ein Reich“, was bis auf den dritten Teil der Aussage schon recht nahe am branding und wording der Volksabstimmung vom April 1938 liegt. Und wenn einem gar nichts mehr einfällt, wird noch Andreas Hofer zum Freund Bayerns erklärt…


Zwischen den beiden Abstimmungen liegen ja gerade 17 Jahre, und vieles am Denken des April 1921 ist bei genauerer Betrachtung recht nahe an der Geisteswelt des April 1938 angesiedelt: Durch die Maria-Theresien-Straße wird ein rassistisches Plakat zur Verunglimpfung der Grande Nation Frankreich getragen, vor dem Landestheater werden Anschlussgegner pauschal als Volksverräter bezeichnet.


Viele der Unterlagen zur Volksabstimmung 1921, die im Stadtarchiv liegen sollten, liegen übrigens in Berlin (und auch das ist nicht ganz sicher). Ein lapidarer Zettel im Archiv-Karton bemerkt, dass die Original-Dokumente dem Führer Adolf Hitler bei seinem Besuch in Innsbruck am 5. April 1938 übergeben worden seien.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Der bayerische Politiker Georg Heim (1865-1938) schlug im November 1918 sogar vor, Bayern solle aus dem Deutschen Reich austreten und mit den stammesverwandten Ländern Deutsch-Österreichs – Tirol, Salzburg und Oberösterreich sowie Vorarlberg – einen eigenen Staat bilden.

  2. Die Gedanken des Politikers Georg Heim sind in abgewandelter Form noch einmal bei der Potsdamer Konferenz aufgetaucht, als es sozusagen um die Aufteilung Deutschlands gegangen ist. Im Schloß Cecilienhof konnte ich noch zu DDR-Zeiten eine Karte betrachten, die Baden, Württemberg, Bayern, Vorarlberg und Tirol (optional ganz Österreich, in einer Variante sogar plus Ungarn) zu einem Staat „Süddeutschland“ vereinigt hat. Meinen damals aufgekommenen erzketzerischen Gedanken, ob Tirol am Ende nicht davon profitiert hätte, sind mir heute noch nicht ganz fremd. Jedenfalls glaube ich die damalige Stimmung ein wenig zu begreifen. Wobei ich es für möglich halte, daß die Gewichtung der Stimmung eher auf „Los von Wien“ als auf „Heim nach Deutschland“, wo wir nie zu Hause waren, lag. Verstanden heißt aber bekanntlich nicht einverstanden: Die schmalzigen Kraftlackelplakate hätten eine Warnung sein können, welche Herren wir uns da an die Nase wünschen.

    Wieder in die Realwelt zurückgekehrt, bleibt die Betrachtung der auf den Fotos sichtbaren recht interessanten, weil teilweise verschwundenen Details der Häuser der Maria Theresien Straße.

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