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Haus-un-rat

Haus-un-rat

Geschirr war der Stolz vieler Haushalte. Im IKEA-Zeitalter tritt dies immer mehr in den Hintergrund. Während zu meiner Studienzeit ein Studentenzimmer gerne auch mit drei abgeschlagenen Tassen und zwei Gabeln, einem Teller und einem verbogenen Messer (zu einer horrenden Ablöse) übernommen wurde, ist das heute nur störender Sperrmüll. Nur der Salz-und-Pfeffer-Streuer (blaues und weißes Glas) wurde damals grundsätzlich im Krahvogel mitgenommen. Die zählten also nicht. Habe ich gehört…

Doch zurück zu unserem Foto. Das „gute“ Geschirr. Es war neben den unvermeidlichen Wohntextilien oft Teil der Aussteuer junger Frauen. Vielleicht auch in diesem Fall. Aber wenn ich durchzähle, dann habe ich den Verdacht, dass da schon die ein oder andere Tasse dem Newton´schen Gravitationsgesetz gefolgt ist. Ich glaube, dass zumindest eine Teetasse fehlt.

Dafür gibt es eine „Flotte Lotte“, eine faszinierende Maschinerie, die mir im Zusammenhang mit Ribisl-Gelee lebenslänglich in Erinnerung bleiben wird. Nur KennerInnen werden jetzt zustimmend nicken. Keine Ahnung, was es sonst noch für Aufsätze gegeben hat. Oben oder vorne. Ich habe vor einigen Jahren so ein Monstrum für meinen Haushalt nachgekauft, aber noch nie zusammengebaut oder gar in Gang gekurbelt. Eigentlich schade.

Das Möbel mit dem dicken mattweißen Lack und den zahlreichen Schubladeln für Salz und…. Was eigentlich?

Auch wenn rechts ein Weihnachtspackerl steht, glaube ich nicht, dass es sich aus oben angeführten Gründen um ein Weihnachtsgeschenk handelt.

Ganz vorne ein Likör-Service. Oder für Tokajer. Oder Eiswein. Schaut nach Böhmischen Glas aus. Das gestickte Deckchen ist sicher das Produkt der Handarbeit junger Damen. Oder doch von der Oma.

Die Sammlung der Schöpflöffel ist definitiv noch ausbaubar. Wir könnten die Beobachtungen noch weiterführen. Das geschliffene Bleikristall, die Suppenterrine, die versilberten Eierbecher… Was ist eigentlich das Email-Häferl von „Elite Austria“?

Das Ding rechts am Stuhl schaut auf den ersten Blick nach einem bedrohlichen Gerät aus der Medizin aus. Erst auf den zweiten Blick entspannt sich die Muskulatur wieder. Entwarnung. Es ist nur eine Lampe.

Jetzt hätten wir eigentlich ein lobenswertes Idyll bürgerlichen Lebens ausreichend bewundert. Und dann entdecken wir, das was das Idyll für immer zerstört.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Kr/Pl-3201)

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare
      1. ich schließe mich dem Fleischwolf an :-), Doch das mit dem Ribisl-Gelee stimmt dann schon wieder. Da gab es einen Aufsatz: oben Ribisl rein, unten Saft raus und vorne eine trockene Wurst aus Kernresten usw. Das Geniale war: in den Kernen ist so viel Pektin, dass es kein Geliermittel mehr gebraucht hat.
        Die nicht montierte Deckenleuchte auf dem Schemel rechts irritiert, dafür zeugt das Bild links der Mitte (gehört eigentlich nach rechts außen), das wir hier den Hausrat einer guten, deutschen Hausfrau vor 1945 sehen.

        1. Ist die Flotte Lotte etwas das senkrechte Ding, das man auf den Kochtopf setzte und dann Tomaten durchdrückte?
          Das mit den Ribisln hast Du perfekt beschrieben, Stephan. Sehr lustig. Als Kind hat man dann immer geschaut, wie lange die Körndl-Stengel-Wurst werden konnte.

  1. Klingt jetzt verrückt, wurde aber praktiziert: Vielleicht hat man die guten Stücke vor den Bomben zu Bekannten oder Verwandten aufs Land gerettet und noch einmal fotografiert. Samt dem Verursacher der ganzen Misere.

    Und es ist ein Fleischwolf, die Flotte Lotte gibts heute noch. Bei Amazon z.B. :-). Andere Funktion, anderes Aussehen.

  2. Unterm Kasten ganz links liegt ein Papierflieger. Also gab’s wohl auch Kinder in der Stube. Vielleicht ist’s auch nur eine gefaltete und vergessene Serviette. Das Doppelstock Häferl von „Elite Austria“ wird ein Dünster oder Kartoffeldämpfer sein. Alles sieht noch recht neu aus.
    Die dunkle Tischdecke mit ihren Jugendstil Elementen find ich recht hübsch. Aber trotzdem hat die Szene etwas Groteskes an sich. Auch wenn alles nach Umzug aussiehst, warum fotografiert man ausgerechnet das Küchengeschirr mit Deckenleuchte, Weinflasche und Weihnachtspacktl? Die Möbel und der Rest blieben wohl zurück. Vermutlich doch eine Flucht aufs Land.

  3. Die Überlegung von Herrn Hirsch zu diesem eigenartigen Arrangement leuchtet mir ein. An ein Weihnachtsgeschenk kann ich nicht recht glauben, da hätte man doch sicher beim Porzellan alles aus einer Serie gewählt und nicht so ein Sammelsurium.
    Das Bord mit den Schöpfern ist auch nicht neu, bei dem ist links das Emaille / der Lack etwas beschädigt. Trotzdem hat man es von seinem angestammten Platz abgenommen, damit es auch auf’s Foto kommt.
    Die Weihnachtspakete waren vielleicht als Dankeschön für die Verwandten auf dem Land gedacht.
    Unterhalb der Schubladen dürfte das heute bei manchen wieder beliebte „Goldrand-Geschirr“ gestapelt sein.
    Die Kaffeemühle sieht aus als wäre sie zur Wandmontage bestimmt. Ich durfte für meine Mutter den Kaffee immer mit einer kleinen Holzmühle mahlen und liebte als Kind schon den Duft der mir in die Nase stieg, wenn ich die kleine Schublade mit dem kostbaren Pulver herauszog. Auf einem Stuhl sitzend, die Mühle zwischen den Knien eingeklemmt, hat man an der Kurbel gedreht, ich meist so schnell ich konnte. Wehe, wenn dann eine Bohne das Mahlwerk samt Kurbel blockierte und die Mühle kurz auf- und wieder niederkippte …
    Zum Fleischwolf fällt mir noch ein, dass meine Mutter jedesmal, wenn sie mit dem Durchdrehen von Fleisch oder Sonstigem fertig war, ein Stück Brot „nachdrehte“, damit nur ja nichts in der Maschine zurückblieb; um vorzusäubern, vor allem aber um zu sparen.

    Am meisten an dem Bild würde mich das Wappen interessieren, das auf die weiße Tischdecke gestickt wurde. Familienwappen? Orts- oder sonstiges Wappen? Oder einfach nur vorgedrucktes Fantasie-Motiv?

  4. Andere Deutung:
    Da hat ein Paar erst „beim Hitler“ geheiratet – aus welchen Gründen eine Ehe vorher nicht möglich war, wollen wir nicht wissen – ist schließlich privat! – und bekam dieses : sagen wir „Ehestandsdarlehen“ – wie immer es geheißen haben mag – und hat davon diese neue Pracht erst erworben.
    Es sieht ja so neu und unbenützt aus – am Kochtopf klebt noch das Schild – im Krapfenausbachwanndl ist sicher noch nichts im Schweineschmalz geschwommen – die Faschiermaschine glänzt silbern vor sich hin – im Porzellangerschirr wurde noch kein Ersatzkaffee serviert…
    Vor einem geplanten Umzug aufs Land – macht man da ein so sorgsames Erinnerungsfoto mit Jugendstiltischtuch am großen Tisch und Kreuzstichdecke mit Panthern am Beistelltisch?
    Nein, nein, da freut man sich über die Neuerwerbung – und hat deshalb das Bild des edlen Spenders für dieses Foro am Kredenztürl sichtbar angebracht.
    Und der kleine (unsichtbare) Papierfliegerpilot ist auch endlich „legitimisiert“
    Soweit meine Deutung…

  5. Man unterschätze nicht die Polierwut der Hausfrau. Da wird auch nicht die kleinste Spur eines eingetrockneten Tropfens geduldet. Und ein Gefäß, das man erst einmal putzen muß, ehe es in Gebrauch genommen wird, das geht schon überhaupt nicht.

    Wenn es nicht auf der Rückseite vermerkt ist, sind die Grenzen der Geschichtswissenschaft erreicht. Vielleicht findet sich ja noch ein ähnliches mit klärender Beschriftung.

    Wieso man eine Deckenlampe aufs Land retten hätte sollen stört einwenig die Auslagerungstheorie.

    1. Was die von Ihnen angesprochene „Putzwut“ anbelangt, darf ich das engl. Sprichwort zitieren:
      „A clean house is a sign of wasted life“
      Sie ahnen, wieviel Frust und Kummer oftmals an diesem „Sich selbst beweisen müssen, daß man doch….!!“
      oftmals stecken….
      In der Umgebung habe ich dieses „namenlose Unglück“ oft mitangesehen….

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