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Ein Schrecklicher Arbeitsunfall

Ein schrecklicher Arbeitsunfall

Das Titelbild wurde in den 1920-er Jahren aufgenommen und stammt aus dem Verlag Karl Redlich. Zu sehen ist die Hypothekenanstalt am Bozner Platz, die gerade einen frischen Anstrich erhält. Ausgeführt wurden die Arbeiten von der Malerfirma Hummel, die zu dieser Zeit ihren Firmensitz in der Andreas-Hofer-Straße in Innsbruck hatte. Die fahrbare Gerüstleiter, die für diesen Auftrag verwendet wurde, war von dem Firmeninhaber Christof Hummel selbst entwickelt worden und ersparte das mühsame Auf- und Abbauen eines Gerüstes. Bei dieser zum damaligen Zeitpunkt hochmodernen Arbeitshilfe handelte es sich um eine vierteilige Schubleiter mit einem Rädergestell samt Deich­sel. Links und rechts seitlich am Rädergestell befand sich eine Vorrichtung zur Spannung der im Leitergestelle kreuzweise übereinander laufenden Drahtseile, welche durch gleichmäßige Spannung die horizontale Lage des Trittbrettes, auf dem die Arbeiter standen, gewährleisten sollte.

Im Jahr 1907 hatte sich in der Maria-Theresien-Straße bei der Verwendung einer solchen fahrbaren Gerüstleiter der Firma Hummel ein folgenschwerer Unfall ereignet. In den Innsbrucker Nachrichten erschien am 10. August 1907 ein umfangreicher Artikel, der sich mit diesem Unglücksfall eingehend beschäftigte:

Die Maria Theresienstraße war gestern nach­mittag der Schauplatz eines tief bedauerlichen, schweren Unglücksfalles, der einer armen Arbeiterfamilie den Ernährer entriß und einen zweiten Familienvater in große Lebensgefahr brachte. Am Stockerhause (Besitzer Kaufmann Schar­dinger) an der Ecke des Burggrabens und der Maria Theresienstraße soll in den nächsten Tagen die Fassade neu gestrichen werden. Vor­läufig ließ der Hausbesitzer an den Ge­simsen Verdachungen aus Blech, sogenannte Mauerschützer, anbringen. Die Spenglerfirma Neuhauser, welche diese Arbeit besorgte, ent­lieh nun vom Malermeister Hummel eine Gerüstleiter, welche zu den Anstreicharbeiten ohne­dies benötigt worden wäre. Es kam eine vom Malermeister Chr. Hum­mel selbst konstruierte Gerüstleiter, welche von der Wagnerei Engl hergestellt wurde und in den Besitz der Produktivgenossenschaft der Maler, Anstreicher und Lackierer überging, zur Verwendung, und zwar wurde die zum Emportreiben konstruierte Leiter nicht nur von den Malern, sondern auch von den Spenglern benützt, weil diese sonst gezwungen gewesen wären, ein eigenes Gerüst aufzustellen.

Gestern nachmittags arbeiteten die beiden Spenglergehilfen Alois Sannicolo und Emanuel Mazzi auf der bis zum 3. Stocke emporgetriebenen Leiter, welche oben eine hängende Plattform für die Arbeiter hatte. Unten befand sich ein Angestellter der Firma Hummel, der das Emportreiben besorgte. Plötzlich neigte sich das Leitergerüst zur linken Seite hin. Unglücklicherweise arbeiteten die beiden Spengler gerade auf dieser Seite, wodurch der Schwer­punkt noch mehr verschoben wurde. Ein Krach, ein Auswirbeln von Staub und das gräßliche Unglück war geschehen. Die linksseitigen Holmteile der Leiter waren geborsten, und die Plattform, auf der die Arbeiter standen, hatte sich mit furchtbarer Schnelligkeit gesenkt, die beiden Menschen aber hatten den Halt verloren und waren aus der enormen Höhe auf das Porphyrpflaster herabgeschleudert worden. Einer der Arbeiter wollte sich, wie man später sah, noch an dem Gesimsbleche halten, das er kurz vorher befestigt hatte; dieses trug seine Last aber nicht und mit einem gellenden Aufschrei stürzte der Arme seinem Kameraden nach. Die Körper der beiden abgestürzten Arbeiter lagen nahe beieinander; jener Sannicolos war blutüberströmt und lag quer über das Straßenbahngeleise. Mazzi bewegte kurz nach dem Aufschlagen auf dem Pflaster den Körper, als wollte er sich erheben, Sannicolo hingegenblieb regungslos liegen. Er war mit dem Kopfe aus das harte Steinpflaster aufgefallen und hatte absolut tödliche Verletzungen er­litten; er starb denn auch nach kurzer Zeit an der Stelle, wo er lag.“

Nach dem Unfall wurde sofort nach der Ursache für das Unglück gesucht. Es konnte jedoch nicht mehr festgestellt werden, ob es sich um einen Konstruktions-, Material- oder Bedienungsfehler handelte. Malermeister Hummel wies zudem jede Schuld von sich und meinte unter anderem: „Die Leiter, wurde bei ihrem ersten Gebrauche am Gebäude der Finanz-Landes-Direktion dreizehnmal auf- und niedergezogen, ohne daß sich auch nur das Geringste ereignete.“ Er schilderte den Unfallhergang wie folgt: „Einer meiner Arbeiter war nun daran, die Leiter, auf der sich die beiden Spengler befanden, in die Höhe zu schieben. Er beobachtete dabei nicht, daß die rechtsseitige Klappe gesperrt und die andere offen war, wodurch die einseitig getriebene Leiter rechts die Füh­rung im Holze verlor und sich am linken Teile durch die rechtsseitige Spannung verdrehte, so daß durch den Druck das Holz des linksseitigen Teiles gesprengt wurde und brach. Herr Hummel hält seinen zum Emportreiben bestellten Arbeiter für absolut zuverlässig. Der Unfall könne daher nicht anders erklärt werden, als daß ein Unberufener die eine Klappe schloß, während Haslacher auftrieb. Es sei unmöglich, daß die Klappen von selbst zufallen. Dies sei die einzige Erklärung für die Mög­lichkeit des Unglücks.

Ob Christof Hummel nach diesem furchtbaren Unfall bei der Neukonstruktion einer fahrbaren Gerüstleiter – wie wir sie auf dem Titelbild sehen können – verbesserte Materialien und zusätzliche Sicherheitselemente verwendete, ist mir leider nicht bekannt.

(Stadtarchiv Innsbruck, KR-PL-57)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Sehr interessant sind die sechseckigen Pflastersteine im Vordergrund. Solche Pflastersteine gab es auch in der Erlerstraße, wie man auf alten Fotos erkennen kann.

    1. …und beim Beitrag „Was zum Kiefeln“ (Leopoldstraße). Scheint ein beliebter Pflasterstein für Gehsteige (und Gründerzeit-Eisenbahnhäuser-Hausgänge) gewesen zu sein – zumindest glaube ich mich an solche Steine im Hausflur A.-Hofer-Str.53 zu erinnern…
      (Der Wahrheitsbeweis kann leider nicht mehr erbracht werden.)

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