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Ein Grenzüberschreitendes Verbrechen (1)

Ein grenzüberschreitendes Verbrechen (1)

Vor einigen Wochen erreichte uns eine Anfrage von Loic Masson, dessen biografische Spurensuche ihn (auch) nach Tirol führte. Und zwar zu einem Kriminalfall. Am 13. Dezember 1926 berichteten die Innsbrucker Nachrichten erstmals „von sonderbaren Dingen„, die man aus Deutsch-Matrei hörte und die zu einer Festnahme in Innsbruck geführt hatten. Das Wort „Hochstapelei“ fiel in diesem Zusammenhang. Der Fall beschäftigte die Lokalpresse in der Folge fast eineinhalb Jahre. Was war passiert?

Die 1895 in Agram/Zagreb geborene und nach Prag zuständige Maria Stanek, Baronin von Pflichttreu tauchte zusammen mit ihrem zehn Jahre älteren Sekretär Dr. Richard Kübert „ungefähr vor drei Jahren in Tirol auf“. Auf der Suche nach einem Ansitz wurden sie in Pfons fündig, da Schloß Arnholz „das eigentlich nur ein größerer Bauernhof mit einem schloßartigen Turme ist“ billig zu haben war. Bereits dieser Erwerb war ein „Finanzkunststück sondersgleichen“: Kübert erreichte zunächst eine kurzfristige Stundung des Kaufpreises, nahm anschließend eine Hypothek von 15.000 Schilling (umgerechnet 67.000 Euro) auf das Schloss auf, wovon er nicht nur die 8000 Schilling Kaufpreis bezahlte sondern dann auch noch fast genau so viel in Bar zur Verfügung hatte. (IN, 15.12.1926, S. 6) (Da der Schilling am 1. März 1925 in Österreich eingeführt wurde, müsste dieser Kauf – der mittlerweile auch die Chronisten von Matrei beschäftigt – eigentlich 1925/26 stattgefunden haben, außer die Presse konvertierte stillschweigend die Beträge, wovon eher nicht auszugehen ist.)

Stanek und Kübert knüpften in der Folge rege gesellschaftliche Verbindungen in Innsbruck. „Auch auf Schloß Arnholz ging es hoch her; es wurden dort große Feste und Gelage gegeben, die Lieferanten mußten aber auf ihr Geld warten und warten zum Teil auch heute noch darauf“, so die Innsbrucker Nachrichten im Dezember 1926 . (IN, 14.12.1926, S. 5) Obwohl von der Hypothek ja umgerechnet etwa 30.000 Euro in Bar übrigblieben, lebten die beiden bald auf Pump. Mit haarsträubenden Geschichten, denen offenbar trotzdem Glauben geschenkt wurde:

Die Baronin erzählte von millionenschweren Depots, Schmuck und wohlhabenden Verwandten in Frankreich. Während des Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg habe sie ihren Familienschmuck im Wert von 30 Millionen Schilling zu ihrer Tante nach Frankreich gebracht, „um ihn vor der Beschlagnahme durch die Wiener sozialdemokratische Regierung zu retten„. Die Tante wiederum, eine Vicomtesse Lampriere und geborene Prinzessin Polignac, war dort in einen monarchistischen Umsturzversuch verwickelt gewesen, weshalb ihr Besitz vorübergehend beschlagnahmt wurde. Leider verzögerte sich die Herausgabe aufgrund der komplizierten französischen Bürokratie immer und immer wieder. Und als die Vicomtesse den Schmuck schließlich hatte, konnte sie ihn leider nicht nach Innsbruck bringen, da sie dringend nach Jugoslawien musste, zum früheren heimlichen Verlobten von Baronin Pflichttreu, Prinz Alexander von Serbien… (IN, 15.12.1926, S. 6)

Auch wenn man spontan darüber nur ungläubig den Kopf schütteln kann, so halte man sich vor Augen, dass in unseren Tagen Menschen dafür fehlerhaft schreibenden Geschäftspartnern Geld nach Nigeria überweisen oder für ein Erbe von völlig Unbekannten in Vorleistung gehen…

(Fortsetzung folgt)

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-25221)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
  1. Der Titel „Baronin“ war eine Erfindung der Frau Stanek. In der Tat wurde jedoch ihr Vater, der k.u.k. Oberst Josef Stanek am 9.11.1912 in den systemmäßigen Adelsstand mit dem Prädikat „Edler von Pflichttreu“ erhoben.

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