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Das Bierwastl

Das Bierwastl

In der Recherche-Arbeit mag es öfter passieren, dass man über gewisse Sachen gleich mehrmals hintereinander stolpert. Diese Sachen können beispielsweise gewisse Fotos, aber auch Orte, Personen oder Gegenstände sein. So ging es auch mir neulich, als ich häufig auf den Gasthof „Bierwastl“ stieß, von dem eine Innenräumlichkeit auf dem Titelbild zu sehen ist. Datiert ist die Postkarte auf 1904. Allerdings musste ich mich aber jedes Mal erneut fragen, um welchen Gasthof es sich doch handeln könnte. Als junger Zugezogener habe ich zwar von dem einen oder anderen Gasthof Innsbrucks schon etwas gehört, aber noch nie von einem Bierwastl. Nachdem es im Archiv recht zentral unter der Adresse Innrain 10 angeschrieben war, hätte ich es doch schon mal im Vorbeigehen sehen müssen. Nachdem ich mich zugegeben ein wenig über den Namen amüsierte, packte mich die Neugier.

Dabei entdeckte ich die bereits veröffentlichten (und lesenswerte!) Beiträge unseres Teams zum Bierwastl als Hotspot für verschiedenste Versammlungszwecke, aber auch als Hauptbühne der Sang- und Tanzgesellschaft Egger-Rieser. Dennoch verblieb ich mit meiner Ausgangsfrage: Warum sagt mir der Name nichts? Gibt es denn das Bierwastl überhaupt noch? Um diesen Beitrag nicht allzu dramatisch wirken zu lassen, löse ich die brennende Frage vorab schon auf: Leider kann der Gasthof heute nicht mehr besucht werden, zumindest nicht unter dem ehemaligen Namen „Bierwastl“. Jetzt bleibt nur noch die Frage: Warum?

Um an die zwei Beiträge anzuknüpfen möchte ich beim Jahr 1904 starten. In diesem Jahr wurde es an die Sang- und Tanzgesellschaft Egger-Rieser verpachtet, die das Lokal für ihre Auftritte und Spiele nutzten. Allerdings musste das Pachtverhältnis nach etwas schwierigeren wirtschaftlichen Verhältnissen 1912 Konkurs-bedingt aufgelöst werden. Nach verschiedenen kurzweiligen Betreiber:Innen fand das Bierwastl 1930 einen länger verweilenden Gastwirt: Josef Unterberger. Er soll zuvor das frühere „Fechtlwirt“ in der Schlossgasse – über das hier mehr zu lesen ist – betrieben haben. Nach einem NS-bedingten Konzessionsentzug in den 30er Jahren ging der Besitz des Hauses in die Stadt Innsbruck über.

Front des Bierwastls, Aufnahme vermutlich um 1930. Signatur: Ph-Ne-1

Nachdem die Gewerbeberechtigung der ursprünglichen Eigentümer des Hauses für das Bierwastl in den 40er Jahren erlosch, wurde die Konzession an die Bezirksparteileitung der ÖVP (Innsbruck-Stadt) weitergegeben. Diese verpachteten den Betrieb wiederum weiter, allerdings konnte kein:e länger verweilende:r Wirt:in gefunden werden – das Gewerbe wurde 1964 als ruhend gemeldet. Als Ende der 60er Jahre die Stadt Pläne für die Neugestaltung des Marktplatzes schmiedete, war für den Gastgarten des Bierwastls wohl kein anderes Ende in Sicht als der Abbruch. In der Ausgabe vom 12. August 1967 der Tiroler Tageszeitung lässt sich dazu ein von Hugo Klein verfasster Text zur Erinnerung an die Geschichte des Bierwastls finden. Darin geht er nicht nur weit in die Vergangenheit des Gasthofs zurück, sondern teilt auch verschiedenste Geschichten und Erlebnisse, die in Verbindung mit dem Gasthof stehen, und stößt damit ein Weiterleben des Bierwastls an – durch das Erinnern. In unseren Gewerbeakten taucht der Name Bierwastl ein letztes Mal im Jahr 1968 in einem Antrag zur Löschung der Konzession auf. Damit findet der der Gasthof Bierwastl wohl endgültig seine letzte Ruhe, zumindest auf offiziellem Papier.

Damaliger Gastgarten zur Inn-Seite, Aufnahme vermutlich um 1930. Signatur: Ph-Ne-2

Um wieder zurück zur Gegenwart zu finden: Heute können am Innrain 10 das Cafe City Pub und Räumlichkeiten diverser Büros gefunden werden. Eine Weile war im oberen Teil des Hauses das französische Kulturinstitut ansässig, allerdings wanderte dies in die Herzog-Friedrich-Straße. Der ehemalige Gastgarten ist schon länger nicht mehr zu besuchen. Das Haus selbst steht unter Denkmalschutz und durfte daher nicht abgebrochen oder umgebaut werden, lediglich das Innere stand zur Renovierung frei.

Front des Bierwastls, Aufnahme ohne Datierung. Signatur: Ph-11445. Jede Hilfe zur Datierung des Bildes ist willkommen!

Natürlich würden wir gerne an dieser Stelle auch unsere werte Leser:innen zum Erinnern anregen. In welchem Kontext haben Sie schon mal vom Bierwastl gehört? Kennen auch Sie die eine oder andere Geschichte, die sich im Bierwastl abgespielt haben soll?

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signaturen: Sommer-7-94, Ph-Ne-1, Ph-Ne-2, Ph-11445)

Verfasser: Kevin Albu

Dieser Beitrag hat 15 Kommentare
  1. Man beachte am Titelbild die hervorragende Arbeit bei der Deckengestaltung von den Zimmerleuten.
    So etwas findet man heute nicht mehr.

  2. Zeitmarken müßten die Optik Melzer sein und das „Rauch Haus“, welches den Anschein erweckt, daß die Buchhandlung Felizian Rauch schon aufgelöst wurde und der Abbruch des Hauses bald bevorsteht, auch der Firmenname ist nur mehr andeutungsweise lesbar. Das war gegen Ende der 70er, schätze 77.
    Ein Hinweis dürfte auch das Feuerwehrauto sein. Das Auto mit der Linzer Kurznummer ist ein von 66-75 gebauter SIMCA 1301/1501. Da das Auto noch rostfrei zu sein scheint, ist die Obergrenze des Datums mit 1978 anzusetzen.

  3. ich kann hier nur einige Stunden im City Pub beisteuern, die wir bei G’spritzen dort, statt in der Schule, verbracht haben.

  4. Ein Anhaltspunkt könnte auch die Straßenuhr sein. Weiß jemand, wann diese zeitanzeigenden Werbeflächen aus dem Stadtbild verschwunden sind? Sicher nicht alle an einem Tag, aber evtl. innerhalb eines Jahres. Sie waren hier übrigens schon einmal Thema, da wusste Herr Engelbrecht zu berichten, dass so eine Uhr bis 1977 in der Roseggerstraße stand: https://innsbruck-erinnert.at/rinderwahn/

    1. Danke, Frau Stolz!
      Diese Uhr gab es offensichtlich noch Anfang der 1980er-Jahre, als der Ursulinen-Westtrakt schon abgerissen war:
      https://innsbruck-erinnert.at/das-ursulinenkloster-in-innsbruck-teil-2/

      Im Bierwastl haben sich offensichtlich alle möglichen Vereine getroffen, wohl ähnlich dem „Arlberger Hof“ etc.
      Irgendwo habe ich gelesen, dass es dort auch ein eigenes Kino gegeben hat.
      Bekannt ist, dass hier 1905 der Sportverein Innsbruck gegründet wurde, der älteste Fußballverein Westösterreichs.

  5. Luftbild 76: Rauch steht noch
    Luftbild 77: Rauchhaus abgerissen
    Luftbild 78: neues Ex-Rauchhaus steht

    Zusammen mit dem schon erwähnten Eindruck des Leerstehens des Rauchhauses – auch wenn im Schaufenster neben der Uhrensäule ein einsames Buch stehen geblieben zu sein scheint – bleibt zusammen mit der Schneelage Feber/März 1977 übrig.

    Das Rätsel ist – angenommen ich hab mich nicht verrennt – aber noch nicht ganz gelöst, es geht weiter: Was um Himmelswillen ist eine Nasengarantie?

    Zum Bierwastl selbst hab ich keine Erinnerung, eine Tante eines Mitschülers im Gymnasium (etwa 1965) war beim Bierwastl Kellnerin. Na sooowas, wird man sich jetzt denken. Und das Bierwastl hatte damals schon kein weiß Gott wie tolles Renommee. Online Bewertung **.

    1. Ich glaube, Herr Hirsch, da haben Sie jetzt Ihre Fantasie ganz schön galoppieren lassen mit der Nasengarantie. Bin gespannt, ob das noch bestätigt werden kann. Aber vielleicht wollten Sie ja auch einfach nur die Diskussion am Laufen halten 😉

      Die Tochter des Bierwastl-Wirtes Sebastian Kastner, Anna Kastner, war die Mutter von Josef Friedrich Hummel, dem in der Seilergasse eine Gedenktafel gewidmet wurde und über den es hier einen Beitrag gab: https://innsbruck-erinnert.at/denk-mal-mit-und-ohne-bart/

      Ich kann mich weder an die Straßen- noch an die Gartenseite vom Bierwastl erinnern, dafür aber an das Gasthaus Gruber, ein paar Häuser weiter am Innrain 22. Das hatte auch einen (kleinen) Garten – oder war’s eine Terrasse – zur Markthalle hin und war eigentlich immer recht gut besucht, jedenfalls zu Mittag. Es gab hier vom Innrain einen Durchgang zur Markthalle bzw. umgekehrt.

          1. Boah, ich bin platt, das ist sowas von überzeugend – überzeugender geht’s nicht mehr! Keine Fantasie, sondern tatsächlich Adleraugen und gekonnter Umgang mit Photoshop o. Ä.

            Ja klar, eindeutig sieht man rechts darunter (ganz ohne Fantasiealarm!) 2 Packungen Taschentücher. Also ich. Jetzt.

            ‚Keine Fantasie‘ natürlich nur in diesem Fall, ansonsten haben Sie davon bestimmt jede Menge. Und bevor jetzt ICH mich vergaloppiere und aus dieser Nummer nicht mehr raus komme, sage ich ganz schnell danke für das „Beweisfoto“!

          1. Ich weiß, was oder wen Sie meinen. Auch Preisboxer könnten über eine solche Garantie froh sein.

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