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Christbaum-Spekulanten?

Christbaum-Spekulanten?

Bereits vor 100 Jahren gab es in Innsbruck einen „Christbaummarkt“. Freilich wurde dieser – im Gegensatz zu den Christkindlmärkten unserer Tage – nicht schon im November eröffnet, sondern erst am 18. Dezember. Tags darauf berichteten die Innsbrucker Nachrichteten ausführlich über den Markt:

Seit gestern vormittags hat sich am Innrain der Christbaummarkt etabliert. Von den Ursulinen bis zur Johanneskirche zieht sich ein dichter Wald von Bäumen hin, in jeder Größe und zu jedem Preise von 10.000 Kronen [etwa 6 Euro] aufwärts. Die 10.000 Kronen-Bäume dürften aber nur von sehr bescheidenen Naturen als Christbäume angesehen werden, denn sie ähneln mehr einem windzerzausten Dachfirstbuschen als einem Christ­baum. Anspruchsvollere Gemüter müssen daher schon tie­fer in die Tasche greisen. In der Preislage zwischen 30.000 bis 60.000 K. dürften sie auch schon etwas passendes fin­den. Selbstverständlich gibt es in punkto Preise am Christbaummarkte keine Grenze: es sind auch herrliche, bis zu drei Meter hohe Bäume um 100.000, um 150.000, ja sogar 200.000 K. [rund 116 Euro] schon am ersten Tage verkauft worden. Neben der üblichen Edeltanne werden auch Fichtenbäumchen und Weißtanne[n] angeboten. Die Christbaumkreuze ein­fachster Art – zwei ineinander gekerbte Holzstücke – ko­sten je nach Größe 4000 bis 15.000 K. Der Preis eines mit­telgroßen, etwa zwei Meter hohen Christbaumes mit Holzkreuz kommt daher auf rund 50.000 K. Die weitaus praktischeren eisernen Christbaumständer, die aber am Markt nicht zu haben sind, kosten 30.000 bis 80.000 K; jene mit geheimnisvollen Drehvorrichtungen und kunstvollen Musikwerken kosten natürlich einige hunderttausend Kronen. Sehr teuer werden die Misteln verkauft. Für einen kleinen Buschen werden – allerdings ohne viel Erfolg – 5000 und noch mehr Kronen gefordert. Am Christbaummarkte ist selbstverständlich auch Christ­baumschmuck zu haben und zwar von den billigen Pa­pierketten und Wachskerzen angefangen bis zu den, glitzernden Lamettafäden, dem „Christkindlhaar“ und den altbekannten Wunderkerzen. Um 20.000 K. kann man schon eine stattliche Menge Christbaumschmuck erstehen. Bun­ter und abwechslungsreicher sieht es schon in den Geschäf­ten und bei den Ständen mit eßbarem Christbaum­schmuck aus. Es kosten z. B.: Fondantringe und Figu­ren 32.000, Patenenbäckerei 30.000, solche in Schokolade getunkt 60.000, Schokoladefiguren 42.000 K usw., alles pro Kilogramm. Fertig zusammengestellte Kollektionen gibt es von 35.000 K. angefangen; im einzelnen, findet man auch prachtvolle große Schokoladebehänge, von denen ein Stück 20.000 und noch mehr Kronen kostet, herrliche Be­hälter mit kandidierten Früchten, appetitlich aussehendes, aber sehr teures Marzipanobst und anderes mehr. Schon die Aufzählung dieser Weihnachtssachen erweckt eine Vorahnung von den vielen Herrlichkeiten, die einem das Christkind bringen kann. – Ein Ueberfluß an Christbäumen wird übrigens auch aus Wien gemeldet. Nahezu ans jedem Platz und sogar in Höfen und unter Haustoren haben sich Christbaumhändler mit einem an­ sehnlichen „Warenlager“ etabliert. Aber die Preise, die für die Bäume gefordert wurden, waren anfangs auch für die Wiener viel zu hoch. Daher war auch der Absatz sehr flau. Das Publikum rechnete angesichts der großen Wa­renmenge auf einen Preissturz und dieser hat bereits be­gonnen. Während bisher für das kleinste Fichtenbäumchen 10.000 K. verlangt wurden, konnte man in Wien am letzten Montag schon ganz schöne Bäumchen um 6000 Kronen haben. Bei den größeren Bäumen – für eine Tanne von etwa zwei Meter Höhe zum Beispiel wur­den in Wien 50.000 bis 60.000 K. verlangt – konnte man durch „Handeln“ Preisnachlässe bis zu 50 Prozent erzie­len. Das Rezept ist auch für Innsbruck zu empfehlen; denn es ist nicht einzusehen, warum bei uns, wo die Fichtenwälder bis an die Stadtgemarkung reichen, die Christbäume teurer sein sollen als in Wien.

IN v. 19.12.1923, 3.

Falls Sie jetzt noch keinen Christbaum haben, dann wird es höchste Zeit. Oder spekulieren Sie auch auf ein Schnäppchen in letzter Minute?

PS: Wenn Sie sich jetzt denken, das Foto hatten wir doch schon einmal, dann trügt Sie Ihre Erinnerung nicht. Es war nämlich – fast auf den Tag genau vor einem Jahr – bereits hier zu sehen.

(StAI, Ph-30881 Christbaummarkt vor der Johanneskirche um 1936/37)

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