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#bilderschauen --- #geschichtenlesen --- #gernauchwiederimarchiv
Aus Dem Nähkästchen Berichtet

Aus dem Nähkästchen berichtet

Zum ersten Geburtstag wünscht sich bekanntlich jedes Kind einen Statistik-Baukasten und eine lange Rede des Onkels. Heute wird diese Webseite ein Jahr alt, daher schauen wir ein wenig hinter die Kulissen und erzählen von der Entstehung dieser Idee im Stadtarchiv/Stadtmuseum. Dem Geburtstagskind geht es gut. Manchmal zahnt sie ein bisschen aber sie winkt gern, lacht viel und schläft jetzt immer öfter durch.

Die Vorgeschichte
Das Jahr 2020 hätte aus Sicht des Stadtarchiv/Stadtmuseums ein Serie von Highlights zu einem dunklen Jahr der Stadtgeschichte bringen sollen. Das Programm nannten wir „Innsbruck Erinnert 1945“ und wir organisierten Stadtrundgänge, Ausstellungen, Buchpräsentationen, eine eigene Publikation, Vorträge, Lesungen, Musik und religiöse Feiern… der Folder und das Plakat mit dem vor dem bombenzerstörten Hochhaus Blumen pflückenden Mädchen waren schon gedruckt.
Dann kam der März 2020 und alles war anders. Ungläubig aber ohne Alternative stornierten wir in den darauf folgenden Wochen und Monaten so gut wie alle dieser Events.

Was sind unsere Stärken?
Das Wort Resilienz ist gerade in aller Munde und eine Interpretation dieses Modebegriffs könnte sein, dass man sich in Momenten der Krise auf seine Stärken verlassen sollte. Was es im Stadtarchiv gibt, sind einerseits viele zehntausend (ganz genau weiß niemand die Zahl aber es könnten hunderttausend sein) gut sortierte digitale Bilder und ein gutes halbes Dutzend Menschen, die gern solche Fotos betrachten, kategorisieren und beschreiben. Wobei der letzte Punkt sicher das Um und Auf eines Bilderblogs ist: Es hat schon einige Seiten im Internet gegeben, auf denen Leute mit originellen Sammlungen alte Ansichten gepostet haben. Wenn aber darunter nur zu lesen steht: „Das ist Pradl, ca 1900“ oder „Das ist die alte Hungerburgbahn“, dann wird es relativ schnell langweilig, für einen selbst wie fürs Publikum.

Also ein Bilderblog
Ohne ganz genau zu wissen, wie das organisatorisch gehen sollte (wir waren wie Sie auch zu Hause eingesperrt; später gabs einen Persilschein des Bürgermeister dass man systemrelevant sei) beschlossen wir also, um das Stadtarchiv/Stadtmuseum im Gespräch halten zu können, einen Bilderblog zu starten. Technisch kann man so etwas mit ein wenig vorhandener Infrastruktur und Open Source Software schnell aufsetzen. Die Domain „innsbruck-erinnert.at“ hatten wir schon für das andere programm reserviert und mit den hashtags #dahoambleiben #bilderschauen #geschichtenlesen bereiteten wir ein paar Beiträge für den Launch vor.
Der beste Promotor war natürlich genau der Lockdown. Ein Rundgang per alten Bildern hatte noch nie so eine schöne Zweitfunktion wie vor einem Jahr, als viele im Studierzimmer eingesperrt nur davon träumen konnten, jemals wieder nach Kranebitten oder Mühlau zu kommen.

Change of Subject, folks
Die Stimmung war seltsam, oder? Man saß vier oder mehr Stunden am Tag vor der Zeit im Bild, schaute Live-Regierungspressekonferenzen und telefonierte den Rest des Tages Familie, Freund*innen und Bekannte durch. Klopapier, Germ und Whisky gingen im Supermarkt aus. Irgendwie passte es uns nicht recht, da jetzt noch über in die Häuser krachende Bomben, verfolgte Regimegegner, erschossene Deserteure, drangsalierte Zwangsarbeiter und ermordete jüdische Familien zu berichten. Also wechselten wir auf leichtere Themen. Vielleicht ist es Ihnen gar nicht aufgefallen, aber die ersten Einträge mit den wichtigen, aber eben unerfreulichen Kapiteln des Jahres 1945 standen erst nach Monaten erstmals auf unserem Blog; wir verstanden uns auch ein wenig als Gute-Laune-Projekt in der ersten Zeit.

Immer unplanbar: Will das wer lesen?
Hier kommen wir nun zu den versprochen Zahlen. Übrigens kommen die nicht von Google Analytics, wir schicken diese Informationen nicht nach Amerika und setzen Ihren Browsern auch keine Cookies. Der Schlüssel, um mit einer noch unbekannten Website in die Wahrnehmung des Zielpublikums zu kommen, waren durchwegs Medienberichte.
Hier fünf Beispiele:

Wir wurden also von allen lokalen Medien freundlich beworben, die Berichte haben auch nichts gekostet weil die Journalist*innen ja im Tauschweg eine gute Geschichte mit schönen Bildern bekamen.

Heute besuchen mehrere hundert Leute täglich und mehrere tausend Personen wöchentlich unseren Blog und lesen dabei auch immer gleich alles, was so neues an Seiten dazugestellt wurde. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer (aller Besucher*innen) ist 10 Minuten. Diese Zahl ist extrem erfreulich und wird im Netz fast nie erreicht; über ein Viertel der Besuche dauert fünf bis 30 Minuten. Die Seitenaufrufe pro Monat gehen bis zu astronomischen 300.000 (das war der ORF Beitrag), der Schnitt wächst seit 12 Monaten kontinuierlich. Dabei muss man sich auch im Klaren sein, dass die Zielgruppe für Fragen nach einer Wiltener Baulücke 1960 oder dem Shell-Tankwart in der Meinhardstraße 1950 natürlich begrenzt bleibt. Schon in Telfs oder Schwaz fehlt zur Beantwortung gelegentlich die notwendige urbane Expertise aus eigener Anschauung.
Die Besuchszahlen haben in Zeiten des Homeoffice und Lockdowns auch keine besondere Wochentags-Präferenz. Das wird schon auch daran liegen, dass wir seit Beginn eisern auch an den Wochenenden neue Sachen einstellen. Bei Wind und Wetter. In den Räumen unseres Stadtmuseums im Erdgeschoß der Badgasse gibt es dazu eine einfache Regel: Je grausiger das Wetter, umso mehr Besucher*innen. Auch das trifft bei unserer Webseite nicht zu.

Wie schön muss ein Bild sein?
Das Angenehme bei digitalen Projekten ist, dass man dazulernen kann. Eine der frühen (harmlosen) Fehleinschätzungen auf unserer Seite war, dass ein Bild besonders hochauflösend, scharf und gut belichtet sein muss, um interessant zu sein. Mitnichten. Ein an einem regnerischen Novembertag geschossenes verwackeltes Kleinbildfoto kann hier viel populärer werden als ein Profibild einer Szene ohne dazugehörige Story.
Auch fürs hauseigene Stadtmarketing sind Autopannen von 1920, Wirtshausschlägereien von 1930 oder Bilder den Kanalbaus 1905 nicht so spannend. An diese Ereignisse kann sich zwar von uns auch keiner mehr erinnern, aber wenn man die Gegend kennt oder sich einfach gern eine gute alte Geschichte erzählen lässt wird es doch interessant. Innsbruck-erinnert.at ist eine Seite für jüngere, mittlere und ältere Innsbrucker*innen geworden, die hier oder anderswo wachen Auges leben und die Transformation einer Stadt oft mit erstaunlichem Gedächtnis und präziser Ortskenntnis, manchmal nostalgisch, meistens aber nüchtern und bisweilen auch mit trockenem Innsbrucker Humor kommentieren.

Genauso unplanbar: Kommt was zurück?
Interaktion mit der Leser*innenschaft ist ein Wunsch, den jedes Internet-Projekt zu Beginn formuliert. Aber ob es wirklich „passiert“, das hat man nicht im Griff. Bei uns wird kommentiert, zurückkommentiert, hin- und hergeschrieben, ziemlich genau so wie es sein sollte.
Dem Autor dieser Zeilen ist es dabei besonders wichtig, dass der Ton in den Kommentaren locker und höflich bleibt. Das ist uns bisher gut gelungen, vielleicht auch weil wir uns hier des etwas altmodischen Siezens befleißigen. So haben wir zu unseren knapp 1500 (!) Beiträgen schon über 3000 (!!) Rückmeldungen auf den Seiten selbst bekommen. Darüber hinaus natürlich vieles per mail und wen immer man länger nicht getroffen hat, sagt einem als erstes, dass er natürlich dauernd reinschaue und sich mit uns über dieses Projekt freue. Wir haben es schon öfter bemerkt, aber es stimmt: Diese Rückmeldungen sind nicht nur eine Bereicherung unseres tristen Bloggerdaseins; wir lernen daraus, so wie wir auch alle mehr über Innsbruck gelernt haben als man sich das in einem Jahr mit Ausgangsbeschränkungen erhoffen hätte dürfen.
Wir konnten mit dem Bilderblog nicht zuletzt auch das Profil unserer Institution schärfen. Fast jede Woche fragt uns jemand, ob uns ein Innsbrucker Fotobestand aus der Familie interessieren könnte. Ja, könnte er, antworten wir dann.

Wenn Sie bis hierher gelesen haben, sind Sie ein echter Fan der Seite. Wir haben heute Abend um 18 Uhr eine kurze Geburtstags-Party im Zoom angesetzt. Wer Lust hat, vorbeizukommen, ist herzlich willkommen. Wir würden ja, das geben wir gerne zu, gerade unsere Vielposter gerne auch einmal zu Gesichte bekommen. Also vielleicht bis später!

Das Stadtarchiv/Stadtmuseum lädt Sie zu einem geplanten Zoom-Meeting ein.
Thema: Geburtstagsfeier; jeder muss sich selber einen Sekt aufmachen.
Uhrzeit: 25.März 2021 18:00h Innsbruck
Zoom-Meeting beitreten
https://us04web.zoom.us/j/72726025258?pwd=bUNpOFJtVjdwQmlqcU13eHQ0ZnI1QT09
Meeting-ID: 727 2602 5258
Kenncode: QB0ueL

Dieser Beitrag hat 18 Kommentare
  1. HAPPY BIRTHDAY …
    … die Zoomerei ist sich leider nicht ausgegangen. Wäre auch meine erste gewesen.
    … vielleicht auch besser so 😉

  2. Liebes Team vom Stadtarchiv,
    ein guter Tag beginnt für mich immer, indem ich bereits beim Frühstück Innsbruck-erinnert schaue.
    Ihr habt immer interessante Beiträge das ganze Jahr über gebracht. Dafür herzlichen Dank und in der
    Hoffnung, dass ihr noch lange weitermacht.
    Hermann Pritzi

  3. Vielen herzlichen Dank für diese informative Seite, deren Fotos mit Geschichte(n) so viele faszinierende Einblicke in die Vergangenheit ermöglichen!

    Wer es noch nicht getan hat, sollte sich unbedingt noch folgenden Radio-Podcast anhören: „Innsbruck erinnert sich – Bilderblog lädt zur Entdeckungsreise ein“
    https://cba.fro.at/493118

  4. Gratulation zu einem Jahr Innsbruck-erinnert! Danke an das Team und auch an die regelmäßigen Poster, deren Geschichten sehr oft auch meinen Erinnerungen auf die Sprünge helfen. Vielen Dank!

  5. Schon allein das aktuelle Bild, welches das längst verschwundene, früher einmal stadtbekannte Tapetengeschäft Fink wieder aus der Vergessenheit auftauchen läßt, ist ein Beispiel für die Notwendigkeit von Lob und Dank für diesen Online Blick ins Stadtarchiv.

    Natürlich kann man selbst ins Stadtarchiv gehen und zum Schrecken der dortigen Berufshistoriker-Innen „forschen“ wollen, aber zu vielen Themen wären mir nicht einmal Fragen eingefallen, oder nicht einmal die „Überschrift“.

    Vielleicht kommentiere ich manchmal zu viel, aber es macht Spaß, sich plötzlich wieder zu erinnern und diese Erinnerungen teilen zu können. Und vom erstaunlich umfangreichen Wissen der Mitkommentatoren zu lernen. Danke!

    1. Beim Stadtarchiv selbst habe ich mich schon auf der Seite http://innsbruck-erinnert.at/herzlichen-glueckwunsch-zum-geburtstage/ bedankt, bei Ihnen bedanke ich mich hier für Ihre immer sehr interessanten Beiträge! Und nein: Sie kommentieren nicht zu viel – sonst bin ich mit Ihren Aussagen ganz bei Ihnen!

      Vielleicht wäre es aber besser gewesen, wenn alles, was mit dem Geburtstag zu tun hat, auf die andere Seite gekommen wäre, also auf die mit der Geburtstagskarte, dann wäre diese Seite frei geblieben für eine Rätselfrage! Denn das ist sie, zumindest für mich, wirklich! Ich zum Beispiel kann mich an den Namen Tapeten Fink wohl erinnern, weiß aber nicht, wo ich diese Firma hintun soll! Auch zeitlich ist mir das Bild noch ein Rätsel! Ich warte auf Sie, Herr Hirsch!

      1. Die zeitliche Zuordnung fällt auch mir schwer. Es sind viel mehr Motorräder als Autos zu sehen, und die Autos waren zum Teil damals schon Oldtimer, zumindest das Kabrio. Die abgebildeten Häuser trugen auch keinen Bombenschaden, an dessen Instandsetzung man sich orientieren könnte, davon. Eine sichere Zeitmarke, das 1950 eingerichtete KLM Büro ist viel weiter rechts.
        Immerhin gab es bereits einen in Stadtführungen organisierten Fremdenverkehr mit gesalzenen Preisen. Die 10 Schilling, welche die Stadtführung gekostet hat, sind laut online Rechnern von 1947-1952 nach heutigem Wert 20,78 € – 11,66 – 9,53 – 8,31 -6,52 – 5,74 € und danach stabil um die 5,50 wert gewesen. Auch wenn damalige Touristen keine Billigheimer waren, sparen muß man bekanntlich von den Reichen lernen. Und da geht das Datum eher gegen 1950. Skurrile Schlußweise, aber die 10 Schilling sind der einzige Hinweis, wenn man vm Fehlen englischsprachiger Anpreisungen absieht, erste englische Charterflüge als Anhaltspunkt gabs ab 1949.

        1. Entschuldige Herr Hirsch – habe das übersehen! Es haben sich ja beide Einträge auch fast gekreuzt und es geht ja alles so langsam!! Vielleicht wird’s im Laufe des zweiten Jahres besser!!

  6. Tapeten Fink war direkt am Bahnhofplatz, das Haus ist natürlich längst der modernen Hauruck!-Häuserfront gewichen. Das Geschäft muß sich etwa da befunden haben, wo jetzt die Bawag oder das Tor daneben ist.

    1. Danke Herr Hirsch! Ich habe schon herumgedacht, wo diese Stadtführungsankündigung stehen hätte können – ja, hier passt sie sicher. Auch zum Karren eines Gepäcksträgers links.
      Aber aus welcher Zeit – vielleicht anhand der Autos??

  7. Respekt Herr Hirsch und Herr Auer, Sie sind sehr nahe dran, mit Ihrer zeitlichen Einordnung. Die Aufnahme stammt aus der Slg. Gottfried Newesely und ist mit 1954 datiert.

  8. Die Werbetafel wechselte in die Maria Theresienstraße vor das Landhaus wo später dann auch die Abfahrt des Kleinbusses zum Alpenzoo ausgeschildert war. Eine zweite gabs dann am Rennweg in Verbindung mit dem lustigen fähnchengeschmückten Rundfahrtbus. Das verschiebt aber nur das Problem der Zeitfindung auf ein neues Terrain.
    Ich gebe mich derweil mit dem aus den Grenzen „Neue Bankfassade 1950“ und „noch spärlicher altertümlicher Autoverkehr“ mit dem Intervall 1950-1952 zufrieden. Später hätten wir einen VW oder mehr Autos auf dem Bild.
    Die Tageszeit, früher Nachmittag, läßt sich am Schatten und dem etwas enttäuschten Gesicht der Dame im Vordergrund ob der Uhrzeit der nächsten Führung schon besser erraten.
    Letzter Strohhalm: Aus welcher Zeit stammt das diagonal verlegte Pflaster zu Füssen der Enttäuschten? Ab wann gab es die am rechten Rand erkennbare Verkehrsinsel?

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