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Ein Vergessenes Relikt

Ein vergessenes Relikt

Im heutigen Bild sehen Sie den Rest einer für den Westen Innsbrucks lange prägenden Einrichtung, bevor diese endgültig beseitigt wurde. Gemeint ist nicht das Foto dominierende Gebäude, die Infanterie-Kadettenschule am Innrain (heute Landespolizeidirektion), sondern der im Vordergrund durch einen Zaun bewehrte Graben, in dem der sogenannte Triftkanal verlief. Dieser Holztriftkanal zweigte in der Höhe der heutigen Rechengasse vom Inn ab, floss dann den Innrain entlang, bei der Johanneskirche machte er schließlich einen leichten Knick in Richtung Inn, um sich etwa bei der Fleischbank wieder mit diesem zu vereinigen. Der Kanal wurde kurz vor 1900 zugeschüttet, das zeigen Stadtpläne aus der Zeit und ein Plan zur Erweiterung der Kadettenschule aus dem September 1896.

Stadtarchiv/Stadtmuseum Pl-369-1

Dort ist der Kanal als zugeschüttet eingezeichnet, wobei nicht ganz klar ist, ob das ein Desiderat oder ein Zustand ist. Ich gehe aber von ersterem aus. Vielleicht kann eine:r der Leser:innen den Zeitpunkt genauer eingrenzen. Damit ging eine jahrehunderte alte Einrichtung zu Ende. Im Titelbild sieht man im Übrigen auch einen von mehreren Stegen, die den Kanal überquerten.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Ph-5318)

Hier eine Ergänzung zum Kommentar von M. Schneiderbauer. L.M.

Erscheint in den nächsten Wochen…

Der hier besprochene Kanal ist aber leider nicht Gegenstand des Buches

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  1. Um den „Innkanal“ ging es hier ja schon einige Male, aber das ist für mich das bisher erste und einzige Foto seines Kanalbettes, das ich bisher sehen durfte. Das finde ich deshalb natürlich sehr, sehr interessant!
    Ich kann solche Dinge nicht nur pragmatisch-technisch sehen. Ich stelle mir bei sowas sehr gern vor, wie es wohl gewesen sein mag, in einem heißen Sommer vor 130 Jahren am Innrain zu stehen, in der noch kleinen, durch die Industrialisierung aber gerade aufblühenden und dank Universität und Bahnhöfen mit der Welt verbundenen Stadt, im Schatten großer Bäume an diesem Kanal, sommerlich trockengelaufen, kurz vor Beginn der Abenddämmerung im Wissen, dass bald die Gaslaternen entzündet werden, aber auch in der Ahnung, dass sie wohl bald durch elektrische Lempen ersetzt würden. Ein Stück weiter im Osten rumpelt fauchend die Dampfstraßenbahn über den Markt, und das neue Jahrhundert mit noch mehr Eisenbahnen, Zeppelinen, dampf- und strombetriebenen technischen Wunderwerken aller Art naht in Windeseile, die Pariser Weltausstellung hat gerade einen Vorgeschmack gegeben auf das, was kommen wird. Ein Steampunktraum. 😀

    Zur Frage, wie lange der Kanal bestand: in der Diskussion zu einem dieser anderen Beiträge hatte Herr Roilo einen Artikel in den „IN“ von 1895 erwähnt, in dem von der bevorstehenden Zuschüttung des Kanals gesprochen wurde. Demnach könnte es 1895 oder kurz danach geschehen sein.
    Ebenfalls in einer solchen Diskussion stellte ich einige Fragen, unter anderem die, wie dieses Gerinne wasserbautechnisch wohl funktionierte, da der Inn ja doch einige Meter unter dem (heutigen) Niveau der Innenstadt liegt, und stellte die Vermutung auf, dass der Kanal tief und breit gewesen sein müsste und (gemauerte) Kunstbauten wie Einfassungen, Stützmauern und Brücken noch als unterirdische Relikte vorhanden sein könnten.

    Sehr breit scheint der Kanal nicht gewesen zu sein. Mein vermutlicher Denkfehler als jemand, der von Holztriften keine Ahnung hat, war, dass ich davon ausging, dass das Holz durch den Kanal in die Innenstadt hereintransportiert wurde. Aber der Kanal war wohl nur dazu da, einen Sog zu erzeugen, mit dessen Hilfe im Bereich seines Einlaufs das Holz gesammelt werden konnte. Oder irre ich mich da?
    Das würde jedenfalls erklären, dass der Kanal so schmal war; die Tiefe ist hier ja nicht erkennbar. Nur: warum wäre er dann so lang gewesen? Immerhin rund ein Kilometer dürfte das schon sein (pure Grobschätzung). Man hätte das Wasser dann ja auch schon viel früher wieder in den Inn zurückleiten können. Hat der Kanal vielleicht noch andere Zwecke erfüllt? Immerhin wurde er in der Frühzeit der Industrialisierung gebaut, wo die direkte Nutzung der Wasserkraft das Nonplusultra war. Wilde Spekulation: nahm er vielleicht auch Schmutzwasser aus Ritschen auf, die von Wilten her zuflossen? Ist die wasserbautechnische bzw. sanitäre Infrastruktur der Stadt mit ihrem schwerkraftorientiert von Süd nach Nord ausgerichteten System von Gerinnen in der Zeit vor dem Bau der Kanalisation eigentlich dokumentiert und wenn ja, gibt es dazu Publikationen des Stadtarchivs?

    1. Pssst… Noch ein kleines Geheimnis, aber in den nächsten Wochen erscheint dazu seit langem wieder einmal ein Buch. Siehe den aktualisierten Beitrag.
      Beste Grüße,
      Lukas

  2. Sie haben recht, Herr Schneiderbauer, der eigentliche Arbeitsplatz war weiter Flußaufwärts. der Kanal diente in erster Linie als Erzeuger einer Sogwirkung durch die die Stämme vom Inn in Ufernähe und in den Rechen gezogen wurden. Die Länge des Kanals ergab sich aus der zu erzeugenden Fließgeschwindigkeit, die wiederum dem Gefälle zwischen Eingang und Austritt entsprach. Da die Austrittstelle mit den Baulichkeiten der Stadt eine natürliche Grenze erfuhr, plante man den Triftkanal wohl von unten nach oben.

    Manchmal wird schon einmal der eine oder andere Stamm in den Kanal entwichen sein. Ich kann mir vorstellen, daß man ihn dann eher am Ende „abpaßte“, der sichtbare Zaun wäre ein Hindernis gewesen.

    Auch ich habe noch nie eine Abbildung dieses Kanals gesehen.

  3. Interessanterweise war z. B. in Hall, wo vom 13.Jahrhundert bis zur Eisenbahn 1858 eine in einer weit größeren Rechenanlage das Holz für die Sudpfannen angelandet wurde, kein derartiger Triftkanal nötig. Da traf man in Innsbruck wohl auf eine strömungstechnisch ungünstige Stelle. Ich denke aber, dass man den Triftkanal nur dann aktivierte, wenn der Inn das Holz zu sehr an die Rechen presste um durch die Umleitung den Druck zu reduzieren. Vielleicht passierte das auch schwallartig um den Effekt zu verstärken, dazu wäre ein Schieber am Ende des Kanals nötig gewesen. Eine Sogwirkung war wohl auch nützich, schließlich war der Prügelplatz ein Stück ‚landeinwärts‘.

  4. Dass der Holzrechen über den Inn, wie man ihn auf den historischen Karten bewundern kann, Hochwässer überstanden hat muss einem schon wundern. Überhaupt wenn man die letzten Bilder im Kopf hat, wie mächtig in solchen Ereignissen der Fluss auf die wesentlich stärkeren Brückenpfeiler klatscht. Das war früher auch nicht viel anders, trotzdem im Oberlauf noch viele Retensionsflächen vorhanden waren.
    Gut vorstellbar wie sich Schwemmgut am Rechen verfing und verklauste. Wie man das wohl löste? Auf historischen Karten kann man weitere Flussarme erkennen, die bei Hochwasser den südlichen Hauptarm entlasteten. Ob das reichte? Vielleicht war der Rechen im Inn auch grade ausreichend hoch, sodass bei mäßigem Hochwasser begehrtes Schmemmholz daran hängen blieb und mithilfe des Triftkanals geerntet werden konnte. Andererseits aber auch nieder genug um bei größeren Hochwässern das Schwemmgut darüber hinweg ziehen zu lassen um den Rechen nicht zu gefährden.
    Extra geschlagenes Holz wird eher bei niederem Innpegel eingebracht worden sein, das dann leichter – manchmal auch ganz ohne Zuhilfenahme des dann ohnehin trockenen Triftkanals – angelandet werden konnte.
    Das würde auch erklären, warum der Triftkanal auch gar nicht so tief wie der heutige Inn gewesen sein muss, wie auch bereits Herr Schneiderbauer vermutet.

  5. Eigentlich ein faszinierendes Prinzip, so simpel wie clever. Mit jedem Beitrag über dieses Bauwerk und mit jedem der abgegebenen Kommentare verstehe ich seine Funktion besser. Anfänglich noch der Meinung, das Holz würde in den Kanal hineingeleitet und an den dort befindlicher Rechen – die sich später als Stege über den Kanal entpuppt hatten 🙁 herausgefischt, hat sich mein technisches Verständnis inzwischen zumindest ein klein wenig verbessert. Spätestens jetzt nach Betrachten dieses schmalen Kanalbettes hätte ich aber bemerkt, dass meine ursprüngliche Annahme nicht stimmen konnte. Der Nebel lichtet sich, wenn auch nur schrittweise.

    Ich habe bisher nicht darüber nachgedacht, woher die Rechengasse ihren Namen hat. Jetzt ist es klar, meine Vermutung wurde nach einem Blick auf das erläuternde Straßenschild bestätigt. Für mich stand bislang der Begriff Rechen im Zusammenhang mit Gewässern für eine Art Sperre/Hindernis/Auffangvorrichtung. Hier hatte er offensichtlich eine etwas andere Funktion. Das Holz wurde nicht aufgefangen, sondern strömungsbedingt umgeleitet. Durch die Kombination „Rechen vom linken Ufer weggehend – Kanal vom rechten abfließend“ blieb den Baumstämmen nichts anderes übrig, als am rechten Ufer auf dem Holzlagerplatz zu landen. So stelle ich es mir jetzt zumindest vor.

    Sollte es jemals einen Vortrag, eine Publikation o. Ä. über dieses Bauwerk geben, würde ich mich freuen davon zu erfahren.

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