Sonnenrad oder Hakenkreuz
Das Titelbild zeigt eine typische Katalogisierungshandlung im Tiroler Volkskunstmuseum. Zwei Objekte werden aufgenommen, beschriftet, mit Anhängern versehen und schonend verpackt. Die verfügbaren Informationen und ein Bild der Neuerwerbungen kommen in die Datenbank.
Als wir für unsere Ausstellung „Hitler entsorgen“ bei befreundeten Institutionen anfragten, was bei ihnen denn so an NS-Devotionalien eingegangen sei, zeigten uns die Kollegen vom Volkskunstmuseum diese Keksausstecher in Hakenkreuzform. Die berühmten fünf Fragen zu diesem Objekt haben wir in der Schau dann so beantwortet:
Was ist dieses Objekt?
Backformen waren billige Massenware aus Weißblech. Dieser Keksausstecher in Hakenkreuzform stammt aus den Beständen des Tiroler Volkskunstmuseums. Er wurde dort in einem kleinen Konvolut gemeinsam mit anderen, auch völlig unverdächtigen Blechformen abgegeben. Über ihre Verwendungsgeschichte ist nichts bekannt. Die Ausstecher wurden fachgerecht verpackt, inventarisiert und verstaut.
Wofür steht dieses Objekt?
Für die Nationalsozialisten war es stets wichtig, den privaten Raum für ihre Ideologie zu erobern. Das Backen von Keksen ist in vielen Familien eine schöne Tradition, die – natürlich in der Regel von Frauen – über Generationen gepflegt und weitergegeben wird. Hier mit dem alles überstrahlenden Logo des Nationalsozialismus einzubrechen, ist keine „Spielerei“, sondern sorgt dafür, dass sogar am Küchentisch die rassistische und faschistische Weltanschauung buchstäblich ausgewalzt und ausgestochen wird.
Wer verwendete dieses Objekt auf welche Art und Weise?
Wahrscheinlich war es gar keine besonders gute Idee, Hakenkreuz-Keksformen zu verkaufen. Jeder Mensch, der einmal selbst Kekse gebacken hat, kennt die Tücken von zu eckig und feingliedrig angelegten Ausstechern. Außerdem hat der Umgang mit Backwaren auf einem Tisch wenig mit Ehrfurcht und Respekt vor einem im Nationalsozialismus wichtigen Symbol zu tun; Christ*innen backen in unseren Breiten auch keine Kekse in Kruzifix-Form.
Was wird über dieses Objekt erzählt?
Leider gibt es zu diesen Backformen keine konkrete Erzählung der Menschen, die sie benützt haben. Sie zeigen gewisse Gebrauchsspuren, also waren sie wohl zumindest einmal im Einsatz. Es gibt keine Fotos aus der NS-Zeit im Stadtarchiv/ Stadtmuseum Innsbruck, auf denen Hakenkreuzkekse zu sehen sind. Auch auf Bildern von Tiroler Weihnachtsbäumen fehlen sie.
Wie kann dieses Objekt im Museum oder Archiv verwendet werden?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Keksausstecher im Museums- kontext (außerhalb einer Ausstellung wie jener, die Sie gerade besuchen) gezeigt werden, ist relativ gering. Es ist nicht möglich, sie einfach unter andere Backformen zu mischen, ohne ausgiebig darüber zu sprechen.
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Noch eine passende Anekdote aus der Schweiz dazu: Der Lebensmittel-Riese Migros verkaufte 2018 als Brot des Monats „Sonnenräder“, die optisch stark an Hakenkreuze erinnerten. Nach einer medialen Schelte wurde eine neue, verbesserte Form angeboten.
Laut einem Bericht über das Stadtmuseum Hartberg wurden zu Weihnachten 1938 von Manchen die Christbäume mit solchen Keksen geschmückt:
https://lesefreude.at/buntes-sammelsurium-im-stadtmuseum-hartberg/
HiHi. Das fehlt beim Bockerer. Darf man ein Hakenkreuz zerbeissen? Und kraft der unvermeidlichen Chemie der Verdauung ihm zu seiner wahren Gestalt verhelfen?
Aber das Sonnenradlbrot ist jetzt wirklich kein Ziel für bremsenlose Eiferer. In Tirol gibts z.B. im Dezember das Thomasradl als Backform. Und das ist einfach das Thomasradl ist das Thomasradl ist das Thomasradl. Gell?