Panini-Album anno 1899
Seit einiger Zeit sieht man in Vorbereitung auf die anstehende Fußballweltmeisterschaft im Wüstenstaat Katar in Trafiken und Supermärkten wieder die notorischen Panini-Sammelalben und die entsprechenden Bilder. Kinder und wohl noch mehr (kapitalkräftigere) Erwachsene werden in den nächsten Wochen unzählige Päckchen der Sammelbilder kaufen und sich freuen, wenn ein fehlendes Bild dabei ist oder sich fragen, warum man genau einen Spieler immer und immerwieder kriegt. Auf Schulhöfen und im Internet wird um Bilder gefeilscht werden und am Ende werden doch immer einige Bilder zur Vollständigkeit des Albums fehlen.
Das Phänomen Sammelalben tritt heute zwar meist periodisch, im Abstand von Fussballgroßereignissen auf, ist aber keineswegs neu. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts haben einige findige Kaufleute und (Lebensmittel-)Produzenten versucht, den Verkauf ihrer Produkte dadurch zu fördern, dass Sie dem Produkt Sammelbilder beigegeben haben. Bekannt sind die Sammelalben der Firma Stollwerk, besonders aber jene von Liebigs Fleischextrakt. Die Bilderserien von letzteren zeigten meist geografische und geschichtliche Themen und bieten uns heute – auch mit den teils exotischen Motiven – einen Einblick in den Zeitgeist um die Jahrhundertwende. Um diese Bilder und Sammelalben entspann sich ab dem späten 19. Jahrhundert ein richtiger Hype mit Tauschbörsen, galoppierenden Preisen für seltene Bilder und Fälschungen. Auch in unserer Sammlung haben wir zahlreiche solcher Liebigbilder (ein Beispiel etwas hier).
Eine etwas andere Form von Sammelkarten gab es um die Jahrhundertwende auch in Tirol und hier kommt unser heutiges Titelbild ins Spiel. Im Mai 1899 erschien erstmals die Zeitschrift „Der Scherer – erstes illustriertes Tiroler Witzblatt“. In seiner antiklerikalen, deutschvölkischen und antisemitischen Ausrichtung ist es ein Zeitdokument, das die aufgeheizte politische Stimmung der Zeit gut illustriert. Darum soll es hier aber nicht gehen, sondern darum, dass auch der „Scherer“ auf Sammelkarten als verkaufsfördernde Maßnahme und Einnahmequelle setzte. Beim Scherer wählte man dabei anfangs einen der großen Helden des Blattes: den Dichter und Geologen Adolf Pichler. Ab 1899 erschien eine erste Bildserie, die Szenen aus Pichlers Leben illustrierte, den Dichter in unterschiedlichen Lebensabschnitten zeigte und in der Regel mit einem Zitat aus dem Werk Pichlers ergänzt wurde. So sieht man Pichlers Geburtshaus in Erl, Pichler als jungen Mann oder als Greis.
Die Schererkarte im Titel zeigt einen zentralen Moment in Pichlers Biografie in idealisierter Weise. Pichler studierte im Revolutionsjahr 1848 in Wien. Als er und andere Tiroler Studenten von den Aufständen an den Südgrenzen Tirols erfuhren, formierte sich in Wien so wie an der Universität Innsbruck eine akademische Legion, die zusammen mit Schützenkompanien die Truppen Radetzkys unterstützen und die ‚deutsche Grenze‘ im Trentino verteidigen sollte. Im Bild ist der Aufbruch dieser Freiwilligen vom alten Wiener Südbahnhof nach einem Gemälde von Alois Schönn (Original siehe hier – Schönn hatte übrigens selbst am Feldzug teilgenommen) zu sehen. Pichler ist dabei als Kommandant der Freiwilligen auf dem Podest zu sehen, gemeinsam mit dem greisen Joachim Haspinger, der die Truppen segnete und begleitete, sodass der Kampf gegen die italienischen Aufständischen von 1848 in eine Reihe mit dem Kampf gegen Napoleon und Bayern im Jahr 1809 gerückt wird.
Im Stadtarchiv haben wir eine komplette Serie der Pichlerkarten – und übrigens auch einige vollständige Panini-Alben. Wie sieht es bei Ihnen aus, sind auch Sie einmal einer solchen Sammelleidenschaft erlegen?