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Der Alpinist Otto Melzer

Der Alpinist Otto Melzer

Laut einem Bericht in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Oktober 1901 waren am vorangegangenen Wochenende auf Sonntag den 6. Oktober 1901 die beiden Alpinisten Otto Melzer und Emil Spöttl im Karwendelgebirge zu einer Erstbesteigung aufgebrochen. Das Blatt berichtete ausführlich: „Samstag abends gegen 6 Uhr brachen dieselben hier auf, um eine Tour in das Karwendelgebirge und dort eine Erstbesteigung zu unternehmen. Sie übernachteten im Halleranger-Haus. Am Sonntag morgens um 4 Uhr verließen sie dasselbe, um in der südlich vom Hinterauthal in der Richtung gegen Scharnitz sich hinziehenden Kette die Jägerkarspitze (2608 m) oder die Praxmarerkaarspitze (2641 m) — man weiß das nicht genau — zu besteigen. Sie wollten dann über die Pfeisalpe, wohin sie sich gute Bergschuhe bringen ließen, und dann über die Arzlerscharte wieder hieher zurückkehren.“ Da sie bis Montag nicht zurückkehrten, wurden die beiden Bergsteiger als vermisst gemeldet und verschiedene Suchtrupps ausgeschickt. Anhand einiger Indizien – u. a. zwei Seile, die bisher in der Jägerkarspitze zurückgelassen wurden und jetzt fehlten, sowie wiederholten Hilferufen aus Richtung der Jägerkarspitze – wurde zum Zeitpunkt des Erscheinens des Artikels angenommen, dass die beiden Männer auf dem Weg zur Jägerkarspitze verunglückt waren.

Aufgrund eines Wintereinbruchs in der Nacht auf Sonntag – so der Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. Oktober 1901 – wären die steilen Wände von einer Eisschicht überzogen und so für die Bergungsmannschaften nicht mehr zu begehen. Auch für die beiden Bergsteiger dürfte der einsetzende Schneefall zum Verhängnis geworden sein. Es wurde berichtet: „Das Unwetter von Sonntag Nacht muss in den höheren Lagen furchtbar eingesetzt sein, der Schnee geht im Hinterauthal bis zur Thalsohle.“ Weiter wurde angenommen, dass die Bergsteiger nicht mehr aus einer Klamm herauskamen: „Ein Einsteigen in die Felsen der furchtbar steilen Nordwände ist jetzt ganz ausgeschlossen; die schon im Sommer bei guten Verhältnissen äußerst schwierigen Platten sind jetzt mit einer dünnen Eisschichte überzogen, das Klettern dadurch unmöglich. Oberhalb der sehr schwierigen circa 200 Meter hohen Einstiegsstufe der Jägerkarspitz-Nordwand liegt ein kleines Kar, aus welchem die Vermissten wahrscheinlich nicht mehr herausgekommen sind.“

Nach einem detaillierten Bericht über die Bergungsversuche schließt der Artikel in den Innsbrucker Nachrichten: „Die Aussicht auf Rettung der Vermissten ist leider ausgeschlossen. Herr Otto Melzer, 32 Jahre alt, bei der Landschaft angestellt und Schriftführer der hiesigen Touristenclubsection, Herr Emil Spötl, der Sohn des hiesigen Schweinemetzgers Ignaz Spötl, 19 Jahre alt und Bauzeichner. Beide sind als kühne Hochtouristen hier bekannt.“ Die Tiroler Landzeitung ergänzt am 12. Oktober 1901: „Beide galten als sehr geübte und kräftige Bergsteiger, sind aber trotzdem Opfer einer gewagten Sonntagsparthie geworden; sie wollten eine bisher nicht erklommene Spitze als Erste erklettern.“ Noch einmal wird die vergebliche Rettung der Bergsteiger und die vorerst erfolglose Bergung der Leichen nachgezeichnet. Am Ende des Artikels wurde berichtet: „Von den verunglückten Touristen wurde Herr Spöttl am Fuße der Praxmarer-Nordwand gefunden, und wird die Leiche des Verunglückten heute nachts noch nach Innsbruck gebracht werden. Von Melzer fand man keine Spur, da ein Einstieg in die Nordwand unmöglich ist.“

Der Fall Otto Melzer beschäftigte jedoch über dieses Ereignis hinaus die Tiroler Zeitungen, so wurde ein knappes Jahr später am 23. August 1902 in der Tiroler Landzeitung unter der Rubrik „Unfälle in den Bergen“ über die Bergung der Leiche Otto Melzers berichtet: „In der Praxmarer Nordwand bei Innsbruck fanden am Montag die Herren cand. ing. Karl Berger und Bautechniker Karl Grissemann die Leiche des am 6. Oktober 1901 verunglückten Otto Melzer. Die Stellung der aufgefundenen Leiche deutete darauf hin, daß Melzer in sitzender Stellung erfroren war.“ Ein Artikel in der Volks-Zeitung vom 29. August 1902 ergänzt und schildert den Fund Otto Melzers im Detail: „Die Fundstelle liegt im zweiten Drittel der fast senkrechten Wand der Praxmarer Karspitze, und ist ein ganz schmaler bandartiger Vorsprung der Wand, fast senkrecht ober der Fundstelle von Spöttls Leiche. Melzer, das ist nun mit Sicherheit anzunehmen, ist nicht abgestürzt, sondern hat sich, nachdem sein Begleiter Spöttl an dieser Stelle abstürzte, dort, da ein Weiterkommen bei den winterlichen Verhältnissen, den beeisten Wänden und dem wütenden Schneesturm nicht denkbar war, niedergelassen und ist erfroren. Die Leiche fand man in sitzender Stellung, kunstgerecht angeseilt, ein Arm lag unter dem Kopfe, einer auf der Brust. Die Stellung deutet darauf hin, daß Melzer schlafend vom Tode ereilt wurde, wie ja beim Tode durch Erfrieren überhaupt Gefühl und Bewußtsein erst langsam schwinden und dann das Aufhören der körperlichen Funktionen eintritt. Der Bergung der Leiche stellten sich große Schwierigkeiten entgegen.“

In der Folge wurde in verschiedenen Tiroler Zeitungen – so u. a. in den Kitzbüheler Nachrichten – über den Fortschritt der Bergung von Melzers Leichnam berichtet. Man merkt in den Berichten, dass dieser Fall mit viel Aufmerksamkeit in der Tiroler Öffentlichkeit verfolgt worden sein dürfte. Aber auch unabhängig von diesem tragischen Unfalltod im Karwendelgebirge blieb der herausragende Alpinist Otto Melzer in der Tiroler Zeitungslandschaft präsent. Das hatte vor allem auch damit zu tun, dass Melzer nicht nur für seine bergsteigerischen Leistungen bekannt war, sondern auch ein ausgezeichneter Fotograf vorwiegend der hochalpinen Berglandschaft war. So wurde nur einige Jahre nach Melzers Tod 1904 unter dem Titel „Aus Innsbrucks Bergwelt“ ein Bildband mit Texten von Heinrich von Ficker und Otto Ampferer mit 12 ausgewählte Photogravüren und weiteren Fotografien Melzers veröffentlicht. Wieder fand dieses Ereignis Eingang in die Tiroler Presse des frühen 20. Jahrhunderts.

So berichteten die Innsbrucker Nachrichten am 20. April 1904 über die so genannten „Melzerkarten“, da die Bilder nun auch als Postkarten zu billigen Preisen erhältlich waren: „Otto Melzer hat es vermocht, aus dem, was allen Gebirgen mehr oder minder gemeinsam ist, die Eigenart der von ihm durchwanderten Gruppen herauszugreifen, die im Gebirge aus manchem Ort mit Gewalt hervorquillt, wie sie beim Menschen nur im Einzelnen sich offen und verdichtet zeigt oder nur im Zwang aufwühlender Ereignisse sich entblößt.“ Im Weiteren wurden wortgewaltig die einzelnen Motive Melzers beschrieben. Besonders wurden die Fotografien der hochalpinen Landschaft im Winter herausgehoben wie auch ein oft neuer Blick auf bekannte Berge: „Von den Stubaiern und Zillertalern zeigt er uns einige Bekannte von neuer Seite; da Berge in verschiedenen Ansichten ihre Gestalt verblüffend ändern, werden wir durch diese Bilder auf viele Schönheiten aufmerksam, die uns beim Verfolgen üblicher Wege entgingen und so werden sie auch zu einem auf das Herrlichste gerichteten Führer durch Innsbrucks weitere Umgebung.“

Mit einigem zeitlichen Abstand finden wir zum 25. Todestag Melzers einen prominenten Artikel in den Innsbrucker Nachrichten vom 5. Oktober 1926. Der Autor Karl Jandl bedauerte allerdings, dass Melzers Name nicht im Kanon der „großen“ Tiroler Bergsteiger vorkam: „Wenn man die große Zahl der Werke auf dem Gebiete des Alpinismus, insbesondere der Entwicklungsgeschichte verfolgt, so muß man leider mit Bedauern feststellen, daß der Name Otto Melzer nicht die geringste Erwähnung findet, trotzdem die Leistungen dieses Tiroler Bergsteigers, dem eines Paul Preuß, Dr. Fritz Drasch, Hans Dülfer und manchem anderen ebenbürtig zur Seite gestellt werden können.“ Umgekehrt bietet Jandl ein weiteres Name-Dropping, um die Bedeutung Melzers in Tirols Alpiner „höherer Gesellschaft“ zu untermauern: „Klangvolle Namen in der Geschichte des Alpinismus waren Otto Melzers Tourengefährten, wie Dr. Otto Ampferer, Doktor Heinrich v. Ficker, Karl Berger, Fritz Miller, K. Grissemann und andere und in dem bekannten Dolomitenkletterer Hermann Delago hatte er seinen Lehrmeister für seine alpine Laufbahn gefunden, der ihn als den besten Felskletterer der damaligen Zeit nennt.“

Neben einer Darstellung des Lebenswegs Otto Melzers zählt der Artikel vom 5. Oktober 1926 auch die zahlreichen Gipfel und hauptsächlich über steile Felswände erreichten Berge auf, die Melzer vor allem in der unmittelbaren Umgebung von Innsbruck in den Kalkkögeln und im Karwendelgebirge sowie in den Stubaier, Ötztaler, Zillertaler und Lechtaler Alpen sowie im Wettersteingebirge erklommen hat. Zuletzt wird noch darauf hingewiesen, dass Melzer auch im Winter auf den Tiroler Berger unterwegs war. Insofern kann man seine Leistungen durchaus als Pionier im Bereich der heutigen Skitouren bzw. Schneeschuh-Wanderungen einstufen: „Es würde zu weit führen, wollte man die vielen Bergfahrten Otto Melzers aufzählen, die er während seiner achtjährigen alpinen Tätigkeit ausführte, es sei nur noch bemerkt, daß er nicht nur im Sommer, sondern auch im Winter die Berge aufsuchte und hiebei auf Schneereisen zu solchen Wanderungen sich mühsam den Weg bahnen mußte. Sein stetes Streben war immer Neues kennen zu lernen und neue Gebiete aufzusuchen, so hatte er auch in den Dolomiten schöne alpine Erfolge aufzuweisen.“

Die Inhalte der genannten Tiroler Zeitungen stehen nach einer umfassenden Digitalisierungsoffensive im Rahmen des Interreg-Projekts Zeit.shift online zur Verfügung und können über die Digitale Bibliothek der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol eingesehen und durchsucht werden. Die permanenten Links zu den gesamten Inhalten der im Artikel genannten Zeitungen sind:

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Rund um OTTO MELZER ging auch der Alpine Verein DIE MELZERKNAPPEN hervor.
    Vereinslokal war der Gasthof Hatzl beim alten Milchhof – heutiges Messegelände.
    Auch Hermann Buhl war diesem Club angehörig.

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