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Hab‘ Acht! – Mit Nachsatz

Hab‘ Acht! – Mit Nachsatz

„Hab‘ Acht!“ scheint die junge Frau in der Mitte des Balkons zu vernehmen und pflichteifrig zu salutieren. Wohl in völliger Unkenntnis militärischen Benehmens. Vielleicht hält sie sich aber auch nur die Hand als Schutz vor der Sonne vor die Augen. Oder der Fotograf hat einfach nur im falschen Moment abgedruckt. Sein Fokus war auch wohl weniger die Dame denn das mit Malereien ausgestattete Haus. Wobei er kein Freund der Malereien war, die er uns größtenteils vorenthält. Sein Interesse galt offenbar vor allem der markanten geschwungenen Treppe in den ersten Stock. Wo sich dieses Gebäude wohl befindet/befand?

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-7954)

Auflösung: Wie Herr Roilo, den ich, gäbe es noch die Monarchie, gerne zum k. k. Bevollmächtigten für Holzzäune ernennen würde, richtig erkannt hat, war das abgebildeten Gebäude 1893 anlässlich der ersten Tiroler Landesausstellung am Messegelände zu sehen. Untenstehend eine Aufnahme des sogenannten Torggel-Hauses aus anderer Perspektive, die aufgrund der Halle rechts im Hintergrund natürlich nicht als Rätselfoto getaugt hätte. In unseren Beständen findet sich eine ganze Reihe von Fotos mit unterschiedlichen Gebäuden (zum Beispiel der Fischerei-Pavillon oder die spätere Innsbrucker Hütte), viele davon ohne nähere Bezeichnung. Womöglich würde es sich lohnen, den zeitgenössischen Ausstellungskatalog aus dem Depot auszuheben und damit Text-Bild-Memory zu spielen? Danke noch einmal für die zahlreichen fachkundigen Kommentare zu Baustilen, Berichterstattung und natürlich Holzzäunen!

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-7950, Ph-7954)

Dieser Beitrag hat 33 Kommentare
  1. Leider sieht man nicht, welcher Heilige auf der Sonnenuhr dargestellt ist. Der Stab mit dem Doppelkreuz deutet auf einen heiligen Bischof hin.

    Sehr auffällig ist die Mönch-Nonnen-Deckung des Hauses, welche rund um Innsbruck kaum bis gar nicht vorkommt.

    1. Der Heilige ist wahrscheinlich der Winzerpatron Urban. Aber wo gibt’s in Südtirol ein Weingut zur Großen Traube?
      Was spiegelt sich im Fenster, ein Kirchturm?

  2. Der 1837 in Feldkirch geborene Schriftsteller und Bibliothekar Ludwig Hörmann von Hörbach befasste sich mit dem Brauchtum der Alpenländer und veröffentlichte u. a. den Band „Haussprüche aus den Alpen“, hrsg. 1896. Auf Seite 157 dieses Bandes findet sich folgender Eintrag:

    „Dieses Haus steht in Gottes Hand
    Zur großen Traube ist es genannt.

    Rankweil, Altvorstadt,
    Wirtshaus zur Traube.

    Das vor kurzem übertünchte Bild zeigte zwei Engel, welche eine grosse Traube, an einer Stange über den Achseln tragen.“ (Teßmann digital > Bücher > Haussprüche aus den Alpen)

    Die sog. Kalebstraube wurde lt. Altem Testament von 2 Kundschaftern (Josua und Kaleb) getragen. Wenn auf dem hier erwähnten Bild 2 Engel abgebildet waren, hat sich entweder der Maler ein wenig künstlerische Freiheit genommen oder die Träger wurden falsch interpretiert. https://de.wikipedia.org/wiki/Kalebstraube

  3. Ich freue mich, dass Sie wieder einmal gefordert sind! Und ich bin überrascht, dass der zugegebenermaßen sehr blasse Gebirgszug hinter dem Dach noch gar nicht erwähnt wurde.

  4. Aahh, doch die Rumer Spitz, an die die hatte ich zuerst gedacht, aber ein „Gasthof zur großen Traube“ sagte mir gar nichts. Dann wird es wohl der Gasthof Traube in der Innstraße 55 gewesen sein, ehemals „Zum kleinen Stern“. Weder südlich des Brenners noch westlich des Arlbergs. Aber die Architektur entspricht nicht den klassischen Inn-Salzach-Häusern. War das ein Stöckl-Gebäude oder bin ich jetzt noch einmal daneben?
    Hauptsache den Herrn Joachim freut’s!

  5. Bei mir geistert immer etwas von der Tiroler Landesausstellung 18XX herum. Der Zaun kommt mir so bekannt vor! Und der Berg dahinter? Rumerspitze?? Die Sonnenuhr würde dann auch passen!

  6. Es könnte sich in der Tat um das sogenannte Torggel-Gebäude auf der Landesausstellung 1893 handeln. Das Torggel-Gebäude wurde mit sehr großem Aufwand und viel Liebe zum Detail errichtet und beherbergte die „Deutsch-Südtiroler Weinausstellung“. Dazu würde auch der Fassaden-Schriftzug am rechten Bildrand gut passen. Der Tiroler Grenzbote vom 3. Dezember 1893 schreibt über das Torggel-Gebäude:

    „Sie thaten sich von Bozen und Meran, von Kaltern und
    Brixen etc. zu einem Comité zusammen, packten den uralten
    Torggelbaum aus einem Bauernhofe bei Bozen nebst allem,
    was dazu gehört, fein säuberlich auf einen größeren Eisenbahn-
    Waggon und führten die ganze Torggel-Kollektion nach Inns­-
    bruck, wo hiefur auf dem Platze der Tiroler Landesausstellung
    ein eigenes Gebäude, genau nach Art der Südtiroler Kleinadel-
    höfe oder Edelbauern-Sitze aufgeführt wurde. Aus anderen
    alten Torggelbäumen, von denen zwei die Jahreszahlen 1532
    und 1568 trugen, wurden Bauernstühle und Tische gezimmert,
    die Wände des Hauses hat man von innen mit Weinhauen,
    Püttrichen, Rebmessern und dgl. ausstaffirt, auch die abenteuer-
    liche, an alte Germanenrüstung erinnernde Gewandung eines
    Saltners (Weinhüters) nebst dem Lederkittel der „Weinaufleger“
    aus der altehrwürdigen Gilde der eingeschwornen Bozner Wein-
    messer und verschiedene Saltner-Hellebarden mussten dazu dienen
    den inneren Schmuck des mit Rundbogenfenstern, Söller und
    Erkerthurm, Maiskolben und Nelkenstöckeln ausgestatteten Torggel-
    hauses zu kompletiren. Um nun das Jnteressante mit dem
    Praktischen zu verbinden, haben die weltgewandten Bozner-
    Patrizier in dem Gebäude die deutschsüdtiroler Weinausstellung
    veranstaltet and zwar kluger Weise in der Art, dass man hier
    durchaus nicht wie sonst bei solchen Arrangements etwa blos
    etikettirte Flaschen mit hochlohnenden Namen zu sehen bekam.
    Auch nicht lediglich ein Gläschen zum „kosten“ fiel da für den
    Besucher ab, sondern es war Gelegenheit für wirkliche, landechte
    Torggelestudien gcboten. In Flaschen wie auch „frisch vom
    Fast“ marschirten mehr als fünfzig der besten Weinsorten und
    auch WeinschnäSpse aus Dcutschsüdtirol auf die Tische.“

  7. Ich misch mich nur kurz ein, aber die Rumerspitz ist nur ähnlich. Die Fortsetzung links paßt doch nicht ganz, oder? https://postimg.cc/q6pXw9tD

    Ich halte das Haus überhaupt nicht für ein Gasthaus, eher für ein Privathaus, nicht ganz unwahrscheinlich zu einem Weingut gehörig, Weinhändler wär auch möglich, oder – zynisch jetzt – Hausmalereien bei Trinkers, und erst die Dachdeckung…der Ziegel muß mir in St. Nikolaus erst auf den Kopf fallen, eh ich bekehrt bin. Und das Häusl auf der Landesausstellung ging doch nicht ums Eck? Obwohl Südtirol damals thematisch noch zu einer Landesausstellung gehörte. Aber das ist ein Haus, welches zum Zeitpunkt der Aufnahme sicher schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hatte, während die Landesaustellungsexponate nicht für die Ewigkeit gebaut waren.
    Aber ich kann mich jetzt auch verrannt haben.

      1. Danke, Frau Stolz, für das Lob!
        Ja, der Zaun war es, und danach die Rumerspitz von Ihnen. Ich habe das bearbeitete Bild von Herrn Hirsch (danke!) mit anderen Aufnahmen dieses doch charakteristischen Berges verglichen und fand eine gute Übereinstimmung, wenn man die Fortsetzung links als Nebelbank ansieht. Im Geiste sah ich sogar den Falkenträger, gell, Herr Auer! Sie, Herr Auer, halfen mir dann noch mit dem Artikel aus dem Tiroler Grenzboten und der „Deutschsüdtiroler Weinausstellung“ (Schriftzug rechts oben). Die Sonnenuhr und die schattenspendende, nicht salutierende Hand der Kellnerin wiesen auch auf die dazu passende Südwand des Hauses hin. Dafür passte die Anzahl der gleichgekleideten Kellnerinnen nicht zu einem normalen Dorfgasthaus, auch nicht die „Stadt / Landgäste“ und der zu einem Blumentrog umgewandelte Brunnentrog, sowie der Gasthausname!

        Meine Suche beim Tessmann ergab dann den Volltreffer mit
        https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Seite/Zeitung/63002/1/06.10.1933/369259/3/filterId-63002%01369259%014538773-query-Tiroler+Landesausstellung+1893-filterF_type-Newspaper.html , aus dem ich das obige Bild herauskopierte.

        Ein Hinweis noch: Der erste Teil des sehr interessanten Beitrages über die „Tiroler Landesausstellung 1893“ in der „Neuesten Zeitung“ vom 6.10.1933 erschien am 22.9.1933.

        Liebe Grüße noch an Herrn Hirsch für die Mithilfe und das „Verrennen“ ;.)

        1. Ja, hochlöblicher Herr k. k. Bevollmächtigter für Holzzäune, das mit dem Verrennen ist so eine Sach‘ und manchmal schnell passiert. Ich habe mich so verrannt, dass ich aufgrund des unvollständigen Schriftzuges rechts im Bild ganz Deutschnofen nach einer „großen Traube“ absuchte, wohl wissend, dass sich selten jemand den eigenen Ortsnamen an die Fassade pinseln würde. Zum Glück kann ich über mich selber lachen 🙂

          Manchmal zahlt sich Geduld aber auch aus. Der Heilige hinter der Sonnenuhr ist, wie Herr Hirsch richtig vermutete, der Winzerpatron Urban. Falls nähere Architektur- und Bildbeschreibung interessiert:
          https://digital.tessmann.it/tessmannDigital/Zeitungsarchiv/Seite/Zeitung/62964/1/08.08.1893/265314/3/filterId-62964%01265314%013391300-query-Torggelhaus-sort-dateAsc-filterF_type-Newspaper.html

  8. Haha, DAS war ein „Einileger“. Man muß den Erbauern dieses Fake-Weinhofes aber zugestehen, daß der Nachbau (steht am Ende irgendwo das Original? Bloß nicht!) derart originalgetreu gelungen ist, daß ich sogar die erkennbare Rumerspitze nicht glauben wollte. Wobei die Rumerspitze eine Allerweltsform hat. Besonders gemein die Palmenblätter, die man allerdings auch auf alten Ansichtskarten sehen kann, auf denen die Grünanlage beim Leopoldsbrunnen drauf ist.

  9. Das zweite Bild ist auch sehr interessant. Man sieht hier nämlich als Lüftlmalerei eine Darstellung von zwei Männern mit der großen Traube aus dem gelobten Land Kanaan. Es ist dies eine Darstellung der Kalebstraube, welche von Frau Stolz erwähnt wurde.
    Der literarische Bezugspunkt ist eine Geschichte aus dem Alten Testament, Buch Numeri 13,17-27.

  10. Könnte man auch das erste Bild hier noch „als a Ganzes“ einfügen, denn der Zeitungsartikel präsentiert das Foto natürlich mit der üblichen Rasterung, und das Teßmannbild ist verstempelt und nicht allzu vergrößerbar? Danke!

  11. Erst jetzt komme ich drauf, dass Herr Bürgschwentner den Text in diesem Beitrag ergänzt hat und von woher der „k.k. Bevollmächtigte für Holzzäune“ im Kommentar von Frau Stolz kommt. Danke für diese Ernennung!
    Vielleicht könnten Sie, Herr Bürgschwentner, in Ihrem Text auch noch den oben erwähnten Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/nachhaltiger-messebau/ aufnehmen und vielleicht findet Herr Auer noch heraus, was mit diesem Torggelhaus geschehen ist.

  12. In der heutigen TT ist eine Seite dem „Stadtspaziergang (Hötting)“ gewidmet. Ein Inserat des „Priorat Maria Hilf / Höttinger Gasse 14“ hat mich daran erinnert, daß an der südseitigen Mauer des an der Straße stehenden Hauptgebäudes, des ehemaligen Gasthofs zur „Traube“ ebenfalls die „Zwei Kundschafter“ (= die ersten schriftlich erwähnten „Obstimporteure“)
    bildlich dargestellt waren. Foto wird es davon keines mehr geben?
    Danach – Mitte der 50-er? -kam ein Sgaffito“ an die Wand.
    Der Name „Paula Ptacek“ ist mir im Zusammenhang damit in Erinnerung

  13. Nach zwei misslungenen Posting-Versuchen, hier ein weiterer. Diesmal vorsichtshalber eine aufgeteilte Version, die ausnahmsweise mehr als eine Kommentarzeile beansprucht.

    Nachdem Herr Roilo die Möglichkeit in Betracht zog, dass das Original-Torggelhaus vielleicht noch irgendwo stehen könnte, Herr Hirsch aber unter Missachtung der Rumer Spitz hoffte „Bloß nicht!“, wollte ich der Sache auf den Grund gehen, auch wenn das Schicksal dieses Gebäudes gar nicht so einfach nachvollziehbar war, wie sich herausstellen sollte.
    1)
    Der Herausgeber des satirischen Wochenblattes „Der Tiroler Wastl“, Rudolf Christoph Jenny, schreibt am 16. 4. 1930, S 5 unter dem Titel ‚Der Kurort Igls und sein Werdegang‘ über die Anfänge des Igler Fremdenverkehrs, dabei Behauptungen eines Herrn Zimmer kommentierend, dass „das herzige ‚Torggelhaus‘, das auf der Tiroler Landesausstellung 1893 war und von Gebrüder Colli erbaut, dann an Herrn Hauptmann Streiter verkauft und nach Igls überführt wurde, wo es heute als das vielbesuchte, gemütliche ‚Batzenhäusl‘ gute Figur macht und einen Anziehungspunkt bildet.“ Dabei hat aber der scharfzüngige Herr Jenny offensichtlich das Torggelhaus mit einem anderen Gebäude der Landesausstellung verwechselt:
    „Rechts am Wege hat die Firma Brüder Colli ein Bauernhäuschen im reinsten Schweizerstile hingestellt, welches im nächsten Jahre in dem Mittelgebirgs „städtchen“ Jgls, wohin es schon verkauft wurde, als Villa zu sehen sein wird. Das recht niedliche Häuschen wird auch noch polychromiert werden.“ (IN, 16. 6. 1893, S 6) Diese Aussage trifft schon viel eher zu, sieht doch der alte Teil vom Hotel Batzenhäusl durchaus wie ein kleines Schweizer Chalet aus.
    Das Torggelhaus hingegen wurde von der Fa. Kohnle & Albert gebaut: „Südtiroler Weingarthaus mit einer Torggel zugleich Kosthalle der Südtiroler Wein-Interessenten, nach einem Entwurf des Hrn. J. Baya in Bozen und unter Intervention des Herren Architekten Deininger, ausgeführt von der Baufirma Kohnle & Albert in Wilten. Die Kosten tragen die Südtiroler Weininteressenten mit einer Subvention des Ausstellungs-Comité’s. Außer diesen größeren Objecten werden noch u. A. vom D. u. Oesterr. Alpenverein (Section Innsbruck) und vom Oesterr. Touristen-Club je eine alpine Unterkunftshütte, dann von der Firma Gebrüder Colli ein kleines Landhaus, […].“ (IN, 2. 6. 1893, S 8)

    Der erwähnte Architekt Deininger hat übrigens für die Weltausstellung 1900 in Paris ebenfalls ein Gebäude im Überetscher Stil entworfen. Das „Château Tyrolien“ wurde auf dem Marsfeld errichtet. Hier einige Bilder aus dem Ausstellungskatalog: https://www.zispotlight.de/krista-profanter-ueber-das-chateau-tyrolien-auf-der-pariser-weltausstellung-1900/

    In der GR-Sitzung vom 2. März 1894 wurde beschlossen, den Ausstellungsplatz bis auf weiteres als öffentlichen Garten zu erhalten, alle weiteren Fragen bezüglich Erwerbung von Objekten (Torggelhaus, Restaurant, etc.) wurden einem Komitee (Ausstellungsplatz-Komitee) zur Beratung übergeben. (IN, 3. 3. 1894, S 2f)

    Am 4. Mai 1894 beklagte ein Gemeinderat den „trostlosen Zustand“ des Ausstellungsplatzes und schlägt eine Verpachtung des Torggelhauses vor. Zu diesem Zeitpunkt lag allerdings noch kein Bericht des Ausstellungsplatz-Komitees vor. Ein Teil des Platzes war aber inzwischen dem Eislaufverein überlassen worden. (IN, 5. 5. 1894, S 5)

    Die Bozner Nachrichten wussten im Mai zu berichten, dass das Torggelhaus am ehemaligen Ausstellungsplatz wieder eröffnet werden soll. (Bozner Nachrichten, 13. 5. 1894, S 4)
    Die Stadt Innsbruck hat nach der Tiroler Landesausstellung zunächst den Ankauf dieses Gebäudes auch noch in Betracht gezogen, ihn aber dann doch nicht vollzogen. In der GR-Sitzung vom 8. Juni 1894, in der es u. a. um die Adaptierung des gesamten Ausstellungsgeländes ging, hat das Ausstellungsplatz-Komitee nach Aufzählung aller erforderlichen Maßnahmen wie folgt argumentiert: „Die ganzen Adaptierungen werden wenigstens 20.000 Gulden kosten. Was das Torggelhaus betrifft, das, wie Redner bemerkte, so viel Anhänglichkeit gefunden hat, dass es begreiflich ist, wenn viele schweren Herzens es verschwinden sehen, so wurde der Ankauf in reifliche Erwägung gezogen, könne aber nicht empfohlen werden. Der Bau war nur für einen Sommer berechnet und ist daher nicht dauerhaft. Der darin wohnende Wächter musste schon einigemal sein Nachtlager wegen des durch Dach und Decke dringenden Regenwassers verschieben. Es sei nöthig, dass der Gemeinderath diesem Gebäude das Todesurtheil spreche. Das Comité beantragt nun: 1. Der Gemeinderath möge sich mit den Adaptierungen einverstanden erklären; 2. hiezu einen Credit von 20.000 fl. bewilligen und diesen dem Finanz-Comité zuweisen, und 3. den Ankauf des Torggelhauses ablehnen und dessen sofortigen Abbruch beschließen.“ Ausgiebige Debatte, Komitee-Anträge schließlich angenommen. (IN, 9. 6. 1894, S 8f)

    1895 wurde mehrfach über das am Gelände stattfindende Sommerfest des Deutschen Schulvereins berichtet. Dabei heißt es in einem Artikel, der sich schwerpunktmäßig mit den ‚Sponsoren‘ dieses Festes befasste: „Den Bau des japanischen Zeltes und des Torggelhauses — das unsere ersten Hotels mit köstlichen Delikatessen so reich versorgt hatten — hat Herr Kohnle unter den coulantesten Bedingungen ausgeführt.“ (IN, 21. 6. 1895, S 3)

    Vielleicht wurde dieses japanische Zelt neu aufgebaut, beim Torggelhaus wird es sich wohl eher um eine Reparatur/einen Umbau als um einen Neubau (für ein eintägiges Fest!) gehandelt haben.

  14. 2)
    Für das Jahr 1896 war das Gelände wieder für eine große Ausstellung im Gespräch. „Internationale Ausstellung für physische Erziehung und Sport, sowie damit verwandter Industrie- und Gewerbszweige“, so der etwas sperrige Titel. Geplante Dauer vom 1. Mai 1896 bis 15. Sept. 1896. (IN, 22. 6. 1895, S 3f) Tatsächlich eröffnet wurde sie dann als „Internationale Ausstellung für körperliche Erziehung, Gesundheitspflege und Sport“ am 13. Juni (IN 15. 6. 1896, S 3f) und geschlossen am 5. Okt. (Innsbrucker Tagblatt, 6. 10. 1896, S 2)

    Zwischen Mitte 1895 und Mitte 1896 befassten sich Gemeinderat und Presse nur marginal mit dem Ausstellungsplatz. Hinweis auf ein Vorhaben zur Neuerrichtung des Torggelhauses war für diesen Zeitraum keiner zu finden. Dann, kurz vor der geplanten Eröffnung der o. e. 1896-er Ausstellung: „Die Grundaushebungen zum Torggelhaus sind bereits in Angriff genommen und wird der Bau rasch zu Ende geführt werden.“ (Tiroler Stimmen, 13. 5. 1896, S 2)

    „Auch das zuletzt begonnene Torggelhaus wächst nunmehr rasch aus dem Boden empor und mit der Vollendung dieses Gebäudes sind dann die auf dem Platze erstehenden Bauten fertiggestellt, so dass also in allen Theilen die Vorbereitungen für die Eröffnung der internationalen Ausstellung in bestem Gange begriffen erscheinen.“ (IN, 30. 5. 1896, S 1)
    Am Tag der Eröffnung, 13. 6. 1896, warfen die IN auf S 2f einen Blick auf den Ist-Zustand und stellten fest, dass sich die Ausstellung noch in „einem unfertigen Zustand“ präsentierte, das Torggelhaus hatte immerhin das Richtfest begehen können: https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=18960613&seite=2&zoom=33&query=%22Torggelhaus%22&ref=anno-search

    Einige Tage später dann die Meldung: „Das Torggelhaus ist im Baue fertig und könnte eröffnet werden, wenn der nöthige Wein eingetroffen wäre.“ (Tiroler Stimmen, 20. 7. 1896, S 2f)

    Schließlich konnte das „Torggelhaus in zweiter Auflage“ am 25. 7. 1896 seine Pforten öffnen. Die Tiroler Stimmen berichteten darüber und hofften, dass dieses Gebäude nicht wie sein Vorgängerbau enden würde. (Tiroler Stimmen, 27. 7. 1896, S 2)

    Nach 16 Wochen (insges. 90.872 Besucher) wurde die Ausstellungshalle am 5. 10. 1896 geschlossen. Das Panorama blieb noch bis 1. November geöffnet, Restauration, Torggelhaus und die Kosthallen „bis auf Weiteres“. (Innsbrucker Tagblatt, 6. 10. 1896, S 2)

    Im November berichten die IN: „Auf Ansuchen des Ausstellungsrestaurations-Consortiums hat der Gemeinderath gestern beschlossen, das Torggelhaus, besser gesagt das südtirolische Weinbauernhaus, auf dem Ausstellungsplatze bis auf Widerruf weiter bestehen zu lassen. Doch muss das Dach, soweit dies nicht jetzt schon der Fall ist, feuersicher eingedeckt werden. Wird die Bewilligung für den Weiterbestand widerrufen, so muss das Consortium das Haus auf eigene Kosten abtragen lassen. Erfolgt der Widerruf nicht, so geht das Gebäude nach Ablauf von sieben Jahren, gleichwie die Restaurationsbaulichkeit unentgeltlich ins Eigenthum der Stadt über.“ (IN, 13. Nov. 1896, S 2)

    Anfang Dezember war zu lesen, dass der Ausschuss des Innsbrucker Eislaufvereines beschlossen hatte, das Torggelhaus für den Winter zu mieten. Ein Zimmer sollte als Restaurationslokal dienen, die anderen Räume im EG als Wärmestube für die Arbeiter und zur Aufbewahrung von Geräten. (IN, 9. 12. 1896, S 2)

    Am 3. April 1897 wird das Torggelhaus von einem Johann Reindl wieder geöffnet, das Ausstellungs-Restaurant wegen Renovierung eine Woche später. (IN, 3. 4. 1897, S 2)

    In den Folgejahren wird das Haus immer wieder mal erwähnt, im Zusammenhang mit Eiskostümfest, Jugendspielen, Sängertreffen oder sonstigen Veranstaltungen. Zwischen 1903 und 1905 muss es dann in den Besitz der Stadt übergegangen sein. In seinem Rechenschaftsbericht für diesen Zeitraum informiert der Bürgermeister unter dem Punkt ‚Realitätenerwerb‘ darüber: „Ausstellungs-Restauration und Torggelhaus 10.100 Kronen.“ (IN, 30. 12. 1905, S 34)

    Für die Jahrhundertfeier (1809 – 1909) hatte der Gemeinderat im Voranschlag 1909 an Ausgaben insgesamt 40.000 Kronen vorgesehen. (Innsbrucker Tagblatt, 31. 12. 1905, S 14) Damit wurde u. a. auch in das Torggelhaus investiert: „Eine förmliche Stadt von Schaubuden wird im großen Kasernenhof entstehen, welcher durch eine Art Krämerstraße mit dem Ausstellungsplatz verbunden wird. Eine große Zugkraft wird das neu und originell hergerichtete Torggelhaus mit Garten haben.“ (Meraner Zeitung, 9. 7. 1909, S 4)

    1. 3)
      1914 wurden Ausstellungsplatz und Torggelhaus für eine Schauübung der Rettungsabteilung genutzt: „Es wird ein Massenunfall angenommen, der dadurch entstanden ist, daß ein bewohntes Haus (Annahme Torggelhaus) eingestürzt ist und viele Personen schwer verletzt sind.“ (Tiroler Stimmen, 2. 5. 1914, S 4)

      In der Gemeinderatssitzung vom 27. Mai 1919 stand auch die Umgestaltung des Ausstellungsplatzes zu einem Sport-/Spielplatz auf der Tagesordnung. Der dort befindliche Materialplatz des Bauamtes sollte in die Reichenau verlegt und das Torggelhaus abgerissen werden. Es gab allerdings keine endgültige Entscheidung, der Tagesordnungspunkt wurde verschoben. (IN, 28. 5. 1919, S 2) Offensichtlich nicht nur auf die nächste Sitzung, denn 1922 hat man im Torggelhaus 4 Notwohnungen errichtet. (IN 6. 10. 1923, S 21)

      50 Jahre nach der ersten Landesausstellung heißt es in einer Rückschau auf diese: „Außerhalb der großen Halle waren eine ganze Reihe von Pavillons angelegt, von denen heute nur mehr das Gebäude am Eislaufplatz (ehemaliger Fischerei-Pavillon) und das ehemalige Torggelhaus, allerdings in veränderter baulicher Form, bestehen.“ (IN, 9. 10. 1943, S 3)

      1964 wird schließlich berichtet: „Nachdem das bombenbeschädigte Obdachlosenheim in der Herrengasse und das ebenso beschädigte Zollhaus neben der Doganaruine am Rennweg abgetragen wurde, fällt nun auch das ehemalige Torggelhaus in der Claudiastraße der Spitzhacke anheim. Schon lange war das eigentlich nur für die Tiroler Landesausstellung 1893 erbaute und seitdem nicht schöner gewordene, im Auftrag des Weinbaukomitees von Bozen nach dem Muster eines Überetscher Bauernhauses erbaute Torggelhaus der raumhungrigen Innsbrucker Messe“ [… Textvorschau endet hier] (Dolomiten, 17. 11. 1964, S ?)

      Die hier verwendete Formulierung „das eigentlich nur für die Tiroler Landesausstellung 1893 erbaute und seitdem nicht schöner gewordene“ ließe den Schluss zu, dass 1964 immer noch das ursprüngliche Gebäude von 1893 stand. Dem widersprechen aber die in Teil 2 zitierten Zeilen aus den div. Artikeln vom Sommer 1896.

      Ob nun das ursprüngliche (1893), das „in zweiter Auflage“ (1896) oder gar ein „neu und originell hergerichtetes“ (1909) — feststeht, das Torggelhaus ist heute nirgends mehr zu finden. Es wurde nach jahrzehntelangem Hin und Her abgerissen. Das Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck bestätigte dies, wenn auch ohne ein vollständiges Datum zu nennen. In der Dezember-Ausgabe 1964 findet sich unter der Überschrift „Das Wichtigste vom letzten Monat“ der Hinweis „Anfangs des Monats wird das auf dem Messegelände stehende 1893 zur Tiroler Landesausstellung errichtete sogenannte Südtiroler Torggelhaus (Claudiastraße Nr. 5) abgerissen.“ (Amtsblatt der Landeshauptstadt Innsbruck, Nr. 12/1964, S 7)

      Die Landesausstellung 1893 zählte während ihrer 114-tägigen Dauer 370.729 Besucher. (IN, 9. 10. 1893, S 8)
      Wie viele von ihnen das Torggelhaus aufsuchten ist nicht bekannt. Es dürften aber einige gewesen sein. Der Jahresbericht 1893 der Innsbrucker Freiwilligen Rettungsgesellschaft gibt an, „daß im abgelaufenen Jahr 150.000 Vergiftungen mit Alkohol im Torggelhaus vorkamen.“ (Bozner Zeitung, 7. 2. 1894, S 2) Ob hier die Relationen zwischen Besucherzahlen, Ausstellungsdauer und Berichtszeitraum stimmen können?

      Andrerseits: „Nach einer uns zugekommenen Mittheilung wurden im Torggelhaus vom 1. Juli bis incl. 8. October an Flaschenweinen 5580 ganze, 6338 halbe und 2951 fünftel Flaschen ausgeschänkt, Fassweine zusammen 25687 Liter.“ (IN, 16. 10. 1893, S 4) Wenn man jetzt noch wüsste, wieviel Wein damals eine „ganze“ Flasche fasste …

  15. Danke für die gewaltige Recherche Frau Stolz.

    Ich hab Ihren Doppelkommentar sogar zweimal gelesen, damit ich nichts verwechsle. Also das falsche Torgglhaus steht noch als Batzenhäusl in Igls. Das echte Torgglhaus – welches eigentlich ganz anders hieß – wurde wegen Baumängeln abgetragen und 1986 ein neues statt dessen hingestellt.
    Die Rätselfrage hat es in gewissem Sinne geerbt: War das an der gleichen Stelle? Hat es wieder wie ein Torkel, pardon Torggelhaus ausgesehen? Oder hatte es schlichtere, dafür praktischere Formen.

    Aber das Eckhaus Siebererstraße Claudiastraße, welches hier https://innsbruck-erinnert.at/wer-erkennt-ein-potpourri-aus-den-stadtteilen_teil-17/ die Köpfe rauchen ließ, war es wohl nicht?

    1. Eigentlich war es ein Dreifachkommentar, Herr Hirsch, aber am 3. Teil hat sich das System wohl verschluckt. Und ich hab‘ gedacht, gesplittet könnte es funktionieren. Da hab‘ ich die Rechnung wohl ohne den Wirt gemacht. Jetzt versuche ich es erneut, und damit alle 3 Kommentare hintereinander aufscheinen, erlaube ich mir, mich vor Ihre Antwort hineinzumogeln.

  16. Danke auch für die weiteren Kommentare. Das Ur-Torgglhaus muß einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben, anders kann man sich die Falschmeldungen der Zeitungen nicht erklären. Der Nachfolgebau wurde ausgeblendet.

    Es war, wie die oben zitierten Meldungen zeigen, tatsächlich ein Neubau, da an einer Stelle die dafür notwendigen Aushubarbeiten erwähnt werden.

    Im Vergleich mit den Luftbildern muß es sich beim ehemaligen Rätselhaus Ecke Sieberer/Claudiastraße tatsächlich um das Torgglhaus 2.0 gehandelt haben, da auf dem Areal mit der Adresse Claudiastraße nichts anderes mehr gestanden hat. Hier noch einmal das Bild aus besseren Tagen https://postimg.cc/PN1FjFTQ , diesmal mit Überschrift „60. Gründungsfest….im Hintergrund das Torgglhaus“.

    Die Verwendung des Hauses erklärt meiner Meinung auch die einwenig sonderbare Drehung des Hauses um ca. 45 Grad relativ zu den Grundstücksgrenzen. Kein Privatmann hätte wohl so gebaut, daß 3 von 4 Flächen auf die Straße hinaus gehen. Vielleicht – Phantasie im freien Fall – sollte dahinter sogar die Absicht stecken, das Haus auf das Kasernenareal auszurichten, wo ja der in der Meraner Zeitung geschilderte Standlmarkt mit „Krämerstraße“ zum Ausstellungsgelände seinen Ausgang genommen hat. Phantasie Aufschlag.

    1. Das ist ja toll, Herr Hirsch, dass Sie jetzt die Verbindung zu dem Abbruchhaus aus dem Rätsel „Wer (er)kennt … – ein Potpourri aus den Stadtteilen_Teil 17“ hergestellt haben!

      Ich habe hier heute (auf der Suche nach der Jahrzahl 1896) noch einen Beitrag entdeckt, der das Torggelhaus zeigt: https://innsbruck-erinnert.at/internationale-ausstellung-1896/

      Damit sind in diesem Blog alle 3 Varianten des Gebäudes zu sehen, mit der Ruine sogar 4 😉
      Im Titelbild Vorder- und Rückseite der „Ur-Torggel“ von 1893, im 2. Bild des verlinkten Beitrages von Frau Angelika Kollmann-Rozin der Neubau von 1896 und in dem von Ihnen geposteten Bild des Turnverein-Festes der Zustand nach einem Umbau, der ca. 1907 – 1909 (zur 100-Jahr-Feier v. 1809) durchgeführt wurde. In dieser Form hat sich das Haus dann zumindest bis 1923 gehalten.

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