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Erste Retuschen Der „Stunde Null“

Erste Retuschen der „Stunde Null“

Unter Historiker*innen wurde viele Jahre die Frage diskutiert ob man das Jahr 1945 als „Stunde Null“ bezeichnen kann, in dem am Tag nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs alle Rechnungen auf Null gestellt werden konnten und aus den Trümmern der menschenverachtenden NS-Diktatur eine friedliche demokratische Demokratie entstand. Die allgemein akzeptierte Antwort darauf ist, dass es in Österreich keine solche Stunde Null gab sondern erstaunlich viele den in den sieben Jahren zuvor eingeführten Modernisierungen in Verwaltung und Wirtschaft problemlos in die Nachkriegszeit Übernommen werden konnten, ganze Bereiche wie Schule, Justiz und Kunst braucht noch Jahrzehnte, um überhaupt ein Problembewusstsein für die eigene Rolle in der NS-Zeit zu entwickeln.

Zunächst galt es einmal, an der Oberfläche auszuräumen und das Beitragsbild zeigt so eine frühe Fassadenretusche in der Erlerstraße. Die österreichische Fahne wurde gehisst, das Hakenkreuz aus dem Wappenvogel (der erst später drankam) geklopft, die Bezeichnung „NS-Gauverlag“ kam weg, der Textteil „Druckerei Tirol“ konnte derweil stehen bleiben. Ein paar Jahre später sah das Haus dann so aus, heute ist es Teil des BTV-Neubaus aus den 2000er Jahren, einer Zeit, in der sich nicht nur in Tirol die Vorstände der Banken über die umbaute Fläche von sakral-monumental ausgestalteten Architekturstatements definierten.

Wie so oft liegt der interessantere Teil der Geschichte unter der Oberfläche verborgen. Schon im Juni 1945 wurde hier in Nachfolge der Innsbrucker Nachrichten die Tiroler Tageszeitung gedruckt. Trotz des eklatanten Papiermangels war es den Siegermächten wichtig, schnell eine funktionierende Presselandschaft zu ermöglichen. Viele Fragen blieben in der Eile ungeklärt: wem gehörte nun die Druckerei und der Verlag? Die Familie Buchroithner hatte beides 1938 unter extremem Druck abgeben müssen. Die Streitereien um die Eigentümerschaft beschäftigten die Gerichte noch Jahrzehnte. Es bleibt zu hoffen, dass es in absehbarer Zukunft so etwas wie eine nicht primär auf teils eher der Wild-West-Literatur zuzuordnende Erzählungen der journalistischen Veteranen gestützte sondern eine faktenbasierte Aufarbeitung der Tiroler Medienlandschaft der „Stunde Null“ geben wird, und dies schon 77 Jahre oder 674520 Stunden nach dem Kriegsende.

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