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Daumenkino Vor Dem Landestheater

Daumenkino vor dem Landestheater

Es muss ein windiger April gewesen sein, wenn man die Schneehöhe auf der Nordkette am 1. Mai 1953 als Indikator heranzieht. Die Sozialdemokratie hatte diesen Tag wieder zu ihrem Festtag gemacht, nachdem zwischen 1938 und 1945 die Nationalsozialisten die Gestaltungs- und Deutungsmacht über die politisierte Arbeiterschaft mit ortsunüblichen Maibäumen völliger Entrechtung aller selbstorganisierten Werktätigen zu einem reinen Schaulaufen umfunktioniert hatte.

In der Fotoserie eines gewissen Schneider, die sich in der Sammlung Kreutz befindet, fällt besonders die aufwändige Dekoration des Festplatzes vor dem Landestheater auf. Die Bilder sind wohl 1953 bis 1955 entstanden, das dritte zum 10 Geburtstag der zweiten Republik nach etwas frischer Farbe für den zerzausten Schriftzug des ehemaligen Stadttheaters und zwischenzeitlichen Reichsgautheaters (was aber nach akribischen Recherchen des Stadtarchivdirektors so nie auf der Fassade gestanden ist).

Die Spruchbänder sind modern, der lange Slogan „Frauen und Mütter erkennt eure Kraft kämpft für eine Leben ohne Furcht“ passt allerdings nur knapp in die mittlere Säulenklusse der Rennweg-Kulisse. Die Fahnen bei der internationalen Fassade (vermutlich 1953) sind vom Mailüfterl etwas durcheinandergewirbelt, die Auswahl der gezeigten Nationen ist heute kaum nachvollziehbar (Japan?) und der selbstentworfene Union Jack ist in den Proportionen recht beliebig geraten. Nach den Jahren der perfekten Inszenierung jedes noch so kleinen NS-Aufmarsches erscheint diese hausgemachte Deko am Schauspielhaus richtig sympathisch. Auch die Gestaltung des Massenaufmarsches in der Theresienstraße strahlt jene zivilgesellschaftliche Gelassenheit aus, die man sich in Friedenszeiten von der Politik wünscht. Polizeimusik, zwei IVBler, die Wiltener.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Das Studium der verschiedenen Attitüden des p.t. Publikums ist recht vergnüglich, besonders das der Männer auf dem Frauenkampffoto, die gruppenbildend und im Rücken Geht-mi-nix-an verschränkte Hände verschränkend herumstehen und aufs Mittagessen warten. Hoffentlich kocht sie noch für uns. Interessant nebenbei die Unterscheidung zwischen Frauen und Müttern, deren Sickerpotential wohl nicht aufgefallen ist.
    Dazu ein letzter Blick auf das von Jahr zu Jahr auf Restaurierung hoffende alte Stadtsaalgebäude. So kaputt war es laut Zeitzeugen nämlich garnicht. Aber wahrscheinlich hätte man es später dann sowieso abgerissen.

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