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Kugelhaftes Innenleben

Kugelhaftes Innenleben

Als im Zuge der gestern angesprochenen Sanierung des Kreuzes vom Turm der Hofkirche auch die Turmkugel vom Spenglermeister Kurt Kremser abgenommen wurde, stellte sich heraus, dass auch diese beschädigt war. Scheinbar hatten während des Zweiten Weltkriegs Bombensplitter die Kugel getroffen und ein Loch hineingerissen. Dieses war so groß dass man ohne Öffnung der Kugel eine darinliegende Metallkassette entnehmen konnte. Obwohl auch diese beschädigt worden war, konnte ihr Inhalt unversehrt geborgen werden, wie die Tiroler Tageszeitung berichtete.

Für die Beteiligten muss dies zweifellos ein einmaliges Erlebnis gewesen sein. Schließlich war die Kugel bei Fertigstellung des Turms im Oktober 1560 aufgesetzt worden und bis zu jenem 29. Jänner 1981 nur ein einziges Mal nachweislich heruntergenommen und geöffnet worden. Und das lag damals schon fast 300 Jahre zurück: Am 22. Dezember 1689 hatte nämlich ein Erdbeben zahlreiche Gebäude der Stadt, darunter auch die Hofkirche, stark beschädigt. Im Zuge der Renovierungsarbeiten war 1690 auch die Kugel abgenommen und geöffnet worden, wie aus dem Kassetteninhalt hervorgeht.

Der Leiter des Stadtarchivs, Franz-Heinz Hye, wurde 1981 ersucht, diesen Inhalt zu untersuchen und hat darüber noch im gleichen Jahr einen detaillierten Bericht in den Tiroler Heimatblättern (56. Jg., 1/1981, S. 44-53) veröffentlicht. Fotografien bzw. Fotokopien des Inhalts sind seither im Stadtarchiv zugänglich.

Bei Fertigstellung der Hofkirche waren nur eine Zinnplatte und ein Pergament in die Kugel gegeben worden, die darüber informieren, dass Kaiser Ferdinand diese im Oktober 1560 hatte aufsetzen lassen (siehe Titelbild). 1689 wurde dagegen deutlich mehr und umfangreiches Material „archiviert“. Darunter befinden sich eine Reihe von Heiligenbildern und angeblichen Reliquien, die wohl, wie Hye formulierte „noch unter der Angst vor neuerlichen Erdbeben gleichsam als ‚immerwährendes Gebet‘ dort deponiert worden sind“. (S. 46)

Dazu kommt eine kleine „zeitgeschichtliche“ Dokumentation inklusive einer Dankadresse des Klosters an den Hofkammer-Präsidenten für die Behebung der Schäden, Informationen zu Verwaltungsbeamten und dem Franziskanerorden, sowie eines lateinischen und eines deutschen Berichts über die Erdbebenschäden. Bei letzterem werden, der herrschenden Ordnung entsprechend, zuerst die Hof- und Verwaltungsgebäude sowie die einzelnen Kirchen, und erst am Schluss – nur summarisch – die übrigen Gebäude genannt.

Bericht von 1690 über die Erdbebenschäden in Innsbruck (Ausschnitt)

Der Inhalt des abgebildeten Abschnitts, der Beginn der Passage über die Beschädigungen an der Hofkirche und am Franziskanerkloster, liest sich wie folgt:

„Die Hof- und h. Creitzkirchen zun P. P. Francißcanern hat es der Kirchen, die von alter zuegespizt aufsteigendt gehabte Seitengewölben dergestalten zusamb schadthafft geschoben, das sye haben abgetragen und von neuen durchgehent geschleidert, gewölbt und außgearbeit worden.

Ingleichen der Gloggenthurn ist wegen ervolgter Paufölligkheit khiberlichen Fleiß biß auf die Tragstain abgetragen dargegen ineinander solchergestalten verschleidert von besten lerchenen Holz auf ein andere Manier aufgesözt, mit 46 Centen geschlagenen Khupfer samt der Khupl-Lutern yberzogen, ain ganz Neuer Khnopf und Creitz, warzue hovhlobliche Hofcamer 80 Specietucaten zu vergulden gegeben, und das ybrig alles aufgefierth.“

Bleibt die Frage, ob 1981 weitere Dokumente in der Turmkugel deponiert wurden und wenn ja welche? Spätestens bei der nächsten Renovierung der Kugel, in 100 oder 200, oder 300 Jahren, werden wir – oder vielmehr unsere Nachfahren – es dann wissen…

(Ph-14732, SammelAkt 1, Nr. 4 (Ausschnitt))

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