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Café Alkoholfrei

Café Alkoholfrei

Im Stadtmuseum können Sie noch bis Anfang nächsten Jahres eine sehenswerte Ausstellung zu Innsbrucks Gasthäusern besuchen. Auch in diesem Beitrag geht es heute um ein Gasthaus, das zwar längst vergessen ist, aber einen interessanten Einblick in die Kulturgeschichte um 1900 gewährt. Es handelt sich dabei um das Café und Restaurant Alkoholfrei.

Das Lokal wurde Ende des Jahres 1901 eröffnet und befand sich in der Museumstraße 16. Besitzer des Gasthauses war Josef Prachensky. Dieser hatte das Lokal nicht aus reinem Geschäftssinn eröffnet, sondern er war ein Verfechter der Abstinenzbewegung und wollte mit dem Gasthaus dieser Bewegung in Innsbruck einen Schub geben. Die Abstinenz- oder Enthaltsamkeitsbewegung war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden und hatte um 1900 in allen europäischen Ländern und besonders in Nordamerika einen gewissen gesellschaftlichen Einfluss erlangt. Die Beweggründe sich dieser Bewegung anzuschließen waren vielfach unterschiedlich und reichten von religiösen bis politischen Motiven. Gemein war den Anhängern aber ein sozialreformerischer Anspruch, das durch übermäßigen Alkoholkonsum ausgelöste Elend, vor allem in den unteren sozialen Schichten, zu bekämpfen. Eine große Rolle bei der Propagierung der Enthaltsamkeitsbewegung spielten Frauen.

Wie der Name des Gasthauses es bereits verrät, wurden in dem Lokal nur alkoholfreie Getränke angeboten, darunter Kaffee, Tee, Kakao und verschiedene Fruchtsäfte. Besonders propagiert wurden die Fruchtsäfte der Nährmittelwerke „Ceres“ des Johann Schicht aus Böhmen. Die im Lokal angebotenen Speisen wurden überdies so wenig „dursterzeugend“ wie möglich zubereitet. Josef Prachensky stellte sein Lokal außerdem regelmäßig für Veranstaltungen zur Verfügung, bei denen über die Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums informiert wurde und gleichzeitig Maßnahmen zur Stärkung der Enthaltsamkeitsbewegung in Innsbruck diskutiert wurden.

(Reklamemarke für Ceres-Apfelsaft, der auch im Café Alkoholfrei angeboten wurde. Stadtarchiv/Stadtmuseum Sommer-27)

Bereits im November des Jahres 1902 wurde das Café umbenannt und trug in der Folge den Namen „Reform“. Prachensky spielte damit wohl auf die Lebensreformbewegung an, die zahlreiche Überschneidungen zur Abstinenzbewegung besaß, aber eine ganzheitlichere Perspektive besaß und eine naturnahe Lebensweise mit ökologischer Landwirtschaft, vegetarischer Ernährung, neuen Kleidungsformen und einen Verzicht auf Alkohol und Tabak propagierte. Allerdings konnte auch diese Namensänderung den bis dahin nur bescheidenen Erfolg des Cafés nicht vergrößern. Schon im folgenden Jahr musste Prachensky Konkurs anmelden und das erste alkoholfreie Lokal Innsbrucks war bereits nach etwas mehr als einem Jahr wieder Geschichte. Prachensky war in der Folge als Redakteur für unterschiedliche Zeitungen in Innsbruck tätig und starb im Jahre 1931.

(Inserat des Café Alkoholfrei, Innsbrucker Nachrichten, 11. April 1902, S. 11.)

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Ein interessantes Detail zur Namensänderung:

    Die Namensänderung von „Alkoholfrei“ auf „Reform“ erfolgte offenkundig deshalb, weil Herr Prachensky ab dann auch Alkohol ausschenkte, wohl um die Wirtschaftlichkeit seines Lokals zu verbessern.

    In den Innsbrucker Nachrichten von 1902 ist dieser Sinneswandel in einem spannenden Inserat dokumentiert:
    Café und Restauration „Reform“
    früher „Alkoholfrei“
    Vorzügliches helles Bier aus dem bürgerlichen Brauhause,
    Münchner und Pilsner Flaschenbier
    Ausgezeichnete Südtiroler Weine
    Gassenschank aller alkoholfreien warmen und kalten Getränke

    https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19021125&query=%22alkoholfrei%22&ref=anno-search&seite=15

  2. Vielen Dank für den Hinweis, zumal ich keine weiteren Quellen zu dem Café und nur einige verstreute Hinweise zu Prachensky gefunden habe, muss die Frage, welche Idee hinter dem Namenswechsel stand, letztlich wohl offen bleiben. Ich denke unsere beiden Vermutungen haben ihre Berechtigung.

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