skip to Main Content
#bilderschauen --- #geschichtenlesen --- #gernauchwiederimarchiv
Der Pionier Vom Arlberg

Der Pionier vom Arlberg

Wenn Sie unsere Ausstellung zur Innsbrucker Feuerwehrgeschichte besucht haben, dann  haben Sie sicher den ein oder anderen Pionier entdeckt und mit Neugier über sein Leben und Wirken gelesen. Mit Pionierinnen und Pionieren der Geschichte, ersteres wird in der Geschichtsschreibung gerne ausgelassen, assoziieren wir überwiegend Positives. Nicht selten werden sie bereits zu Lebzeiten geschätzt. Heute möchte ich Ihnen allerdings einen Pionier vorstellen, dessen Arbeit zunächst geschätzt und anschließend mit Füßen getreten wurde. Die Rede ist von Rudolf Gomperz, dem Tourismuspionier vom Arlberg.

Rudolf Gomperz wurde 1878 in Wien geboren, seine Familie zählte damals zur Spitze der jüdischen Gesellschaft. Dieses wohlbetuchte Umfeld erlaubte Rudolf eine dementsprechende Karrierelaufbahn. Er studierte an der Hochschule zu Berlin-Charlottenburg Bauingenieurwesen und bereits als Student warb er für die Schönheit der Berge und war die Auskunftsperson für Alpenwanderungen. Nach seinem Studium wirkte er am Bau der Bagdadbahn mit, dort erkrankte er allerdings an Malaria. Zur Erholung wurde er ins Gebirge geschickt, genauer gesagt nach St. Anton am Arlberg. Er fand schnell Gefallen an dem Ort, weshalb er beschloss dauerhaft dort zu verweilen. 1907 heiratete Gomperz seine erste Frau Clara Susanna Westphal und wohnte mit ihr zunächst für einige Zeit in Innsbruck, München oder Salzburg, je nachdem, wo Gomperz gerade gebraucht wurde. Mit seinem Vermögen hatte er die Möglichkeit sich an einem kleinen industriellen Unternehmen zu beteiligen, allerdings war Rudolf Gomperz der eigene geschäftliche Erfolg nicht so wichtig. Vielmehr setzte er sich dafür ein, wofür er heute bekannt ist: Den Aufbau St. Antons als Fremdenverkehrsort. Gomperz war auch im Skisport tätig, 1910 wurde er vom ÖSV zum Ehrenmitglied ernannt. Während des Ersten Weltkrieges war Gomperz als Landsturmingenieur tätig. Als Leiter der Skiwerkstätte in Salzburg hatte er die Aufgabe sowohl das deutsche als auch das österreichische Heer mit Alpinausrüstung auszustatten, was sogar die Entwicklung der Alpinausrüstung allgemein vorangetrieben hatte.

Nach dem Krieg verlor Rudolf Gomperz den Rest seines Vermögens durch die Inflation. Im Jahr 1925 half er einem Freund in Innsbruck  beim Aufbau eines Sportgeschäfts, gleichzeitig ließ er sich von seiner ersten Frau scheiden und ging seine zweite Ehe ein. In den 20er-Jahren arbeitete er weiterhin aktiv daran St. Anton als Tourismusort auszubauen, unter anderem setze er sich dafür ein, dass die Galzigseilbahn errichtet wird. Diese Idee hatte jedoch nicht viele Anhänger, da das Finanzchaos, das mit der Errichtung der Patscherkofelbahn einherging, noch in den Köpfen verankert war (mehr dazu könnt ihr übrigens im Band 16 von Zeit-Raum-Innsbruck nachlesen *Werbung Ende*).

Das Jahr 1933 brachte auch für Rudolf Gomperz einschneidende Veränderungen mit sich, er musste direkt nach der Machtübernahme Hitlers aus dem Deutschen Skiverband ausscheiden, obwohl er dort größte Wertschätzung erfahren hatte. Die ganze Familie Gomperz war in St. Anton sehr beliebt und jedes Mitglied galt als „einheimisch“. Nur eine Nachbarin, die zugleich auch eine illegale Kämpferin für den Nationalsozialismus war, wollte gegen Gomperz vorgehen und ließ ihren Anfeindungen freien Lauf. Als 1937 die Galzigbahn überraschend gebaut wurde, hielt sich Gomperz im Hintergrund auf, gleich nach dem „Anschluss“ wurde er von seinem Posten als Leiter des Verkehrsbüros enthoben und er durfte auch kein neues Arbeitsverhältnis mehr eingehen. Die Familie Gomperz musste von ihren Ersparnissen leben, die bald erschöpft waren. Die Mehrheit der in Tirol lebenden Juden war 1938/39 bereits geflüchtet oder nach Wien zwangsumgesiedelt worden. Im Fall von Rudolf Gomperz, der mittlerweile als „offiziell“ kinderlos galt und eine „nichtprivilegierte Mischehe“ mit einer „Arierin“ führte, verzögerte sich die Umsiedlung bis ins Jahr 1942. Am 24.Mai 1942 erhielt Frau Gomperz die letzte Nachricht von ihrem Mann aus Wien, zwei Tage zuvor verließ der „22.Judentransport“ mit 986 Personen die Stadt Richtung Osten nach Minsk. Nur eine einzige Person überlebte die Deportation, die Deportierten wurden  im Normalfall unmittelbar nach ihrer Ankunft erschossen. Frau Gomperz meinte nach dem Krieg zu einem Freund der Gomperz-Söhne, dass sie die allerletzte Nachricht von ihrem Mann aus Minsk erhalten hatte. Seitdem hatte sie weder von ihrem Mann noch von Dritten etwas über dessen Verbleib gehört. Frau Gomperz starb im Winter 1948, der jüngere Sohn Hans fiel in Frankreich. 1995 wurde für Rudolf Gomperz ein Denkmal in St. Anton enthüllt.

Ich konnte hier nur eine stark gekürzte Biografie von Rudolf Gomperz wiedergeben. Es ist jedoch noch nicht alles gesagt, was es über diesen Mann sowie dessen Familie zu wissen gibt. Wer sich also noch mehr mit der Familie Gomperz befassen will, dem kann ich den Text „Fremdenverkehrspionier am Arlberg: Das Schicksal des Rudolf Gomperz“ von Hans Thöni empfehlen, der auch die Hauptquelle für meinen Beitrag war.

(Verena Kaiser)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
×Close search
Suche