Die ehemalige Heiliggrab- oder Siebenkapellenkirche
Der Vorgängerbau: In den Jahren 1583 bis 1584 ließ Erzherzog Ferdinand II. auf Betreiben seiner zweiten Frau Anna Caterina Gonzaga einen Vorgängerbau der späteren Heiliggrabkirche errichten. Die Kirche bestand aus einem Hauptbau, der der Heiliggrabkirche in Jerusalem nachempfunden war. Sie enthielt ein sogenanntes Heiliges Grab. Ausgehend vom heutigen Kapuzinerkloster führte ein Weg mit sieben kleinen Kapellen zu dieser Heiliggrabkirche, die 1584 durch den Brixner Weihbischof Johann Nas geweiht wurde. Die Besonderheit der Kirche war, dass sie zu einer unmittelbaren landesfürstlichen Stiftung erklärt wurde und deshalb von jeglicher bischöflichen Gerichtsbarkeit befreit war. 1638 übergab Erzherzogin Claudia von Medici die Verwaltung der Heiliggrabkirche, die sich zu einem beliebten Wallfahrtsort entwickelt hatte, an die Hofkammer. Die Seelsorge übernahm das nicht weit entfernte Kapuzinerkloster. Die Kirche mit den sieben Kapellen wurde durch das schwere Erdbeben am 17. Juli 1670 schwer beschädigt. Aber auch davor hatte das eine oder andere Hochwasser dem Bauwerk so schwer zugesetzt, so dass es um 1671 herum zusammengestürzt sein soll und die Reste in Folge abgetragen wurden. Leider sind keine Baupläne mehr vorhanden und auch Reste der Bausubstanz wurden meines Wissens bisher nicht gefunden. Es gibt nur einige Beschreibungen, die von einer „Kapelle aus Mauerwerk mit einem hölzernen Vorhaus“ berichten. Auch soll es einen Turm mit zwei Glöckchen gegeben haben.
Der Nachfolgebau: 1677 erfolgte die Grundsteinlegung für eine neue Heiliggrabkirche. Sie wurde nicht mehr an der ursprünglichen Stelle, sondern einige hundert Meter Luftlinie nordwestlich davon – in sicherer Entfernung zur Sill – gebaut. Die Weihe der Kirche erfolgte im Jahr 1678 durch den Brixner Weihbischof Paulinus Mayr. Neben Johann Baptist Hofingott wird auch Martin Gumpp der Ältere von den meisten Autoren als Mitwirkender am Bau der Heiliggrabkirche genannt. Das als Titelbild verwendete Aquarell von Josef Strickner aus dem Jahr 1801 ist die älteste erhaltene Darstellung, die die Heiliggrabkirche in ihrem „Originalzustand“ zeigt. Der folgende Plan zeigt den trapezförmigen Grundriss der Kirche mit jeweils drei Seitenkapellen auf jeder Längsseite. Im Turm befand sich außerdem noch eine siebte Kapelle, die Chorkapelle. Am Weg vom Kapuzinerkloster zur Heiliggrabkirche wurden sieben neue Kapellen mit offenen Außennischen errichtet.
Die Heiliggrabkirche wurde im Zuge der Josephinischen Reformen 1785 geschlossen und am 1. März 1786 entweiht. Die ehemalige Kirche wurde dann nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen 1792 versteigert. Den Zuschlag erhielt der Geschäftsmann und Altbürgermeister Baptist Oberkofler, der diesen Besitz aber bald wieder aufgeben musste. Ab 1793 wurde das Gebäude als Militärmagazin verwendet, nach dem Zweiten Weltkrieg diente es als Lager für die Post- und Telegraphendirektion Innsbruck. Im Laufe der Zeit kam es zu größeren baulichen Veränderungen an den Fassaden und im Gebäudeinneren. So wurde zum Beispiel eine Zwischendecke eingezogen, um mehr Lagerfläche zu erhalten. Das folgende Bild zeigt den Innenraum der ehemaligen Kirche, der mit zahlreichen Gerätschaften und Kisten vollgestellt ist. Neben den Fenstern sind noch Reste der Stuckatur zu erkennen.
Seit 1920 gab es Bestrebungen die ehemalige Kirche wieder ihrem ursprünglichen Zweck als Gotteshaus zuzuführen. Dies gelang bis heute aber ebenso wenig wie die Verwirklichung zahlreicher weiterer Nutzungsvorschläge.
(Stadtarchiv Innsbruck, Bi-k-321, Ph-10685, Ph-1124)
Dass die erste Kirche nicht an der selben Stelle stand, wußte ich gar nicht. Ebenso neu sind mir die ursprünglich externen 7 Kapellen. Gibt es dazu Näheres?
Profanes Erzählen: Zur Zeit meiner Fahrprüfung im Jahr ’66 mußte die ehemalige Kirche für ein wahres experimentum crucis herhalten. Häufiger, wenn nicht fester Bestandteil der praktischen Prüfung war das Einparken in der ersten Nische der ehemaligen Kirche, die von zwei der hervorstehenden Kapellenmauern gebildet wurden. Man muß bedenken, daß die Fahrerseite dabei an der Gebäudeseite lag und alles auswendig gelernte Rückwärtseinparken eine andere Geometrie bekam. Gemein, gell?
Eine spätere Erinnerung gilt der vorübergehenden Verwendung als Ausstellungsort und Kunstwerkstatt. Damals habe ich das Gebäude zum erstenmal von innen gesehen.
In den Innsbrucker Nachrichten von 1922 findet sich ein Aufsatz „Die Siebenkapellenkirche in der Kohlstatt“. Der Aufsatz stammt aus der Feder des Kunsthistorikers Heinrich Hammer:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19220310&query=%22siebenkapellenkirche%22&ref=anno-search&seite=3
In den freistehenden sieben Kapellen wurden demnach folgende Szenen aus dem Leben des Heilands dargestellt:
der blutschwitzende Heiland,
der Backenstreich,
die Geißelung,
die Krönung,
Christus vor Pilatus,
die Kreuztragung
und die Kreuzigung.
Also ein auf die Hälfte abgespeckter Kreuzweg. Oder waren es, als die erste Kirche ja weiter draußen an der Sill gelegen ist, ursprünglich alle 14 Stationen (Frage ans Archiv) ?
Wieder einmal danke für das Ausgraben alter Zeitungsartikel!
Genau dieses Einpark-Schicksal hat auch meine Mutter in diesen Jahren mit Ihnen geteilt, Herr Hirsch!
Nicht nur, dass meine Mutter immer davon erzählt hat, wenn wir nur in die Nähe dieser Kirche kamen, – auch mein Blick streift immer diese Stelle …
Aber dank dem Stadtarchiv wird mir künfig mehr zur Kirche einfallen!
Auf dem Stadtplan des Franz Hieronymus Rindler von 1712 sieht man interessanterweise auch eine bildliche Darstellung der Heiliggrabkirche mit den sieben Kapellen.
Entlang des Weges vom Kapuzinerkloster zur Heiliggrabkirche sind mehrere Kapellen mit offenen Außennischen eingezeichnet:
https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=SonstigeKarten_Plaene_nicht_georef&scale=18055.9909335062¢erx=1269329.6654125254¢ery=5986319.058610756¢erspatial=102100&map=2791
Das war ja wirklich gemein von Ihrem Fahrlehrer, Herr Hirsch! Hätte ich davon früher erfahren, wäre das sicher in die Betrachtungen über die div. Zweckentfremdungen des Objektes meiner Diplomarbeit eingeflossen 😉
Ernsthaft: Ich finde es wirklich schade, dass es im Laufe der vielen Jahre nicht gelungen ist, diesem speziellen Gebäude eine ganz besondere Bestimmung zukommen zu lassen. Umso mehr freut mich die Tatsache, dass es der Plattform „Innsbruck erinnert sich“ eine Erwähnung wert ist.
In der Siebenkapellenkirche befand sich ein Votivgemälde des Heiligen Alexius. Nach der Säkularisierung der Siebenkapellenkirche wurde dies in die nahegelegene Dreiheiligenkirche übertragen, welche zu Ehren der „Pestheiligen“ Pirmin, Rochus und Sebastian errichtet worden war. Alexius wurde damit zum vierten Kirchenpatron. Aus diesem Grund sind in dem 1900 geschaffenen Fassadenmosaik an der Dreiheiligenkirche vier Heilige abgebildet, nämlich neben den „ursprünglichen“ drei Heiligen auch Alexius.
https://gis.tirol.gv.at/kunstkatasterpdf/pdf/115905.pdf
Schade um diese einmalige architektonische Kostbarkeit, die wohl aussen notdürftig renoviert wurde, aber innen dem Verfall preisgegeben ist, ebenso vergammelt das ganze Gelände mit diversen Gebäuden ringsherum! Eine Schande!!
Zu filmischen Ehren gekommen ist das marode Innere der ehem. Kirche im Jahr 2015 bei den Dreharbeiten für „der Metzger muss nachsitzen“ als Atelier des Restaurators Metzger, gespielt von Robert Palfrader.