8 Monate anno 1902 (47)
Heute gibt es viel Bekanntes: Wie letzte Woche einen Spaziergang nach Friedberg. nach langem wieder ein Wiedersehen mit dem Mandolinlehrer Fabiani. Für Marie Kindheitserinnerungen. Eine davon kann ich mit ihr teilen: „Neunerln“ mit Großmutter und Großtante. Ewig ist es her und nur mehr eine ganz vage Erinnerung. Wenn ich mir diese Spielregeln ansehe, dann frischt das nichts auf, im Gegenteil. Ich frage mich, gibt es vielleicht unterschiedliche Arten des Neunerlns?
8. Sept. 1902, Fest Maria Geburt.
Wieder schönes Wetter, wieder gieng ich zum Gottesdienst; wieder giengen wir nachmittags nach Friedberg. Als wir zum Gatter hinaus wollten, kam aber Herr Fabiani, den wir dann mitnahmen. Auch Madeleine war bei uns, ich hatte den Kodak mit. Wir machten die gleiche Route wie gestern, von Friedberg aber bogen wir nach Raffelstein ein, dessen herrliche, wildromantische Einsamkeit so wundervoll ist. Ich muss mich immer erinnern, wie ich schon als kleines, kleines Mädchen noch mit den l. Großeltern hier gieng, wie wir beim halbrunden Plateau, wo die frische Quelle im Brunnen niederrieselt, neunerten, wie ich mich damals fürchtete, über die steilen Stufen zu gehen u. dgl. Auch dem Bach entlang überbietet ein idyllisches Plätzchen das andere. Oberhalb des Dorfes Volders machten wir „Kehrtum“ u. eilten heim; Madleleine [sic!] gieng gleich nach Hall, Herr Fabiani erst später, nachdem wir noch einige Mandolinestückchen herabgeleiert hatten.
9. Sept. 1902, Dienstag. Am Samstag nachmittags war der l. Papa mit Josefine hier; wir unterhielten uns sehr gut. Das Wetter aber war stürmisch, beim Heimgehen goss es. Jetzt aber ist wieder schönes Wetter.
12. Sept. [1902] Freitag. Nachmittags kam Hr. Fabiani zur Mandolinestunde u. fuhr abends heim nach Innsbruck.
10. Sept. [1902] Mitwoch. Abends war ein furchtbares Gewitter, doch mehr auf der Nordseite. Ein Blitz folgte dem andern, fast an allen Dörfern bei Hall wurde „Wetter geläutet“, denn es drohte, ja es that es bereits, zu hageln. Madeleine musste infolgedessen bei uns herüben übernachten. In Kolsass erschlug es unter der Haustüre des Gasthauses einen Viehändler [sic!]; er war todt.
11. Sept. [1902] Donnerstag. Nachmittags fuhren l. Tante Anna u. ich nach Innsbruck per Tramway; oben bekam ich wundernetten Stoff zu einer blassblauen Reiseblouse. Auch sonst gab es viel zu besorgen. Um ½ 5h fuhren wir in unserer Equipage mit „Liesl“ nach Hall. Anfangs war es wirklich riesig angenehm; schönes Wetter, guter Humor, elegantes Fahrzeug, alles, alles passte. Doch wie urplötzlich begannen am westlichen Horizont dunkle Wolkenschübe aufzusteigen, geschreckt vom gestrigen Gewitter, begannen wir auch für heute zu fürchten. Immer drohender wurden die Berge bedeckt, u. dieser Gedanke an das Heimkommen des Josef mit dem Pferd und Wagen verbitterte uns die ganze Fahrt.
In Hall stiegen wir bei der Brücke aus, l. Onkel Nicolaus war uns entgegengekommen, beim Ploner stellten wir den Korb ein, begegneten den l. Geschwistern u. Mama ließen Josef dann heimfahren, während wir zufuß nach Andlklaus wanderten.
Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling)
Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Slg. Günter Sommer, Bd. 4, Nr. 9 (Schloss Friedberg auf einer Ansichtskarte um 1900-1907).
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Könnte es sein, dass hier mit „neunern“ das Jausnen gemeint war? Eigentlich verwendet man dieses Wort für eine Jause am Vormittag, so um 9 Uhr herum eben, aber vielleicht war es generell für eine Jause intrafamiliärer Sprachgebrauch. Nach freien Spielregeln ;-). Aber es ist richtig, Neunerln ist auch ein Kartenspiel, aber weiß auch nimmer, wie man das spielt.
Damit ist das Tagebuch in der Zielgeraden! Bis Oktober 1902 ist es jetzt nicht mehr lang…
Neunern heißt jausnen und ist kein Kartenspiel…
Den Begriff „Neunern“ als vormittäglicher Snack gibt es auch im alemannischen Sprachraum als „Znüni“.
Auf Wikipedia heißt es:
„Znüni wird in der Deutschschweiz, Vorarlberg und im alemannisch-süddeutschen Sprachraum die morgendliche Zwischenmahlzeit sowie das zu diesem Zeitpunkt eingenommene Pausenbrot genannt. Die Bezeichnung bedeutet wörtlich „zu neun Uhr“ und ist von der Zahl Neun (im Alemannischen: nüün) abgeleitet, da die Pause meistens gegen (zu) neun Uhr gemacht wird. Analog dazu ist das Zvieri von der Vier abgeleitet. Die Bezeichnung Znüni wird aber auch dann verwendet, wenn die Pause zu einer anderen Zeit gemacht wird, beispielsweise erst um zehn Uhr.“
Ach meine lieben Herren! Danke für die Hibweise. Da war mein Geist offensichtlich zum Ende der Woche hin schon zu müde. Ich habe mich noch kurz gewundert, dass es etwas speziell ist, Karten zu einem Spaziergang mitzunehmen, aber die richtigen Schlüsse daraus habe ich nicht mehr gezogen.