8 Monate anno 1902 (37)
Mein stilles Flehen wurde erhöht, heute gibt es einen Kurzausflug in die Stadt. Samt drei potenziellen Kapiteln für die Serie „Fast Vergessene Festtage“. Herausgreifen möchte ich aber nur den ersten, das Liguori-Fest, da es zum heutigen Titelbild passt: Der 1. August ist der Sterbetag von Alfons Maria von Liguori (1696-1787), dem Ordensgründer der Redemptoristinnen (1731) und Redemptoristen (1732). Zur Zeit von Maries Eintrag war die Herz-Jesu-Kirche übrigens gerade erst einmal vier Jahre alt.
Und der erste Eintrag von heute beweist nun endgültig, was wir seit der Folge 10 vermuteten und seit Folge 13 eigentlich wussten: Dass es sich bei Herrn Wollek um Ignaz Wollek handelt. Was mich daran erinnert, dass ich mich wieder öfters auf die Spurensuche nach den im Tagebuch erwähnten Personen begeben sollte. Ein Zeitvertreib für die nächsten Andlklaus- und Wetterburg-Tage? 🙂
31. Juli [1902], Donnerstag. Wundervolles, warmes Wetter; mir kommt alles so schön vor herunten; das Auge ist ihn nicht mehr gewöhnt den grünen Schmelz der Wiesen, den bläulich dahineilenden Inn. Im Garten blüht‘s gleich einem Märchenheim; nahe sind die Häuser des alten Hall: kurzum, alles ist verändert, viel zierlicher u. greller.
Nachmittags fuhren wir per Zug nach Innsbruck, wo dann Hr. Maurer kam. Wir blieben oben über Nacht. Heute ist der Namenstag des Herrn Ignaz Wollek, dem wir am 28. l. M. schrieben.
1. August 1902, Freitag. Wir verbrachten den ganzen Tag in Innsbruck unter allerlei Geschäften. Morgens regnete es ein wenig, nachmittags detto gewitterartig. Ich bekam von der lieben Tante Anna eine wunderschöne weiße Seidenblouse, welche bei Frl. Ghedina gekauft wurde; selbe freut mich sehr. Abends kam Herr Maurer, später Herr Carl Jenewein!
2. August [1902], Samstag. Um ½ 7h wohnte ich in der Servitenkirche der hl. Messe bei, da heuer das Liguori-Fest in der hiesigen Hez-Jesukirche [sic!] erst morgen gefeiert wird. Leider fiel es mir erst heute ein, dass es praktischer wäre, mich heute früh in der Servitenkirche schon den hl. Sakramenten anlässlich der Gewinnung des Portiuncola-Ablasses [sic!] zu nähern. Es wäre leicht Platz gewesen. – Um ¾ 10h fuhren wir mit großer Zugsverspätung nach Hall; sehr heiß. Nachmittags giengen l. Tante Anna u. ich wieder von Andlklaus nach Hall zur hl. Beicht. Dann machte ich einen Sprung zu den l. Großtanten, u. brachte ihnen noch 2 Fotografien.
3. August 1902, Portiuncola-Fest. Strömender Regen, als wir um 6 ¼h nach Hall giengen; dort nahten wir uns in der Pfarrkirche dem Tische des Herrn. Nach ½ 8h gieng ich zu l. Frau Mutter frühstücken; beim Fortgehen traf ich an der Gartenthür mit l. Tante Anna wieder zusammen, welche ebenfalls außen Kaffee trank. Nun wohnte ich dem Pfarrgottesdienst bei u. gieng dann in die Franciscanerkirche, um einigemal den heutigen Ablass zu gewinnen. Dort sah ich u. A. die liebe Mama, Josefine u. Frieda u. Albertl, Onkel Franz sammt Gattin etc. Um 10 ½h langte auch ich im Volderwald an; es hat aufgehört zu regnen. Nachmittags wurde zum morgigen Wetterburger-Aufstieg eingepackt; abends vor Tisch kam l. Frau Mutter u. Jörgl, nacher Madeleine u. Pohl Anton. Leider fühlte sich der l. Onkel Nicolaus abends nicht ganz wohl u. legte sich infolgedessen frühzeitig zu Bett.
4. August [1902], Montag, II. Hüttenaufstieg. Gott sei Dank, gieng‘s dem l. Onkel Nicolaus heute wieder gut, dennoch wurde der Aufstieg von 4h auf 7h verlegt; nur Pohl Anton gieng mit Sturm Louis u. dem Muli um 6 ¼h fort. Unser Aufstieg hatte diesmal einen sehr gemüthlichen Charakter; von den Villen des Volderwaldes sah man aus den Rauchfängen blaue Wölkchen steigen, während sonst bei unserm Aufstieg immer alles in größter Ruhe ist. Beim „Kreuzhäusl“ wurde gemauert, überall regte sich‘s. Trüb u. neblig schien das Firmament, die Berge waren bedeckt. Als wir jedoch gegen Tulfes kamen, fieng‘s sich an zu lichten, u. wie eine ferne Fata morgana erschienen die blendend grauen Zacken der Kalkalpen oberhalb des sich in Duft auflösenden Nebels. Ein herrlich schöner Anblick! – Unvermutet schnell, um 10 ½h, trafen wir auf der Wetterburg ein, wo alles in Ordnung ist. Ein idealer Tag ist nun aus dem Nebel erstanden; wir können Dich bewundern, Bergnatur, in deiner Schöne, u. vergleichen mit dem Thal!
5. August [1902], Dienstag. Schönes Wetter. Fest Maria Schnee.
Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling)
Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, KR-PL-442. Ein kurzer Einblick in die Geschichte der Herz-Jesu-Kirche siehe Teil I und Teil 2).
Hier geht es: Zum nächsten Eintrag (falls schon vorhanden), zum vorhergehenden Eintrag und zurück an den Beginn des Tagebuchs.
Jetzt plagt mich aber der Wunderfitz.
Zunächst einmal sehe ich zum ersten Mal, oder zumindest zum ersten Mal bewußt die noch offene Baulücke gegenüber der Kirche, eine Insel der Romantik mit gnadenlosem Ablaufdatum zwischen Baumeisterprotz und Kirchenfestung. Wie gerne würd‘ ich dort um die Ecke sehen können.
Zum Anderen wage ich mich jetzt zu blamieren, aber es sieht wirklich so aus: Sieht man an der noch nicht existenten Hauptpost vorbei das Gasthaus Krone und die Triumphpforte mit ihrem barocken Gezwirbel obenauf? Und ist die Maximilianstraße auch als Grenzstraße dort schon eine Stadtstraße oder noch recht urtümlich?
Berührend ist auch der mit dem Umfang des Klostergebäudes krass dokumentierte Zeitenwandel. Welch ein Bau für wie viele Ordensbrüder! Auch wenn darunter auch etliche Theologiestudenten gewesen sein werden, später wurde sogar noch aufgestockt. Und jetzt wird das Interesse, ein Klosterleben zu führen, derart als Absurdum empfunden, daß die letzten paar älteren Redemptoristen ihr Kloster aufgaben und die Kirche an die serbisch-orthodoxe Glaubensgemeinschaft verschenkten.
Um zum eigentlichen Thema, dem Tagebuch, zu kommen: Es würde mich noch immer die genaue Lage von Andlklaus interessieren. Es gibt zwar im Tagebucheintrag Nr. 15 eine Hausnummer 13, die will aber so gar nicht zu dem dortigen schlichten Bürgerhäuschen passen. Auch (schon wieder) am Luftbild 1940 nicht, dort noch eher zum Haus der nächsten Adresse. Oder abgerissen und neu gebaut. Was die Wetterburg war, ist auch noch ein Rätsel, oder habe ich nicht genau genug gelesen?
Lieber Herr Hirsch, Was die Deutung des Ausblicks betrifft, würde ich Ihnen eigentlich völlig recht geben. Und zu Andlklaus: ich habe Ihren Kommentar nun zum Anlass genommen, noch einmal in der Masterarbeit von Katharina Banzer zu den Tagebüchern nachzuschlagen. Tatsächlich handelt es sich um einen Tippfehler meinerseits. Die heutige Adresse ist dort als Haller Innbrücke 16 angegeben. Würde das passen? Und stimmt, die Wetterburg ist auch noch ein Rätsel…
Im Beitrag vom 19. 12. 2021 wird erwähnt, dass die „Wetterburg“ auch Poschhütte genannt und 1894/95 von Nikolaus Posch auf 1650m am Tulferberg errichtet wurde.
Es gibt sie noch (privat) und sie heißt auch noch immer Poschhütte, wie diesem Wandervorschlag vom 24. 6. 2019 zu entnehmen ist https://voldertal.at/2019/06/24/wanderung-uber-die-stalsinsalm/
In der Nähe der Hütte befindet sich heute eine Pumpstation für die Beschneiungsanlagen des Glungezer Schigebietes.
Die Straßenbezeichnung „Haller Innbrücke“ ist eine ziemlich verzweigte Angelegenheit. Die Hausnummer 16 befindet sich bald nach dem Übergang von „Zimmertal“ zu „Haller Innbrücke“ an einer Weggabelung.
Liebe Frau Stolz! Verspätet herzlichen Dank für die Aufklärung und den Link zum Voldertal. Da bekomme ich ja richtig Lust, einmal auf den Spuren von Marie wandern zu gehen!
Das ist ein Gegenschuss zu diesem Bild:
https://innsbruck-erinnert.at/die-schmerlinger-alm/
Vielen Dank für die tolle Aufnahme.
Bin im Haus Maximilianstraße 6 (nach der Kirche) aufgewachsen, meine Familie mütterlicherseits wohnt nach wie vor dort.
Eine Frage an die Herren die hier sonst so rege kommentieren: Wie findet man raus, bis wann das Zwiebeltürmchen existierte? Mittlerweile wurde der Dachboden hier vollständig ausgebaut, der Turm war jedoch schon lange davor nicht mehr da.
Eine spannende Frage, das genaue Jahr wird wohl am Bauamt im Bauakt des Hauses dokumentiert sein. Anhand von Vergleichsbildern kann man den Zeitraum auch ohne den Bauakt etwas eingrenzen. Der prächtige Zwiebelturm des Hauses war interessanterweise bereits Ende der 60er-Jahre nicht mehr vorhanden, wie dieses Foto von 1969 belegt:
https://innsbruck-erinnert.at/gewissensfrage/
Ich bin zwar nicht primär angesprochen, aber meine Antwort wäre ähnlich wie es Herr Auer schon angesprochen hat: zuerst historische Bilder von der Maximilianstraße recherchieren (auf innsbruck-erinnert, online, bei uns im Stadtarchiv) und so den Zeitraum eingrenzen. Eine Möglichkeit wäre z.B., dass das Haus während des Zweiten Weltkriegs einen Bombentreffer erhalten hat und verändert wieder aufgebaut wurde. Wenn Sie Eigentümer der Wohnung sind, haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, eine Anfrage beim Bauamt zu stellen, ob dort etwas dokumentiert ist.
Zunächst danke Herrn Bürgschwentner für die Korrektur der Adresse von Andlklaus auf Nr. 16 und Frau Stolz für den Hinweis und die Lokalisierung der Wetterburg vulgo Poschhütte.
Zum Zwiebeltürmchen kann man sich die Augen ruinieren und die Luftbilder ab 1946 untersuchen. Bei aller Unschärfe bei starker Vergrößerung glaube ich das Türmchen sicher noch 1953 sehen zu können, 1958 eher immer noch, 1968 scheint es nur mehr einen flachen „Deckel“ gegeben zu haben. Leider sind die Jahreslücken der online-Luftbilder des Landes sehr groß.
Als Grund für die ABtragung könnte man das Schicksal des Uhrtürmchens am Ambraser Hochschloß annehmen, das mußte wegen Einsturzgefahr der vermoderten Holzkonstruktion abgerissen werden. Die Bomben hat es jedenfalls noch überlebt.
Das Haus ist mir außerdem wegen des legendären Schirmgeschäfts Völkl wohl ewig in Erinnerung.
Vielen Dank an alle, die zu meiner Frage beigetragen haben. Ich werde bei meinem nächsten Besuch meine Großtante (geb. Völk) fragen, ob Sie das noch genau weiß. Das von Hr. Hirsch erwähnte Schirmgeschäft gibt es ja nunmehr seit einigen Jahren nicht mehr, die Beschilderung hängt aber unverändert an Ort und Stelle.