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8 Monate Anno 1902 (15)

8 Monate anno 1902 (15)

Nachdem sich Anfang April zum Teil „nichts besonderes“ ereignete und wir uns nur fragen können, wie Marie diese Tage verbrachte, erzählt sie anschließend von ihrem Ausflug nach Andlklaus. Dabei handelte es sich um das vormalige „Hackbrettgütl“ im Volderwald (Gemeinde Ampass), das Nikolaus Posch erworben und 1895 zur Villa umgebaut hatte. In diesem Landhaus, das heute die Adresse Haller Innbrücke 16 trägt, kam übrigens 11 Jahre später, am 28. Juli 1913, Maries Sohn Nikolaus Grass zur Welt.

Unweigerlich fragt man sich bei der Beschreibung: Käme heute noch jemand auf die Idee, von Innsbruck nach Ampass zu wandern? Damals war es offensichtlich noch eine wunderbare Wanderung. Auf dem Weg lag unter anderem die Amraser Au, die Rudolf Vetter von der Lilie ein paar Jahre später gekonnt in Szene setzte. Ob sich wohl die Wege der patrizischen Grass-Cornets und der adeligen Vetters in der Natur oder im gesellschaftlichen Leben kreuzten?

Was die junge Dame und der fast pensionierte Herr teilten, war offenbar eine Begeisterung für die Fotografie. Und angesichts des Schicksals der Vetterschen Aufnahmen, kann man sich fragen: Ob wohl Maries Fotos und Postkarten noch irgendwo unidentifiziert und unerkannt schlummern?

Anm. 15.3.2022: Ursprünglich stand hier zu lesen, dass Andlklaus heute die Adresse Haller Innbrücke 13 trägt. Dies war ein Tippfehler und wurde nun berichtigt.

7. April. Nichts Besonderes.

8. Heute ist Papa’s Namenstag.

9. Heute war ein herrlicher Tag; wir giengen zu den Sillhöfen, um „Hohlersprossen“ zum Thee zu sammeln. Ich nahm meinen Kodak mit u. nahm den Sillfall auf. Da wir morgen nach Andlklaus gehen wollen, schrieb ich an Martha u. schickte ihr ihre Fotografie. Doch um ¾ 5 Uhr erschien sie selbst, uns einen neuen Hut zeigend, fuhr aber um 5 ¼ Uhr bereits heimwärts.

10. April, Donnerstag. Das Wetter war heute zu windig, um nach Andlklaus zu gehen; wir nähten an der rothen Blouse.

11. April, Freitag. Heute abends als ich vom Fotographen heimkam, erfuhr ich, dass Josefine hier gewesen sei u. mir mein Namenstag-Geschenk gebracht habe. Selbes besteht aus einer ovalen Broche aus Türkisen. Josefine sagte, sie werde mich beim heutigen Konzert doch sehen. Wir wussten nichts hievon, weshalb ich zu Hauck’s giengs [sic!], welche ebenfalls nichts von einem Konzert wußten. –

12. April, Samstag. Sehr schönes Wetter, weshalb wir beschlossen, mit Herr u. Frau Wollek den projectierten Ausflug nach Andlklaus zu machen. Zu unserm Staunen kam vormittags die liebe Frau Mutter herauf, u. lud uns ein, nachmittags hinunter zu kommen. Wir machten um ½ 12 Uhr Mittag, u. um ½ 1 Uhr machte sich alles auf den Weg. Wir giengen über die Sillbrücke und schlugen dann den Feldweg nach Amras ein, von wo aus wir in die Erlenbüsche, die Au, einbogen. Wie wunderherrlich wars doch hier! Die helle Frühlingssonne verklärte den blauen Dom des Firmamentes, alles war halb paradiesisch! Wir gelangten an ein stilles, tiefes Wasser, das einen förmlichen See bildete. Hier tranken wir unseren Kaffee, worauf ich die ganze Gesellschaft photografierte. Nun that die l. Tante Anna dasselbe an mir. Nochmals wurden die Ausflugtheilnehmer conterfeit. Hurtig schritten wir beim AmpaßerBühl aufwärts, u. immer näher ruckten die Thürme, wenngleich jenseits des blauen Inn. Durch den heißen Sonnenbrand der unbeschatteten Äcker kamen wir zur Römersäule deren edle Pracht ich auch in meinem Kodack auf den Film bannte. Nun war der Weg gar wohlbekannt u. rasch kamen wir in den trauten Volderwald, Fr. Mutter wartete bereits voll Ungeduld auf uns u. bewirtete uns mit einem köstlichen Maibutter, der allen vortrefflich mundete. Wir stiegen dann hinauf zum niedlichen Blumenstein; dort blühen noch die weißen Schneeglöckchen u. der ganze Frühlingszauber umwebt des Betrachtenden Sein. Wie vor hunderten von Jahren liegt Hall da drüben; der selbe blaue Himmel wölbt sich über seine dunkeln Mauern; derselbe Inn wogt bald licht, bald trüb vor ihm dahin! Und dennoch wie manches hat sich schon verändert in den 3 Lustren, seit ich es kenne! – Vor dem Heimfahren erquickten wir uns nochmals an Salami u. Cervelati, wozu auch Jörgl, Schmarl u. Franz, kamen. Um 6 Uhr jedoch stiegen wir in Hall in die prosaische Trambahn ein u. langten ohne Zwischenepisoden in Innsbruck an. Durch den 3 stündigen Marsch waren wir ziemlich müde u. giengen zeitlich zu Bette.

13. April, Sonntag. Bei gutem Wetter wohnte ich um 9 Uhr dem academischen Gottesdienst bei. Nach dem Gabelfrühstück gieng ich meine nun fertigen Films holen u. copierte dann zuhause fleißig.

Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling); Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-Pl-663.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Die Fotos und Postkarten von Marie Cornet schlummern sicherlich noch irgendwo in irgendwelchen Nachlässen. Vielleicht sind die alten Fotoalben über den Nachlass Nikolaus Grass ins Ferdinandeum gelangt. Oder vielleicht befinden sie sich bei den Enkeln und Urenkeln in der Familie Hochenegg.

    Schön wäre, wenn man durch einen glücklichen Zufall ein Foto von Marie als junge Frau zeigen könnte. Auch ein Foto von Onkel Nikolaus Posch wäre interessant.

  2. Privater Wunderfitz: Was oder wo war wohl für die Verfasserin der Ampasser Bühel? Wenn man sich in den Auen in der heutigen Baggerseegegend ergangen hat, führte der klassische Weg von Amras über den Pfaffensteig zwar über einen ordentlicher Bühel, ist aber ein Umweg. Eher hat die illustre Gesellschaft Ampass östlich umgangen und ist irgendwo zwischen Peerhöfen und Römersäule zur Landstraße Ampass-Hall gelangt.
    Römersäule ist meiner Meinung auch nicht so falsch, wenigstens eine Ortsbezeichnung, wenn sie schon an der Einmündung zur Römerstraße am Weg steht.

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