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Vom Gratzennatz In Die Saugasse

Vom Gratzennatz in die Saugasse

Neulich hatten wir hier eine Diskussion um den originellen Flurnamen Gratzennatz, der in den Wiltener Feldern auftaucht und hinter dem sich gleich noch die (schon im Plan leicht entschuldigend „sogenannte“ genannte) Saugasse anschließt. Hier kann man sich diese Karte interaktiv über die Openstreetmap legen.

Der Plan, dessen Datierung recht schwammig ausfällt (von 1812 bis 1840 habe ich schon gelesen) zeigt also Innsbruck vor gefühlt 200 Jahren. Vielleicht gelingt es uns ja noch ihn genauer einzuordnen. Der Sillkanal ist in vollem Betrieb, die Erweiterung der Stadtgebiete liegt schon in der Luft. Ganz oben bei der Weiherburg ist der alte Juden-Begräbnis-Platz zu erkennen, im Zentrum wird noch auf dem nicht existenten Pichlerplatz hinter dem Stadtspital beerdigt. Der Militärfriedhof steht etwas einsam auf den Wiesen „Pratos“. In Wilten, St. Nicolaus und Hötting wird noch rund um die alten Kirchen bestattet. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns allen ein schönes Leben im Diesseits und wenn Sie nächstens bei der auf der Karte eingezeichneten Geister-Hütte vorbeikommen, dann machen Sie bitte ein Handyfoto fürs Stadtarchiv.

Dieser Beitrag hat 17 Kommentare
  1. Selbstverständlich habe ich meinen Blick schnell nach Pradl schweifen lassen und sofort festgestellt, dass unser Haus Pradlerstraße 15 / Pradl Nr. 23 neben der alten Pradler Kirche noch nicht aufscheint. Der Plan muss also vor 1828 gezeichnet worden sein

  2. Auf Grund der Karte könnte eine mögliche Erklärung sein, dass der Hausname des Templwirtshauses vorher „Gratzennatz“ war.

  3. Der in der Karte eingezeichnete Pradler Militärfriedhof wurde 1831 als k.u.k. Militärfriedhof eröffnet. Demnach wäre die Karte somit nach 1831 zu datieren.

    Die als „Mühlauer Brücke“ beschriftete Kettenbrücke wurde 1843 fertiggestellt, was sogar auf eine Datierung nach 1843 hindeutet.

    Beim fehlenden Haus Pradler Straße 15 könnte es sich um ein Versehen des Kartografen oder Druckers handeln.

    1. Ich kann nicht nachvollziehen, warum hier bereits die Kettenbrücke dargestellt sein sollte, denn Brückenpfeiler sind auch bei der anderen Brücke nicht eingezeichnet. Das kleine Anwesen im Bereich der heutigen Barmherzigen Schwestern ist lt. historischer Karten bereits um 1804 dargestellt und als Wohnung des Brückenmeisters bezeichnet.

      1. Ja, Sie haben recht, dass die massiven Brückenpfeiler mit den Tortürmen aus Nagelfluhquadern, wie sie z.B. in den Karten des Philipp Miller und des Carl Urban eingezeichnet sind, hier fehlen und es sich daher noch um die alte Holzbrücke handeln muss.

        Zumal mit den Bauarbeiten für die Kettenbrücke bereits im Dezember 1838 begonnen wurde, zeigt die Karte den Zustand in den Jahren zuvor.

  4. Die Geisterhütte scheint ja sehr zu interessieren. Da komm ich öfter vorbei, wenn bis zum nächsten Mal noch keiner zuvorgekommen ist, mach ich gerne das Handyfoto. Inzwischen kann man sich auch mit dem 3D Bild von Google Maps begnügen.
    https://www.google.at/maps/place/Brenner+Str./@47.2496237,11.3842932,131a,35y,39.27t/data=!3m1!1e3!4m5!3m4!1s0x479d4335642a8fd1:0xc098264965c76ed2!8m2!3d47.1324366!4d11.4521402!5m1!1e1

    Mich persönlich interessiert mich viel mehr der eingezeichnete „Weg zu der Landeshauptmanns Hütte“, der heute noch zu sehen, wenn auch nicht zu begehen ist. Meiner Meinung nach ist diese Hütte identisch mit dem in dem ca. 1955 abgebrannten Jehlehof. Die unterlegte moderne Karte suggeriert zwar die Ragglhütte als Ziel, das paßt aber, wie anscheinend vieles im südlichen Teil nicht ganz mit der Wirklichkeit zusammen. Auch die Poststraße von Italien nach Innsbruck durch den Jesuitenhofwald kann nicht stimmen.

    Von den früheren Rätselseiten sieht man südlich des Adambräus das später karmelitisch okkupierte Memmingerschlößl eingezeichnet und sieht nichts, nicht einmal die Maria Hilf Kapelle jenseits der Sill, geschweige denn ein Akzishäuschen.

  5. Was auf der Karte noch fehlt, ist der 1846 eröffnete Neubau des Landestheaters. Man sieht noch das alte Comedihaus, welches 1844 wegen Baufälligkeit geschlossen und in weiterer Folge abgerissen wurde.

  6. Vorsicht vor den Kobolden bei der Geisterhütte… Am 17. Feber 1896 berichten die Innsbrucker Nachrichten:
    „Vorgestern starb in Wilten die
    ehemalige Besitzerin der sogenannten Geisterhütte (Wilten Um­-
    gebung Nr. 11), namens Anna Markt, geb. Nöbl,
    im Alter von 92 Jahren. Sie war die älteste
    Person von Wilten. In den letzten Jahren war
    sie, obwohl körperlich sehr rüstig, geistig etwas
    schwach geworden. Ihr Aufenthalt war der Wald,
    welcher ihre Behausung einfriedigte. Sie sah dort
    Kobolde, hörte singen und schreien, das war ihr
    manchmal sehr lästig, so dass sie die Intervention
    der Polizei haben wollte. Dort wurde ihr deren
    Entfernung versprochen, womit sie getröstet von
    dannen gieng.“

  7. Die räumliche Distanz zwischen Kratznatz und Kratzerbrunnen ist jedenfalls zu beträchtlich, um diesen als namengebend vermuten zu lassen. Die Idee von Frau Stolz hat aber logisch geklungen. Auch wenn es auf manchen Karten so aussieht, als ob dies ein Flurname gewesen ist, war es in Übereinstimmung mit einem alten Botanikbuch, welches auf Seite 24 den Rauhaarigen Hahnenfuß dort „beim Gratzenatz“ vermerkt, eine punktuelle Lokalität, vermutlich der Vorläufer des Templwirts. Grantzenatzwirt? Klingt schlecht. (Flora von Tirol, von Franz Frhr. von Hausmann, Innsbruck, Wagnersche, 1851)

    Interessant ist auch der Ersatz des erst später angelegten Andreas Hofer Weges, der eingezeichnete „von Bad Ferneck zum Sarntheinhof“ verlief viel weiter unten und im letzten Teil ab der heutigen Peterlongokurve entlang der späteren Trasse der Brennerstraße. Bei der fiktiven Peterlongokurve bog noch ein Steig Richtung Ferneck ab, der nochmals unterhalb des offiziellen Weges dorthin verlief und dann nach Norden abbog (dort irgendwo muß später auch die ominöse Sprungschanze gewesen sein) um schließlich etwa beim heutigen WIFI die Straße querend zur Völserstraße zu führen.
    Von dort stadteinwärts kam man auch zur Hafnerkapelle, auch so ein Objekt zum rätseln. Auf einem alten Foto vom Bergisel aufgenommen ist sie aus weiter Ferne noch auszumachen, der übliche Bau – drei Mauern und ein Dach..

  8. Erwähnen sollte man noch Titel und Herkunft dieses Planes. Es handelt sich um einen anonymen Kupferstich des Verlags Johann Groß in Innsbruck. Er ist Teil eines Tableaus mit 16 umgebenden Detailveduten (siehe auch Adelsberger: Die Stadtvedute Innsbrucks S.130/131).
    Tatsächlich war dieser Plan auch DIE Initialzündung zu meinem Buch, denn auf der Suche nach interessanten Plänen für die tiris-Anwendung ‚Historische Karten Tirol‘ habe ich bei den Wikipedia-Aufsätzen über Innsbruck und seine Stadtteile immer wieder denselben Plan vorgefunden, der es mir auf Grund seine klaren kartografischen Gestaltung Wert schien, in die Internetanwendung mit aufgenommen zu werden. Beim Vergleich mit ähnlichen bereits vorhandenen Planen machte ich die verblüffende Entdeckung, dass dieser Plan mit vier Teilblättern eines bereits bekannten Kartenwerks, nämlich der Innstromkarte vom Anfang des 19. Jahrhunderts sowohl in Ausdehnung als auch Orientierung exakt übereinstimmt.
    https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=Detailkarten_georef&map=3141&scale=18055.9909335062&centerx=1268626.7915595986&centery=5985543.530562613&centerspatial=102100
    (dort leider ohne Blattschnitt!) Nun sind die Pläne der Innkarte vor allem für den Flussbau von den Ingenieuren der Landesbaudirektion vermessen und von Hand gezeichnet worden. Der Plan des Verlags Gross dagegen ist Teil eines Kupferstiches mit umgebenden Teilbildern, der zu kommerziellen Zwecken gedruckt und verkauft wurde. Gesprächen mit den Fachleuten Beimrohr, Morscher, Forcher und Pizzinini haben mir endgültig Appetit darauf gemacht, eine Vergleichsstudie über die vorhandenen Pläne von Innsbruck zu erstellen. Schlussendlich ist dann das Projekt zu dem Buch ausgewachsen, in dem dieser Plan mit seinen Verwandten ab Seite 46 mit über 22 Seiten auch eine zentrale Rolle einnimmt.
    Zur zeitlichen Einordnung: die Bausubstanz entspricht dem Zeitraum 1835 bis 1840. Die Gestaltung des Marktplatzes mit der neuen Fleischbank ist in dieser Form erst ab 1844 gegeben. Pläne dazu gab es allerdings schon ab 1836. Wie Hans Pechlaner richtig bemerkt hat, ist die Mühlauer Brücke noch in der Form vor dem Neubau der Kettenbrücke 1843 eingezeichnet. Eine später kolorierte Version des Planes zeigt interessanterweise sogar beide Versionen:
    https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=SonstigeKarten_Plaene_nicht_georef&map=5061
    Die Datierung 1835-1840 wie sie auch J. Fehlmayer und P. Adelsberger vorgenommen haben, dürfte also stimmen.

    1. Die Innstromkarte stammt aus den Jahren 1820-1826. Wenn sie Grundlage zur vorliegenden Karte ist, dann kann es schon sein, daß einige Novitäten wie die Fleischbank, da und dort nachgetragen wurden, das Dorf Pradl (und andere Teile der Karte) aber durchaus immer noch der Zeit um 1820 und damit Beschreibung des Herrn Roilo entspricht. Druck und Darstellung müssen datumsmäßig nicht unbedingt übereinstimmen. Imma dat Jenaue.

      Danke übrigens für die Herausgabe des Buches. Als ich es in der Wagnerschen durchblätterte, wollte ich es zwar kaufen, scheute aber vom Transport des gewichtigen Folianten zurück. Man bot mir den Gratisversand nach Hause an. Meine Portobedenken wurden mit einer Handbewegung no problem weggewischt,

      1. Lieber Herr Hirsch! Zu Ihrem Kommentar möchte ich die Information anfügen, dass unsere Bücher auch bei uns im Stadtarchiv erhältlich sind. Wir sind allen p.T. LeserInnen sehr dankbar, die ihren Bedarf an stadtgeschichtlichen Publikationen direkt bei uns bzw. über unseren Webshop https://shop.innsbruck.gv.at/page.cfm?vpath=bildung–kultur/stadtmuseen–stadtgalerie/shop decken und damit unsere Arbeit fördern. Versand ist ebenfalls verfügbar – und ab 30 Euro ebenfalls gratis. 🙂 Herzlichen Dank im Voraus!

  9. Der Name „Gratzennatz“ ist in der Tat kein Flurname, sondern der Name eines Alt-Wiltener Bauernhofs. Im Boten für Tyrol vom 9. April 1829 heißt es nämlich in einem Versteigerungsedikt:
    „Das Nähere über hierauf allfällig haftende Passiven
    können Kaufsliebhaber bei Johann Kluibenschedl in Wilten
    auf dem Gratznatzhof erfahren, sowie auch die einschlägigen
    Briefereien einsehen.“

  10. Die Karte ist 1838 im Verlag Johann Gross erschienen, woraus sich auch die Datierung ergeben dürfte. Als Kupferstecher des Planes wird Karl Schleich genannt.
    Im „Boten von Tyrol“ findet sich am 2. August 1838 folgende Aufschluss gebende Annonce:
    „Bei Johann Gross, Kunst- und Musikalienhändler in Innsbruck,
    Stadtplatz Nr. 6, ist erschienen:
    (Die Preise sind in Conventions- Münze).
    Plan der Provinzial Hauptstadt Innsbruck und ihrer nächsten
    Umgebung. Mit einer Ansicht der Stadt und 16 Randansichten geziert. In Kupfer gestochen von Karl Schleich. Nebst topographisch-statistischen Notizen in deutscher und französischer Sprache. Plakatformat 1 fl. 30 kr.“

    Das Tableau mit den 16 Randansichten war also um 1 Gulden 30 Kreuzer erhältlich, der Plan ohne die Randansichten wird als Version für schmalere Geldbeutel um einiges billiger gewesen sein.

    1. Zwischendurch ein großes Danke an die hier aktive Fachgruppe Bild- und Planbesprechung mit Faktensammlung, die immer wieder dort einspringt, wo wir selber nicht weitergekommen sind!

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