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Der Bilderblog aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Viel Gesehen

Viel gesehen

Vorige Woche musste die Blutbuche vor dem Haus der Musik gefällt werden. Das Alter des Baums wurde auf etwa 120 Jahre geschätzt. Durch den Standort des Baums am Rennweg war die Buche im Laufe ihrer Lebenszeit Zeugin unterschiedlichster Großveranstaltungen und politischer Kundgebungen, die die Wechselfälle der Geschichte unserer Stadt und Österreichs widerspiegeln. Wohl das erste Großereignis war die Jahrhundertfeier im August 1909, als der Kaiser Innsbruck beehrte und ein großer Umzug am Rennweg stattfand. Die damals wohl noch kleine Buche lässt sich auf dem folgenden Foto allerdings nicht wirklich ausmachen.

Mehr als ein Jahrzehnt und ein politisches System später erkennt man die Buche dann schon deutlich besser auf einer Aufnahme vom 23. April 1921 (Titelbild), dem Tag vor der Volksabstimmung über den Anschluss an das Deutsche Reich. Laut Zeitungsberichten versammelten sich an diesen etwa 10.000 Personen vor der Hofburg, um für den Anschluss an Deutschland zu demonstrieren und sich auf die Abstimmung am kommenden Tag einzustimmen.

Noch viel mehr Menschen versammelten sich im September 1934 an diesem Standort, als die 125-Jahr-Feier zum Gedenken an 1809 stattfand. Gleichzeitig wurde damals der Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedacht, zudem wurde die Feier zu einer politischen Demonstration für den im Juli 1934 ermordeten Engelbert Dollfuß, für den am Landestheater ein Mahnmal errichtet worden war.

Wenige Jahre später, im Frühjahr 1938, besuchte Adolf Hitler die Stadt – auch damals versammelten sich auf dem nunmehr nach dem Führer benannten Platz vor der Hofburg die Menschenmassen. Im Archiv haben wir zwar viele Fotos von dem Besuch, aber keines, das die Buche zeigt – das folgende, wird aber wohl im Laufe des Jahres 1938 entstanden sein – die Buche ist jedenfalls schon zu einem stattlichen Baum herangewachsen.

Nicht tausend, sondern nur sieben Jahre später ist die Buche dann neuerlich Zeuge einer Großveranstaltungen: bei der Parade zum Sieg der Alliierten am 9. Mai 1945 war das Ereignis zwar freudig, die Stimmung im Bild ist aber recht düster.

Im selben Jahr sah die Buch dann auch die große Parade der französischen Truppen anlässlich des französischen Nationalfeiertages am 14. Juli – nun auch in voller Blätterpracht.

Im Jahr 1959 sah die Blutbuche schließlich neuerlich ein riesiges Aufgebot an Menschen beim Festumzug zum 150-jährigen Gedenken an 1809. Damals trugen Schützen eine überdimensionale Dornenkrone, um die Trauer der Teilung Tirols nach dem Ersten Weltkrieg zu symbolisieren, was damals schon von unterschiedlichen Seiten kritisiert worden war. Wie schon 1909 hatte man für den Umzug riesige Tribünen vor dem Landestheater aufgebaut – anders als bei der ersten Feier war die Buche nun schon so groß, dass sie hinter diesen hervorschaut.

Auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten sah die Blutbuche noch viele Großereignisse und die unterschiedlichsten Menschen aber natürlich auch viele kleine Momente, die nicht in die Geschichte eingegangen sind, die für Einzelne aber wichtige Erinnerungen bilden. Vielleicht gilt das ja auch für Sie – habe Sie schöne, prägende oder auch traurige Erinnerung an den nun gefällten Baum?

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck Ph-20932; Ph-M-11684; Ph-18291; Ph-33849; Ph-1246; Ph-A-8-069; Ph-32791)

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
  1. 1943, ich war gerade elf Jahre alt, war der erste Luft-Angriff auf Innsbruck. Viel war kaputt, so auch die Jesuitenkirche vor unserer Wohnung. Meine Schwester und ich besuchten von da an regelmäßig nach Angriffen die Blutbuche, ob sie wohl noch da war? Oft rannten wir auch zur Rotunde, wo doch Andreas Hofer mitsamt Innsbruck und Umgebung zu sehen war- auch sie stand! Es machte uns zufrieden. Nun ist die herrliche Blutbuche weg- wie lange wird die leere, dem Verfall überlassene Rotunde es noch schaffen? Irgendwie ist das ganz, ganz traurig, wie sehenswerte Brunnen, Gebäude, Bäume oder gemütlich langsam durch die schöne Natur fahrende Bahnen verschwinden oder durch moderne, eilige ersetzt werden. ( Hungerburg und Igls)
    Innsbruck wird immer nüchterner, kälter und auch lauter, dennoch immer voller von Menschen von weit her, die die Stadt sehens- und auch -liebenswert finden.

  2. 1943, ich war gerade elf Jahre alt, war der erste Luft-Angriff auf Innsbruck. Viel war kaputt, so auch die Jesuitenkirche vor unserer Wohnung. Meine Schwester und ich besuchten von da an regelmäßig nach Angriffen die Blutbuche, ob sie wohl noch da war? Oft rannten wir auch zur Rotunde, wo doch Andreas Hofer mitsamt Innsbruck und Umgebung zu sehen war- auch sie stand! Es machte uns zufrieden. Nun ist die herrliche Blutbuche weg- wie lange wird die leere, dem Verfall überlassene Rotunde es noch schaffen? Irgendwie ist das ganz, ganz traurig, wie sehenswerte Brunnen, Gebäude, Bäume oder gemütlich langsam durch die schöne Natur fahrende Bahnen verschwinden oder durch moderne, eilige ersetzt werden. ( Hungerburg und Igls)
    Innsbruck wird immer nüchterner, kälter und auch lauter, dennoch immer voller von Menschen von weit her, die die Stadt sehens- und auch -liebenswert finden.
    Antworten

    1. „Wenn die Blätter auf den Stufen liegen,
      herbstlich atmet auf den alten Stiegen,
      was vor Zeiten über sie gegangen.
      Mond, darinnen zweie sich umfangen
      hielten, leichte Schuh und schwere Tritte,
      die bemooste Vase in der Mitte
      überdauert Jahre zwischen Kriegen.
      V i e l ist hingesunken, u n s z u r T r a u e r ,
      und das Schöne zeigt nur kurze Dauer“
      steht am Anfang des Romans „Die Strudlhofstiege“ von Heimito von Doderer.
      Dem ist nicht „nichts“, sondern sehr vieles hinzuzusetzen, was Innsbruck betrifft.
      Und was die „Rotunde“ angeht – ich weiß, was ich jetzt sage, ist in manchen Augen ein Sakrileg!, aber – ich hab immer gedacht, warum macht man keine Moschee daraus unter Bewahrung der „Außenhaut“ – und die ehemalige Gaststätte daneben als Versammlungsraum? Mich hätte es nicht gestört. auch nicht ein Minarett daneben.
      Aber die Umwidmung wäre wohl zu teuer gewesen. Also lassen W I R es lieber zusammenfallen…
      Aber es tut weh, sehr weh, alles verfallen zu sehen, an welchem so viele Erinnerungen hängen…

  3. Ja, am 15.12.1943, ich war gerade sieben Jahre alt, war der erste Luft-Angriff, ich durfte dann alle weiteren insgesamt zweiundzwanzig Bombardierungen (mit Ausnahme der dritten am 13.6.1944) in Pradl hautnah miterleben.
    Wie war das eigentlich bei Ihnen mit der Schule, Frau Ritzenfeld? Wir Drittklassler wurden im Schuljahr 1944 / 45 nach Amras verfrachtet, besser gesagt: Wir mussten täglich und alleine zu Fuß von Altpradl hinauspilgern, nach zwei Stunden ging es wieder retour, wir sollten ja rechtzeitig zum mittäglichen Fliegeralarm daheim sein! Ab Mitte März 1945 erledigte sich diese Marschiererei – es gab keinen Unterricht mehr!

    1. So ganz alleine nicht – denn meine verstorbene Schwägerin Anni war ja mit von der Partie. Allerdings erst nachdem meine Schwiegermutter sie aus den Fängen der „Kinderlandverschickung“ (?) befreien konnte.
      Anni habe fürchterliches Heimweh gehabt im Schloß Fügen, der (zwischenzeitlichen) „Bubenburg“- und meine Schwiegermutter sei von Pontius zu Pilatus gelaufen, um Anni heimzubekommen.
      Anscheinend hat ein ärztliches Attest geholfen, das Anni zur „Bettnässerin“ erklärte..
      (Hausarzt der Familie war übrigens meines Wissens immer Herr Dr Flora. Dieser hat auch dem „Fremdarbeiter“ (Donatello Bertocci) meines Onkels Malermeister ein Attest ausgestellt, durch welches er heim in die Toskana konnte, in die Nähe von Pistoja.
      Wie man weiß, hat Herr Dr Flora selbst auch große Schwierigkeiten bekommen.

  4. Ja wie war das mit den Schulen—? Ich war schon im Gymnasium und nach dem ersten Angriff war erstmal PAUSE! Wir 3 Kinder wurden zu Großmama und Onkel (er war Pfarrer von Vinaders) in das dortige Pfarrhaus verfrachtet. Dann wurden alle „höheren“ Schulen auf,s Land verschickt. Mitsamt den Lehrern einquartiert! Wohin meine Klasse kam, weiss ich nicht mehr, denn ich war nicht dabei. Alle meine Freundinnen waren plötzlich weg, Meine liebe,kluge Mutter wollte unser DASEIN nicht fremden Menschen überlassen und meldete mich und meine Schwester im Haller Gymnasium an. Die um 1 Jahr ältere Schwester kam seither in meine Klasse, damit wir den selben Stundenplan hätten. So fuhren wir mit der „Haller“ täglich in die Schule und waren dann auch, (wie Sie so nett schreiben) rechtzeitig Mittags wieder daheim. Bei Alarm während der Heimfahrt aber blieb die Haller stehen und wir mussten irgendwie schauen schnell in einen öffentlichen Luftschutzraum oder Bunker zu kommen. Es waren ja Viele, die nach Hall in die Schule fuhren. Meine Erinnerung daran ist sehr unklar, es ist vielleicht nie vorgekomm. Dann war endlich FRIEDEN und es dauerte wohl eine ganze Weile ehe der Schulbetrieb in Innsbruck wieder möglich war.

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