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Frau Professor

Frau Professor

Sie kennen mit Sicherheit Sigmund Freud, den bekannten Arzt und Tiefenpsychologe. Wussten sie aber, dass fast zeitgleich mit Freud in Innsbruck eine junge Psychologin die Karriereleiter in der Wissenschaft emporkletterte? Nein? Dann könnten die nächsten Zeilen interessant für Sie sein.

Franziska Mayer-Hillebrand wurde 1885 in Wien geboren. Nachdem der Vater Josef Freiherr von Reicher 1891 zum kommandierenden General für Tirol und Vorarlberg ernannt worden war, zog die Familie nach Innsbruck. Während ihr Bruder regulär die Schule besuchen konnte, erhielt Franziska Privatunterricht, wie es für Mädchen aus bürgerlichen Familien üblich war. Durch das Lesen der alten Schulbücher ihres Bruders keimte in ihr der Wunsch nach höherer Bildung. Nach etwas Überzeugungsarbeit erlaubten Franziskas Eltern schließlich, dass sie die Reifeprüfung als Privatistin ablegen durfte, was ihr 1905 gelang. Sie inskribierte sich 1914 an der philosophischen Fakultät der Universität Innsbruck, die seit 1897 auch Frauen als Studentinnen aufnahm. Ihre Hauptfächer waren Philosophie und Psychologie, nebenbei studierte sie auch Biologie. 1919 promovierte sie zum Dr.phil. Ihr Doktorvater, der Philosoph Alfred Kastil (1874-1950) hatte nicht nur die Studienpläne von Franziska gegenüber ihren Eltern verteidigt, sondern setzte sich auch für ihre Habilitation im Jahr 1932 ein. Mayer-Hillebrand forschte vor allem im Bereich der optischen Wahrnehmung sowie der Kunstpsychologie.

Franziska Mayer-Hillebrands Lehrtätigkeit unter dem Nationalsozialismus in Innsbruck ist kritisch zu betrachten.  Für das Wintersemester 1938/39 kündigte sie eine Vorlesung über Kinder- und Jugendpsychologie an, in der sie einleitend auch die Vererbungslehre behandelte. Dass das NS-Regime dieses Fachgebiet für ihre Ideologie beanspruchte, störte sie nicht bzw. es gibt keine überlieferten Quellen diesbezüglich. 1944 wurde ihr der Titel einer außerplanmäßigen Professorin verliehen, nachdem Mayer-Hillebrands Vorlesung zur „Einführung in die Rassenpsychologie“ eine wichtige Ergänzung für den Lehrbetrieb der Universität gewesen sein soll. Die Professorin selbst stellte sich im Nachhinein als eine von den politischen Ereignissen abgehobene Wissenschaftlerin dar. Auf die „Säuberung“ der Universität durch die Nationalsozialisten ging sie in ihren Erzählungen lediglich vage sein. Sie konzentrierte sich mehr auf die Bombenangriffe und die Übergriffe der Besatzungstruppen.  Seit 1. September 1939 war Franziska Mayer-Hillebrand Mitglied bei der NSDAP, weshalb sie 1946 politisch überprüft wurde. Zwei Jahre später wurde ihre Lehrbefugnis allerdings bestätigt, da die „Kunstpsychologie und -philosophie in ihr eine hervorragende und unersetzliche Vertreterin hat.“ (Lichtmannegger 2003: 217).

Franziska Mayer-Hillebrand lehrte im Wintersemester 1951/52 als Gastprofessorin an der Northwestern University in Evanston (USA). 1970 erhielt sie das „Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst  I. Klasse“. Sie verstarb 1978 im Alter von 93 Jahren.

(Verena Kaiser)

(Foto: Ph-34874, Universität Innsbruck um 1920)

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  1. Heute mal ernst:
    „Kinder- und Jugendpsychologie…Vererbungslehre“ ?
    „NS-Regime…störte sie nicht“ ?
    „Noch 1944 (wo eh schon alles in Schutt und Asche fiel) außerplanmäßige Professorin nach Vorlesung zur Einführung in die Rassenpsychologie“ ?
    „Auf die Säuberung der Universität durch die Nazis ging sie vage ein“ ?
    „Seit 1. September 1939 Parteimitglied der NSDAP“ ?
    Merke wohl: ich maße mir kein Urteil an, weil ich kein Kind dieser Zeit bin und würde mir deshalb auch nie erlauben, diese Frau in irgend einer Weise anzugreifen. Viele haben sich damals halt irgendwie durchgwurschtlt. Ich lasse diese Sätze einfach so stehen.
    De mortuis nihil nisi bene.

    1. Lieber Herr Fink,

      Sie haben natürlich Recht. Die Biografie von Mayer-Hillebrand ist äußerst widersprüchlich und fragwürdig. Warum also einer solchen Person Aufmerksamkeit schenken und ihr einen Beitrag widmen? Es ist ein wichtiger Bestandteil der Frauen- und Geschlechtergeschichte auch auf jene Frauen einzugehen, die sich an den dunklen Kapiteln der Geschichte beteiligt haben, in welchem Umfang und mit welcher Intensität dies auch immer geschehen sein mag. In diesem Fall hilft uns die Erwähnung von Mayer-Hillebrand dabei, die NS-Täterschaft nicht nur männlich zu lesen bzw. zu deklarieren, denn im öffentlichen Diskurs wird nach wie vor immer nur von den „Tätern“ gesprochen. Gerade hier wäre der Gender-Aspekt, so verschrien er allgemein auch sein mag, meiner Meinung nach sehr wichtig. Die Beteiligung an der Durchführung und Verbreitung der NS-Ideologie ist eine Angelegenheit, die keinesfalls nur von Männern ausgeübt wurde.

      Liebe Grüße

      Verena Kaiser

      1. Ja danke, Frau Kaiser, für Ihre Erläuterung. Nur um Mißverständnisse auszuschließen: ich greife mit meinem Beitrag natürlich nicht das Team Stadtarchiv oder Sie persönlich an, im Gegenteil. Ich finde den Artikel hochinteressant, auch solche Dinge müssen klar ausgesprochen werden. Ich fand nur, die Sätze sprechen für sich und legte dazu meine Position fest. Eine kleine subjektive Bemerkung: die Verleihung des erwähnten Ehrenkreuzes ruft bei mir ein gerüttelt Maß an Übelkeit hervor, aber in good old Austria wird ja vieles anerkannt, worüber man zumindest diskutieren könnte…Gratulation jedenfalls zum Artikel !

        1. Das es damals als Frau auch anders ging, belegt das Leben meiner Großmutter mütterlicherseits, für uns die Omu. Sie war Ärztin an der innsbrucker Klinik und Mutter dreier Kinder. Da sie, wie man so sagt, systemrelevant war, konnte sie es sich „leisten“ der NSDAP nicht bei zu treten und hat auch sicher nie irgend ein nettes Wort für oder über Nazis übrig gehabt. Sie wollte einfach helfen und hat ihr faschistoides Arbeitsumfeld so gut es ging ertragen. Nach dem Krieg hat sie allerdings ihre Kinder zusammengepackt, ihr Mann war 1936 (?) gestorben, und hat diesem schrecklichen Europa den Rücken gekehrt – ab nach Amerika – wo sie viele Jahre später auch verstarb. Ein stiller Wiederstand und hier glaube ich fast, waren mehr Frauen als Männer Heldinnen.

  2. Aus dem sicheren Abstand der zu späten Geburt streitet heute jeder vehement ab, damals niemals wäri hätti tatten und so weiter. In ihrer unbeschreiblichen Verblendung sogar die, die sich jetzt wieder gaaanz weit aus dem rechten Fenster hängen.

    Im Fall der Professorin für Psychologie liegt der Verdacht bloßen Mitläufertums aber nicht vor. Im Gegenteil, bei ihrem Studienfach muß es ihr glasklar vor Augen gestanden sein, welche Seelenfängerei da von den Nazis betrieben worden ist und wie diese arischen Mordbuben ticken. Uniformen, Einschüchterung, Paraden, aufdringlich gestylte Fahnen, Marschmusik, schneidige Lieder mit Paukenschlach „Bumm Bumm! Eeeerika!“ Aber man hat sich ja für Jugendpsychologie interessiert, da konnte man sowas schon übersehen.

    Auch der anerkannte Geologe Prof. Klebelsberg war ja nach Schilderungen von Zeitgenossen nach dem Krieg noch immer völlig unbelehrbar. Wenn er in seiner Autobiographie das Versinken des alten Innsbruck im Bombenschutt bejammert, kam er nicht im geringsten auf die Idee, daß die Schuldigen nicht im Bomber, sondern in Berlin saßen.

    Usw. usw. hatti tatti hätti wäri…

  3. Zu Uniformen, Einschüchterung, Paraden usw fällt mir ein Zitat ein,
    das man Albert Einstein andichtet (die wenigsten Einstein-Zitate stammen tatsächlich von ihm) und in etwa so lautet:

    „Diejenigen, die beim Anhören von Marschmusik das Gefühl verspüren mitmarschieren zu müssen, wären auch mit jenem Teil des Gehirns ausgekommenen das sich auf das Rückenmark beschränkt.“

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