Mehrzweckschulgebäude vor dem Aus
Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich auf diesem Bild zu orientieren. Das lag bei mir besonders an dem wuchtigen Gebäude am linken Bildrand, das heute nicht mehr existiert und bereits in einem der frühen Beiträge auf diesem Blog näher vorgestellt wurde. Es hatte seit den 1850er zunächst die neu gegründete Oberrealschule, dann kurz die Handelsakademie und schließlich bis 1911 die Knaben-Bürgerschule beherbergt – ein Mehrzweckschulgebäude gewissermaßen. Den ehemaligen Schriftzug ‚Knaben-Bürgerschule‘ kann man auf dem Bild im oben erwähnten Beitrag noch klar erkennen, auf dem heutigen Titelbild hingegen ist er schon weitgehend abgeblättert. Der Zahn der Zeit. Überhaupt ist das Gebäude zum damaligen Zeitpunkt schon eher in desolatem Zustand.
Zum Zeitpunkt der Aufnahme, wohl Mitte der 1930er Jahre war in dem Gebäude Handelsgesellschaft von Leopold und Anton Frohnweiler untergebracht, die seit den 1920er Jahren als Buchdrucker, Buchbinder, Schreibmaschinenhändler und Büroartikelhändler aktiv war. Das Haus musste schließlich 1937 dem Neubau des nationalsozialistischen Gauhauses – heute das Neue Landhaus – weichen. Damit wurde auch die Wilhelm-Greil-Straße, die für dieses Haus bisher einen Knick machen musste, begradigt.
Im Hintergrund gibt es einges bekanntes, aber auch nicht mehr Vorhandenes zu entdecken – hier weiß die Community sicherlich einiges beizutragen.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Ph-8053)
Im Text steht, dass das Haus bereits 1937 dem Gauhaus weichen musste und als Datierung „wohl Mitte der 1930er-Jahre“…….. Das kann aber chronologisch nicht sein, weil man auf dem Foto mehrere Hakenkreuzfahnen erkennen kann. Aus dem Geschichtsunterricht weiß man somit, dass das Foto mit Sicherheit erst frühestens 1938 aufgenommen worden sein kann!
Beim Besuch Adolf Hitlers am 5. April 1938 war mehr Schnee auf den Bergen. Das Bild muss also später aufgenommen worden sein.
Das Foto ist eine historisch äußerst interessante Aufnahme zur Baugeschichte der Wilhelm-Greil-Straße und des Landhausplatzes.
In diesem Zusammenhang sei auf den Historikerbericht von Christian Mathies und Hilde Strobl zum Thema „Vom Gauhaus zum Sitz der Tiroler Landesregierung. Zur Bau-, Nutzungs- und Bedeutungsgeschichte eines NS-Baus in Innsbruck“ verwiesen.
Die ersten Pläne zum Abriss der alten Handelsakademie gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg. Auf Grund des unausweichlichen Abrisses wurde viele Jahrzehnte nichts mehr in den Erhalt des Gebäudes investiert, was auch den desolaten Zustand erklärt.
1935 heißt es im Amtsblatt der Stadt Innsbruck Nr. 9 auf Seite 20 in einer polemischen Zuschrift sogar: „Wann zündet endlich die Feuerwehr die alte Realschule am Bozner Platz kunstgerecht an? Sie könnte damit ja eine Übung verbinden.“
Der Abriss der alten Handelsakademie erfolgte laut dem Historikerbericht in den Monaten März und April des Jahres 1939.
Soweit man als Laie im Internet „forschen“ kann, scheint Uneinigkit über das Baudatum zu herrschen. Während die Mehrzahl der sinngemäß „Vom Gauhaus zum Landhaus“ betitelten Quellen ORF und Bezirksblatt Oktober 1938 – 1939 mit einer Zeitspanne von einem Jahr zwischen Ausschreibung und Bezugsfertigkeit angeben, glänzt ausgerechnet das Land Tirol mit der Zeitangabe 1939-1949. Ich halte mich an das im Buch von Dr. Christian Mathies | Dr. Hilde Strobl
„Vom Gauhaus zum Sitz der Tiroler Landesregierung. Zur Bau-, Nutzungs- und Bedeutungsgeschichte eines NS-Baus in Innsbruck“: 1938-1939. Es enthält auch viel politische Information, das Gauhaus wurde durchgedrückt wie heutzutage nicht einmal Schilifte.
Bauverhandlung war am 12. September 1938, der Baumeister Hinteregger war schon bereit, mit der Arbeit zu beginnen. Aufgrund der Vegetation schätze ich das Foto auf Spätsommer 1938. Vor den Kammerlichtspielen stand zu dieser Zeit gerade ein Bauzaun.
In diesem Beitrag sieht man ein aufschlussreiches Foto aus fast demselben Blickwinkel – jedoch einige Zeit früher. Interessant ist es zu vergleichen, wieviel mehr Bäume und Vegetation es auf diesem Foto noch gibt:
https://innsbruck-erinnert.at/von-daechern-und-baeumen/
Das als „Mehrzweckschulgebäude“ titulierte Haus mit seiner schönen Stuckfassade stammt noch aus dem 17. Jahrhundert und beherbergte von 1890 bis 1905/06 die Handelsakademie als Schulgebäude.