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Lokal-Geschichten: In Der Stube

Lokal-Geschichten: In der Stube

Eine gemütliche Wirtshausstube zu planen, ist gar nicht so schwierig. Man benötigt hierfür ein wenig innenarchitektonisches Gespür nach dem Geschmack der Zeit und eine solide Täfelung. Das gilt für die Stube unserer neuen Ausstellung aber auch für die Räume im Gasthaus Speckbacher, die wir auf dem Plakat oben und auf den Glasplatten-Scans und der Ansichtskarte unten vergleichen können: Eine Stube kann nur gemütlich werden, wenn sie zu großen Teilen mit echten oder furnierten Holzpaneelen ausgestattet ist. Früher gehörten zur fixen Einrichtung allmorgendlich die stehende Luft aus kaltem Rauch, die sich erst wenn die ersten Gäste eintrafen mit frischem Tabakdunst in eine erträgliche Raumatmosphäre verwandelte. Die selbe Logik galt für die olfaktorischen Erinnerungen aus der Küche: Bis zum Anwerfen der Pfannen dominierten unerwünschte Gerüche des Vorabends, so bald die Suppe köchelte oder die Fritteuse lief, kam der Appetit zurück. Legendär waren zudem die aus den verschiedenen Restaurants mit nach Hause getragenen Aerosole. Das Verneinen der Frage, ob man im Lewisch gewesen sei oder nicht, war stets zwecklos.

Vielleicht ist das eine Metapher für das Wesen der Gaststube: Bis man sie betreten und so bald man sie verlassen hat, überlegt man sich gelegentlich, ob man nicht auf der Couch liegen bleiben will oder besser geblieben wäre. So bald man in die Stube tritt, löst sich die Frage im Stimmengewirr und dem Gelächter vom Nachbartisch, dem chauvinistischen oder politisch korrekten Schäkern mit der Kellnerin, den besagten Gerüchen und der Gewissheit auf, das man an keinem anderen Ort der Welt sein möchte.

Das Gasthaus Speckbacher gibt es schon lange nicht mehr. Mit der Erbauung Wiltens kam ein August Pernter um 1900 als Wirt ans Eck von Maximilian- und Speckbacherstraße, seine Nachfolger waren Vinzenz Kößler und dessen Witwe Mathilde sowie auch der Sohn, Vincenz Junior. Später kommen als Wirtsleute die Familien Frauscher und Hochreiter (herunter gekommen 1932 vom Goldenen Bären in Hötting) vor. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gasthaus als Hotel betrieben und ist bis in die 1960er fotografisch dokumentiert (Dank an Herrn Auer). Für die unten gezeigte um 1905 entstandene Bilderserie musste sich der Page mit einem Viertel Wein kurz ins Bild setzen (seine Mütze baumelt links über ihm) – es ist ihm nicht ganz wohl dabei. An der Decke einer Stube sind schöne Jagdmotive gelüftelt… was der Grazer Uhrturm dort zu suchen hat, können wir zum heutigen Stand der Forschung nicht beantworten. Das Besteck ist gewickelt, das Geschirr gestapelt auf der Anrichte bereit. Die Uhr zeigt 5 vor 10, die Gäste mögen erscheinen und die Räume mit Leben erfüllen.

Auch eine Ansichtskarte wurde mit diesen Bildern bestückt…

Die Ausstellung

Lokal-Geschichten

Nüchternes aus ehemaligen Innsbrucker Gasthäusern

ist weiterhin von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

(Stadtarchiv Innsbruck, Pt-76, Kr-Pl-47 bis 51 sowie Collezione di Cartoline Prada)

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
  1. Die Bilder der Stubeneinrichtung mit Getäfel und geschnitzten Brettstühlen sind herrliche Erinnerungsstücke an eine längst vergangene Zeit….
    Ergänzung zum Text:
    Das Hotel Speckbacher war samt Gaststätte auf jeden Fall noch nach dem 2. Weltkrieg in Betrieb. Es gibt nämlich Aufnahmen von 1964, welche die kaum veränderte Gaststube mit dem Kachelofen zeigen:
    https://pid.volare.vorarlberg.at/o:28744

    Laut dieser Außenansicht befand sich 1964 im Parterre das Weinhaus-Restaurant Speckbacher. Das Türmchen über dem Erker war zu dieser Zeit bereits nicht mehr vorhanden:
    https://pid.volare.vorarlberg.at/o:28768

    1. Danke Herr Auer ich habe es im Text oben korrigiert. Interessant zu wissen wäre was es mit der Gallionsfigur auf sich hat, die da in den 1960ern in der Stube schwebte.

      1. Das war ein beliebtes Accessoire der Gaststuben, hat sogar einen eigenen Namen, der mir grade nicht einfällt. Auch der Niedermayr Ecke Mandelsbergerstr/Innrain hatte so ein Deckenghänge über dem Stammtisch (Signalement für Achtung, hier wird gekartet, gegrölt, gestritten und gerauft)

      2. Bei dieser Figur handelt es sich wohl um ein Lüstermännchen mit Geweih. Während Lüsterweibchen immer wieder auftauchen, sind männliche Exemplare wesentlich seltener.

        Feststeht jedenfalls, dass Vinzenz Kössler vormals Pächter beim „Bierwastl“ war und das Haus im Jahre 1904 gekauft hat. In den Innsbrucker Nachrichten findet sich folgende Annonce:

        „Gestatte mir hiemit höflichst anzuzeigen, dass ich das Haus Ecke Speckbacher- und Maximilianstraße in Innsbruck-Wilten mitsamt dem renommierten Weinrestaurant „Zum Speckbacher“ käuflich erworben und mit 1. April 1904 in eigene Führung übernommen habe. Zum Ausschanke gelangen nur echte, reine Überetscher
        Fass- und Flaschenweine. Vinzenz Kössler, Restaurateur zum Speckbacher“
        https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19040402&seite=15&zoom=33

  2. Die Geschichte der 1. Tiroler Weinstube „zum Speckbacher“ lässt sich in den Zeitungen mindestens bis 1898 zurückverfolgen:
    Im Juni 1898 annonciert der Wirt Louis Resch die Eröffnung seines neuen Schankgartens, anno dazumal noch in der Grenzstraße 2 im aufstrebenden Dorfe Wilten:

    „Für den unerwartet regen Besuch meiner altdeutschen Tiroler Weinstube
    bestens dankend, ersuche ich meine werthen Freunde und Herren Stammgäste und ein
    fremdes, sowie einheimisches P. T. Publikum, auch meinen neu errichteten, idyllisch
    gelegenen Schankgarten besuchen zu wollen.
    Wein und Bier, allgemein anerkannt vorzügliche Küche geschmack-
    voll und gut. Bedienung prompt.“
    https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=18980622&query=%22ZUM+SPECKBACHER%22&ref=anno-search&seite=8

    Dieser Schankgarten wird wohl auf dem Werbeplakat abgebildet sein.

    Den Neubau des Hauses mit seinem auffälligen sechseckigen Erker kann man in einem herrlichen Rätselbild vom März 2020 bewundern:
    https://innsbruck-erinnert.at/und-ein-urbanes-wiltener-eckhaus/

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