Fliegeralarm! (VI.)
Nach dem schweren Bombardement am 16. November 1944 folgte am 25. ein Angriff von 3 Bombern, die im Schutz der Nacht um 4 Uhr früh 9 Stück Bomben auf Innsbruck abwarfen – es war der erste Nachtangriff auf die Stadt. Drei Häuser wurden zerstört, neun weitere beschädigt, es war ein Todesopfer zu beklagen. Der nächste Angriff ließ nicht lange auf sich warten, fünf Tage später warfen 5 Bomber ihre Last ab, erneut bei Nacht, um fünf Uhr früh. Auch dieser Angriff kam mit einer Neuerung – erstmals gaben die Bomben dank der Pfeifen, die an ihnen angebracht waren, das charakteristische Heulen von sich, das man mit Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs verbindet. Manche Bomben gaben aufgrund der Stabilisierungsflügel von selbst ein ähnliches Geräusch von sich, aber um den psychologischen Effekt zu verstärken, wurden die Pfeifen, von den Alliierten screamers genannt, angebracht. Es gab einen Volltreffer auf das Viadukt, durch den die Mittenwaldbahn für anderthalb Tage lahmgelegt wurde.
Auch der nächste Angriff wurde nur von wenigen Bombern geflogen. Sie griffen am 3. Dezember, diesmal wieder bei Tag, um 10:30 Uhr, an. Aufgrund der schlechten Sicht gelangen ihnen jedoch keine schweren Treffer. Am 7. Dezember 1944, ebenfalls ein Donnerstag, kam der letzte Nachtangriff auf Innsbruck um 5 Uhr früh. Nur vier Bomber waren beteiligt, die Bahnanlagen blieben unbeschädigt, jedoch waren zwei Todesopfer zu beklagen.
Viele der Bomben waren mit Verzögerungszündern ausgerüstet, wodurch sie bis zu vier Tage nach dem eigentlichen Angriff explodierten. Neben diesen Bomben stellten natürlich auch Blindgänger eine stete Gefahr für die Bürger der Stadt dar. Im Titelbild ist ein Schild neben der zerbombten Leopoldstraße 63 zu sehen, welches vor der Gefahr warnt.
(Signatur KR-PH-203)
Ja, das war einmal die „Priester-Villa“, jenes Dr. Priester, der erhängt aufgefunden worden ist – nachdem er tags zuvor geäußert haben soll…….Der Führer sei krank und gehöre „in Behandlung“……..und am Abend desselben Tages habe man einen Gestapomann gesehen, der aus der Villa heraus gekommen sei….
…..und am nächsten Morgen habe man den Dr. Priester erhängt aufgefunden…und zwar in einer solchen Art, daß er niemals allein „in die Schlinge hinein“ gekommen wäre – keine Leiter, kein umgestürzter Sessel, nix….
Wie schon einmal erwähnt: Das „Priester“-Grab ist (oder war) am Wiltener Friedhof, Grabfeld G.
Ja, und mit diesem Bild waren wir jetzt wieder an der Ecke Leopoldstraße – Frauenanger.
Zu Dr. Priester gibt es einen relativ neuen Artikel, der mit allen Legenden aufräumt und profund darlegt, was Fakt ist:
Stefan Dietrich: Tödliche Begegnung mit Hitler? Die Tragödie des Dr. Rudolf Priester – auf den Spuren eines Gerüchts, das Innsbruck bewegt(e).
erschienen in: Zeit-Raum-Innsbruck, Band 16: „Höhenflüge und Abgründe“.
2021 im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck erschienen. Wer will hier zu erwerben: https://www.innsbruck.gv.at/shop/zeit-raum-innsbruck
Weihnachten naht…
Beste Grüße,
Lukas Morscher
Danke für die Hintergrundgeschichte zu diesem Haus. Die Geschichte von einem Arzt, der als Behandler des Führers Zeuge eines peinlichen psychischen Zusammenbruchs oder Tobsuchtsanfalls werden mußte und deshalb mehr als nur mundtot gemacht worden sein soll, kannte auch meine Mutter. Allerdings von einem Arzt in Freiburg. Hm. Citylegend? Innsbruck und Freiburg verbindet eben mehr als eine Brücke.
Das Bild zeigt auch einen Luftschutzwart mit Schutzhelm, der anscheinend das Bombenereignis mit einer Bekannten diskutiert. Die Kinder möchten endlich weitergehen. Ich kenn das. Die unheimliche Nachbarschaft eines Blindgängers, dessen Abriegelung der Luftschutzwart wahrscheinlich im Auge behalten sollte, scheint die Menschen weniger zu bekümmern. Heute sperrt man ganze Stadtteile ab, wenn ein Bagger eine alte Bombe zu Tage fördert.
Interessant auch das etwas ramponierte Firmenschild von Reifen Rebitzer, den es noch eine Zeit lang noch in der Nähe gegeben hat, am Haus Nr. 59 prangte noch in den 70ern und Später das „S“ des Semperit-Logos. Die Adresse Salurnerstraße 18(?) erinnert an die Abbildungen vom alten Landhausplatz, auf denen ein Reifenhändler zu sehen ist.
Ein wenig Tratsch: Der Nachfolgebau des zerstörten Priesterhauses, Nr. 63, ist in eben diesen 70ern an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. An einem verregneten Samstagnachmittag fuhr ich mit dem Auto hinter einer kleinen Kolonne her, die von einem unendlich langsam fahrenden 500er Fiat angeführt wurde. Nach der Ampel beim Leuthaus wurde es dem Fahrer einer dahinter fahrenden leeren Zugmaschine eines Sattelschleppers zu bunt und er startete ein derart abruptes Überholmanöver, daß er mit dem schweren Fahrzeug ins Schleudern geriet und schließlich – peng! – im rechten Winkel die Gartenmauer der Nachfolgevilla durchbrach. Das hat ihn aber abgebremst und die Hausmauer blieb ganz knapp unberührt. Der eigentliche Verursacher im 500er war Kronzeuge. Man sah bis vor wenigen Jahren noch die Flickstelle des Mauersockels.
Aaah – d e s w e g e n ist Freiburg im Breisgau (übrigens schön dort!) Partnerstadt Innsbrucks!(Obwohls ja nie Olympische Spiele dort g’habt hätt…! – im Gegensatz zu Grenoble)
Aber doch noch schnell etwas zu Dr.Priester:
Als unsere ehemalige direkte Wohnungsnachbarin in der Maximilianstraße 3 erfahren mußte, ihr Gatte habe sich umgebracht (er war erpreßt worden und habe deshalb – als Bankangestellter – Unterschlagungen begangen – die er ausgerechnet mit einem möglichen Gewinn an einer Spielbank ausgleichen wollte) – da stürzte für sie eine ganze Welt zusammen. Am gesamten Körper zitternd, sei sie zu ihrem Hausarzt, eben jenem Dr.Priester.
Er habe sie als Allererstes dick in wärmende Decken eingehüllt – und ihr bei der Bewältigung dieses Schocks geholfen.
(Von ihrer kargen Witwenrente wurde zur Deckung des durch den Gatten verursachten Schadens jeweils der pfändbare Teil einbehalten) Und diese Nachbarin war es auch, welche meiner Mutter die Suizid-Version vom Tod des Dr.Priester erzählt hat.
Im Buch „Widerstand und Verfolgung in Tirol“ ist diese Geschichte ebenfalls enthalten, allerdings nicht im Band 2 – sondern im Band 1, der sich bei einem meiner Söhne befindet. Zeithistoriker….!!
Spät, aber doch noch. Ich besitze eine Aufnahme, die anläßlich eines dieser Nachtangriffe aus einem Bomber der RAF aufgenommen wurde. Die Stadt war durch den Abwurf der sogenannten Christbäume – an Fallschirmen hängende Leuchtmittelkanister – taghell erleuchtet, die Verdunklung nutzte gar nichts.
Auch wenn die Qualität recht schlecht ist (erkennt wer die Straßen? Ist das überhaupt Innsbruck?) gibt die Aufnahme das Schreckensszenario eines nächtlichen Luftangriffs überdeutlich wieder.
https://postimg.cc/MvNZWzf6