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Der Nationalsozialist

Der Nationalsozialist

Am 2. Mai 1924, einem Freitag, erschien die 18. Ausgabe des 2. Jahrgangs der Zeitung mit dem wenig kreativen Namen „Der Nationalsozialist – Kampfblatt der nationalsozialistischen Bewegung in Tirol und Vorarlberg“. Die Zeitung war 1923 gegründet worden, drei Jahre nachdem in Innsbruck eine Ortsgruppe der Deutschen Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (DNSAP) ins Leben gerufen worden war.

Neben Nachrichten über die Politik in der deutschen Republik und Außenpolitik enthielten die Ausgaben auch stets einige Artikel, die sich mit dem Judentum beschäftigten. Der Artikel in der genannten Ausgabe trug den Titel „Zur Judenfrage – ‚Lichtstrahlen‘ aus dem Talmud“.

Dort waren „Zitate“ aus dem Talmud aufgeführt, etwa Pesachim F. 113b:

„Liebet einander, liebet den Raub, liebet die Ausschweifung, hasset eure Herren und redet nie die Wahrheit“

Mit dem Kommentar versehen: „Letztere ‚Anweisung‘ des Talmuds halte sich jeder Nichtjude vor Augen, wenn er eine der großen Tageszeitungen oder überhaupt ein literarisches und wissenschaftliches Erzeugnis eines Juden liest; es ist zum besseren Verständnis des Inhaltes unbedingt nötig.“

Auch wenn man keine Übersetzung des Talmuds bei der Hand hat, dürfte dem Leser dieses Zitat wohl leicht suspekt wirken. Heutzutage ist es aber natürlich leicht, die entsprechende Passage zu finden, die sechs Worte mehr enthält als das Zitat des NS-Blattes:

„Fünf Dinge gebot Kenaan seinen Kindern: Liebet einander, liebet den Raub, liebet die Unzucht, hasset euren Herrn und sprechet nie die Wahrheit“

Kenaan ist in der Bibel der Sohn Hams, bzw. Enkel Noahs. Er wird von Noah verflucht und wird zusammen mit seinen Nachkommen zur Sklaverei verdammt. Er ist der Stammvater der Kanaaniter, einer der Stämme, gegen den die Israeliten im Alten Testament Krieg führen. Es ist also, wie man sich denken kann, kein Gebot an den Leser des Talmuds, sondern schreibt diese schlechten Eigenschaften Sklaven oder einem der Feinde Israels zu. Es entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie, dass der Autor des Artikels, in dem er die Juden beschuldigt, durch göttliches Gebot Lügner zu sein, die Wahrheit verdreht.

(Signatur Ph-34126)

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