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Endstation Innsbruck II

Endstation Innsbruck II

Die Verhandlungen zwischen den Sprechern der festgesetzten Jugendlichen und der Obrigkeit verliefen nicht erfolgreich und führten am Montag den 6 August 1951 zu einem „Kommunistenwirbel in Innsbruck“. Nachdem die KPÖ Unterstützung zugesagt hatte, brachen die Jugendlichen erneut Richtung Salzburg auf, wurden aber abermals von den Amerikanern gestoppt und unter Polizeibewachung zurückgeschickt. Eine Weiterleitung nach Ötz verhinderten die Jugendlichen, indem sie in Innsbruck die Notbremse zogen und „fluchtartig die Waggons“ verließen. Österreichische und französische Polizei setzten sie dann in der Unterführung des Bahnhofs fest.  „Nach stundenlangen Verhandlungen mit den Führern der Jugendgruppen“ kehrten die Franzosen wieder in die Ausstellungshalle zurück, die Engländer wurden in der Turnhalle in der Michael-Gaismayr-Straße untergebracht. (TT, Di 7.8.1951, S 3)

Die französischen Behörden wälzten in der Folge die Verantwortung, ab; die Stadt brachte die französischen Jugendlichen in der Höttinger Hauptschule unter. „Leider müssen die Innsbrucker mit ihren Steuergeldern für die Verpflegung und Unterbringung der Kommunisten sorgen“, monierte das ÖVP-Organ „Tiroler Nachrichten“ am 9. August. „Die zuständigen Behörden sind vorläufig machtlos. Man will alles vermeiden, was irgendwie zu Krawallen führen könnte, ist aber nicht gesonnen, auf Dauer den nicht von österreichischen Stellen verursachten Zustand aufrechtzuerhalten.“ (TN, 9.8., S. 3).

Am Donnerstag traf eine kommunistische Delegation aus Wien ein, die unter anderem Busse nach Linz und einige Alternativunterkünfte in Innsbruck organisierte. Die Stadtverwaltung hatte mitgeteilt, dass sie nur mehr für ein bis zwei Tage Quartiere stellen könne und zudem beschlossen, „kein Essen mehr auszuteilen, da die Jugendlichen plötzlich über nicht unbeträchtliche Geldmittel zu verfügen scheinen. Sie bezahlten kleinere Einkäufe mit 100-Schilling-Noten.“ (Volkszeitung, 10.8., S. 4)

Über eine Woche nach Beginn des politischen Hickhacks begannen sich die Notunterkünfte in der Leopoldschule und der Höttinger Schule (während zuerst von der Hauptschule die Rede ist, wird hier die Volksschule genannt) und konnten am Sonntag den 12. August spät abends geschlossen werden. Wie die Tiroler Nachrichten bemerkten, hatten die Jugendlichen „demonstrativ“ Fahrkarten zur Rückreise in ihre Heimatländer gekauft, jedoch benütze nur die Hälfte davon die fahrplanmäßigen Züge Richtung Westen. Andere hingegen gaben an, „über Italien in ihre Heimatländer zurückzureisen“ und für das ÖVP-Blatt lag es auf der Hand, dass sie versuchen würden, über den Brenner nach Lienz, und via britische und russische Zone doch noch „zu dem Ostberliner Weltjugendschwindel“ zu gelangen. (TN, 13.8., S. 2) Aber Hauptsache, abgereist, so das Blatt, das am 14. August 1951 zufrieden bemerkte: „Innsbruck ist die KP-Jugend wieder los!“

Ob auch Innsbrucker Jugendliche nach Ostberlin zu reisen versuchten, wird in der Berichterstattung übrigens nirgends erwähnt. Kann vielleicht einer oder eine unserer Leserinnen etwas dazu berichten?

Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, KR-NE-701 (Hauptbahnhof im Mai 1951, Foto Walter Kreutz)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Immer wieder sehr interessant, was alles in der Nachkriegszeit los war!

    Warum sollte eigentlich eine Weiterleitung der Jugendlichen nach Ötz erfolgen? Gemeint war sicher „Ötztal-Bahnhof“ und damit Haiminger Gemeindegebiet mit dem großem Haiminger Lager. Vielleicht gab es 1951 hier schon freie Baracken? Oder wollte man sie etwa im damals auch noch existierenden Lager Schlatt der Westtiroler Kraftwerke unterbringen – das wäre tatsächlich im Gemeindegebiet Ötz.

  2. Immer wieder, wenn ich Bilder vom Gelände des Innsbrucker Hauptbahnhofes sehe, denke ich an Weihnachten 1943! Wir hatten gerade vorher die ersten beiden Bombenangriffe halbwegs heil überstanden und es begann die Zeit der großen Flucht aus dem Stadtgebiet. Dazu kam noch, dass mein Vater 1942 in Frankreich eine TBC aufgegabelt hatte und in Herbst 1943 in die Lungenheilanstalt Gaisbühel bei Nenzing in Vorarlberg überstellt wurde. Der Zufall brachte es mit sich, dass eine Tante sich beim BDM mit einer Nenzingerin angefreundet hatte, deren Familie bereit war uns aufzunehmen!
    So brachen wir am Stefanstag 1943 auf ins Ländle. Mein Großvater hatte vorher noch die Lage erkundet und es wurde ihm geraten, den Südtiroler Platz zu meiden und stattdessen die ‚Abkürzung‘ von der Amraserstraße quer über den Frachtenbahnhof zu nehmen. So marschierten wir mit Sack und Pack vorbei an Bombentrichtern, in den Himmel ragenden Schienen, umgefallenen Masten herumliegenden Drähten und kaputten Zugsgarnituren. Überall wurde gearbeitet – Soldaten und Kriegsgefangene waren uns aber behilflich und lotsten uns durch das Chaos. Irgendwo stand dann tatsächlich ein Zug!
    Diese Bilder werde ich nie vergessen – ich war gerade sieben Jahre alt geworden.

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