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Eine Tiroler Kulturtragödie? (II)

Eine Tiroler Kulturtragödie? (II)

In meinem letzten Beitrag (12. April 2023) hatte ich die Vermutung geäußert, dass beim Anblick des Objektes bei einigen Leserinnen und Lesern Erinnerungen an Emotionen und Diskussionen wachgerufen würden, auch wenn die Ereignisse bereits 50 Jahre zurückliegen. Um das Ausmaß der öffentliche Erregung von damals mitbekommen zu haben, muss man heute mindestens die 75 Jahre überschritten haben, was den Kreis anscheinend doch stark eingeschränkt hat und die überschaubare Anzahl an Kommentaren erklären mag.

Diese Aufnahme zeigt die ursprüngliche Plastik (Quelle: TT 1971 Nr. 5, S. 3).

Tatsächlich handelte es sich dabei aber um den in meiner Erinnerung größten Kulturskandal in Tirol, und das in doppelter Hinsicht. Einerseits hatte schon die Existenz dieses Objektes eine bisher nicht gekannte Anzahl von Leserbriefen der Art „Aufgestellte Ofenrohre“, „Darmverschlingung“, „Staubfängerobjekt“, „Faschingsscherz“, „Schmarrn“ usw. In einer Befragung von zwölf Klinikvorständen durch den damaligen Obmann des Tyroler Künstlerbundes Anton Pohl im November 1971 gab es eine Enthaltung und zehn Gegenstimmen. Andererseits bildete die Demontage zwei Jahre später erst den Höhepunkt des Skandals. Denn im Jänner 1973 wurde die Plastik abgebaut und einer Installationsfirma übergeben. Als Grund wurde die in einem Gutachten der Hochbauabteilung der Landesbaudirektion aufgezeigte schlechte Montage und das darauf beruhende Sicherheitsrisiko angegeben. Der österreichweite Aufschrei war gewaltig: „Seit 1945 ist ein solcher Fall von Kunstzerstörung durch öffentliche Stellen nicht bekannt geworden!“ (Otto Mauer, Neue Vorarlberger Tageszeitung 31.1.1973).

Kommentar aus den OÖN v. 31. Jänner 1973.

Der Skandal ist auch noch Jahrzehnte danach Thema vieler kritischer Nachbetrachtungen: 1999: Irmgard Plattner „Kunst muss irritieren“ in „Tirol. Land im Gebirge“; 2007: Christine Riccabona, „Konflikte zwischen Literatur und Kunst in Tirol und den Ordnungshütern der Heimat und des Glaubens“ und 2020: Edith Schlocker: „anregende aufreger“, allesamt dem Tiroler Publikum, zu dem ich mich auch zähle, ein nicht gerade positives Zeugnis ausstellend.

Nicht nur Max Spielmann, sondern auch der bekannte Karikaturist Gerd Sallaberger (1928-2018) setzte sich mit der „Tiroler Kulturtragödie“ auseinander. TT v. 1.2.1973.

(Text: Josef Schönegger, Titelbild: Karikatur von Max Spielmann)

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare
  1. Ich hab den Wirbel um dieses billige Kunstwerk schon auch mitgekriegt. Aber mich jetzt noch aufregen? Wenn sich der Oberdings für einen Künstler hielt, weil er ein wenig zum Gesamtstunk der Welt beitragen konnte?

    Inzwischen sind eine Unzahl ästhetikbefreiter Machwerke gefördert, aufgestellt, ausgebuht und vergessen worden. Förderungsgrund waren wie immer ahnungslose, auf der Zeitgeistsuppe herumrudernde Menschen öffentlichen Auftretens, die notfalls mit der Nazikeule – jaja, entartete Kunst, gell, auch so einer, pfui pfui pfui – jede Kritik niederschlugen.
    Ich denke da nur an die Einbildung, daß schon ein Witzwort, ein lustiger Einfall wie das bis zum Abwinken bemühte „Grüß Göttin“ oder das vom Eisengerüst der Hungerburgbahn ins Zentrum auf das Museum Ferdinandeum promovierte übertragene Babygebrabbel als anbetungsbefohlenes Kunstwerk von Weltruhm gilt. Gelten muß, sonst entartete Kunst. In der Musik ist es ja das gleiche, da müssen wir zwischen der unerreichten Schönheit immer wieder ein Nachtstück für Taubenschlag und umstürzenden Geschirrschrank, geschrieben im Fecciarosso zwischen Mailand und Bologna, über uns ergehen lassen, Und klatschen, sonst – eh schon wissen.

    Wir haben schon soviele Bosnigel, Gangster und schlichte Dummköppe, die uns den Nerv ziehen und uns ärgern. Welche Zierde wäre es für die Kunst, sich nicht in diesen Chor einzugliedern, sondern hoch über diesem Schindanger vom Gewöhnlichen befreit dem Menschen Freude bereiten zu wollen. Freude! Bitte googeln, wenn unbekannt.

    Grad durfte im unsäglichen Ö1 Nat King Cole zwischen Haydn und Heitor Villa – Lobos sein Määäädrid Määähdriiiid gröhlen, was solls.

      1. Das paßt zum einmal gelesenen Bonmot „Früher waren die Künstler naiv und die Mäzene gerissen, heute ist es umgekehrt“. Quelle leider vergessen.

        1. Kishon, jetzt weiß ichs wieder 😀 ! Google legt es sinngemäß (Mäzen = Käufer, gerissen = clever) wiederum F. J. Strauß in den Mund. Posthumer Plagiatsskandal.

    1. Jetzt hab ich Fecciarosso gegoogelt – bin aber nur auf den Hochgeschwindigkeitszug Frecciarossa (den Roten Blitz also) gestoßen – also, jetzt weiß ich wieder ein bißl mehrer als zuvor!

          1. Roter Bodensatz :-). Klingt Mao-Chinesisch, falsch übersetzter Roter Vorsprung in der deutschsprachigen Variante der China Reconstructs.

    1. Im Ferdinandeum liegt nicht das Kunstwerk, sondern seine Einzelteile. Man kann diese natürlich wie mit Legobausteinen beliebig neu zusammensetzen. So geschehen 2019 im Ferdinandeum in einem wegen der Klimatisierungsprobleme leeren Raum mit ein paar wenige Teile davon und dem Hintergrund von Peter Kogler.
      https://www.tt.com/artikel/16315778/peter-kogler-und-oswald-oberhuber-invasion-der-schwarzen-ameisen
      Schaut doch großartig aus.
      Zwar: de mortuis nil nisi bene. Aber Oberhuber fehlte meiner auch selbst erlebten Ansicht nach die Empathie für den Raum seiner Installation. Er erklärte nach der anfänglichen Aufregung, die Irritation sei beabsichtigt und die Besucher sollen sich eben deswegen damit auseinander setzen. Der Aufenthaltsraum war aber der Treffpunkt der Patienten mit ihren Besuchern, und die hatten wirklich Anderes im Kopf, als sich mit dem monströsen Gebilde im Hintergrund zu befassen.

      1. Es ist schon eigenartig: Die Plattitüde mit den Ameisen geht bei mir durchaus als Kunstwerk durch, die Röhren aber nicht. Es geht mir um die schmale Grenze zwischen Überraschung und Alltäglichem. Was aber der Menschheit wurscht sein soll und wird.
        Und wieso das Museum „… dringend umgebaut werden muss“ und das inzwischen wohl niemand mehr bezweifelt? Ich weiß, Museen sind nach neuer Definition nicht mehr sich selbst genügende Horte der Bewahrung von Unersetzlichem, sondern müssen vollgestopft mit verwunderten Menschen unheimlich viel Schpaaaaß machen.

  2. Wie einfach war die Zeit in der sich die Meinungsfreiheit auf solche Themen beschränkte und die Diskussion in halbwegs geordneten Bahnen verlief.
    Die libertas hat sich heute zur libertinage verändert,was die Themen wie auch die Aggressivität der Auseinandersetzung betrifft.Leider

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