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Eine Feste Burg

Eine feste Burg

Heute blicken wir ein wenig über die Stadt hinaus und begeben uns – mit Bildern und Materialien aus dem Stadtarchiv – auf eine Zeitreise in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Brixen. Dort hatte Vinzenz Gasser, Fürstbischof der Diözese Brixen, die zum damaligen Zeitpunkt bekanntlich auch weite Teile Tirols und natürlich auch Innsbruck umfasste, im Oktober 1873 den Grundstein für ein bischöfliches Gymnasium gelegt. Das später nach ihm benannte Vinzentinum, das im Titelbild zu sehen ist.

Vinzenz Gasser war in 1809 in Inzing geboren worden. Er besuchte das Gymnasium in Innsbruck, besuchte anschließend die philosophischen Kurse an der Innsbrucker Universität und studierte in der Folge Theologie in Brixen. Im Jahr 1833 empfing er die Prieserweihe und kehrte daraufhin als Professor an das Priesterseminar nach Brixen zurück. Im Revolutionsjahr 1848 vertrat er den Landkreis Bruneck in der Frankfurter Paulskirche. Ein knappes Jahrzehnt später, wurde er zum Fürstbischof von Brixen geweiht. Er war im Übrigen der erste Bischof, der nach dem neuen, im Konkordat von 1855 festgelegten Modus der Bischofsbestellung ernannt worden ist. Schon vor seiner Weihe hatte er sich zu politischen Fragen geäußert und war als Verfechter konservativer Werte aufgetreten, auch danach setzte er diesen Weg fort und nutzte dabei sein rhetorisches und publizistisches Talent in Hirtenbriefen und Predigten: er engagierte sich für die ‚Glaubenseinheit‘ Tirols – also gegen die Errichtung evangelischer Gemeinden in seiner Diözese – und gegen die Religionsfreiheit im Allgemeinen. Auch opponierte er gegen die Anerkennung von Mischehen zwischen Katholiken und Protestanten. Ein besonderes Konfliktfeld zwischen Fürstbischof Gasser und den staatlichen Autoritäten war die Schulpolitik: Als mit Reichsvolksschulgesetz die staatliche Schulaufsicht beschlossen wurde, demonstrierte er heftig dagegen und wies Pfarrer und Gläubige an, staatlichen Schulinspektoren den Zugang zu Volksschulen zu verweigern. Dies führte in mancherlei Dorf zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Inspektoren und der Bevölkerung.

Sterbebild für Vinzenz Gasser, mit einer Abbildung der von ihm gegründeten Schule, damals noch ohne Kirche. Das Papst hatte überdies allen, die das abgebildete Gebet zum Segen der Schule beten, „so oft wenn sie dieses thun, einen Ablaß von 100 Tagen“ verliehen. Stadtarchiv/Stadtmuseum Sommer 22-134a.

Dieses Misstrauen gegenüber der liberalen staatlichen Schulpolitik sowie der Wunsch nach einem besser ausgebildeten Priesterstand führten zur Gründung des fürstbischöflichen Knabenseminars im Jahr 1872, also vor 150 Jahren. Die ersten Kurse wurden noch im fürstbischöflichen Schloss Thurneck in Rotholz (heute Landwirtschaftsschule) begonnen. 1873 folgte dann die Grundsteinlegung von Schule und Internat im Norden von Brixen, ein Jahr später wurde schließlich der Grundstein für die angeschlossene Kirche (geweiht dem Herzen Jesu) und darunterliegenden Parzivalsaal (beide mit beeindruckendem Bildprogramm) gelegt. Für die Kirche hatte Papst Pius IX. einen Stein aus den Katakomben des Heiligen Kalixt in Rom als Grundstein gespendet. Trotz des Verlustes eines großen Teils des Baugeldes beim Wiener Börsencrash konnte das Gebäude bis 1876 soweit fertiggestellt werden, dass die ersten Schüler einziehen konnten. Die Brixner Kirchenzeitung sprach anlässlich dieses Ereignisses die Hoffnung aus: „Möge Gottes reicher Segen auf dem neuen Institute ruhen, das die überaus wichtige Bestimmung hat, die Pflanzsstätte des Seelsorgsklerus unserer Diöcese für die Zukunft zu werden!“ Auf der anderen Seite des politische Spektrums sprach man indes abwertend von einer „geistlichen Drillanstalt im Jesuitenstyl“ (Die Presse, 23. April 1872).

Der Innenhof der ‚Kischte‘ um 1920. Stadtarchiv/Stadtmuseum Ph-15149

Schon 1879 erhielt das Gymnasium vom Unterrichtsministerium in Wien das Öffentlichkeitsrecht, sprich es konnte öffentlich anerkannte Zeugnisse ausstellen. Innerhalb von wenigen Jahren erhielt die Schule großen Zuspruch und zog Schüler aus dem gesamten Tiroler Raum, ja so darüber hinaus an. Nach dem Tod Gassers 1879 erhielten Schule und Internat den Namen Vinzentinum. Im Volksmund setzte sich allerdings bald ein anderer Name durch: die ‚Kischte‘ – was, betrachtet man das Gebäude, auch sofort einleuchtet.

Generationen von Priestern und Theologen gingen aus dem Haus hervor. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der Teilung Tirols und der Diözese und den damit verbundenen Schwierigkeiten der Einreise nach Italien für Schüler, entschloss sich der für die neu zu gründende Diözese Innsbruck eingesetzte Apostolische Administrator Sigismund Waitz zur Gründung eines eigenen Knabenseminars – das spätere Paulinum in Schwaz. Mancher Lehrer übersiedelte von Brixen nach Schwaz, auch das Inventar wurde zwischen den Schulen geteilt.

Beide Schulen existieren bis heute und sind gefragte Bildungseinrichtungen, auch wenn das ursprüngliche Ziel, Priesternachwuchs für die Diözese(n) auszubilden, heute ganzheitlicheren Bildungszielen gewichen ist.

(Ansicht vom Vinzentinum, damals noch im weitgehend unverbauten Norden der Stadt. Stadarchiv/Stadtmuseum Ph-15150)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. In diesem Gymnasium unterrichtete in den ersten Jahrzehnten eine legendäre Persönlichkeit, der Naturgeschichtelehrer Alfons Quellacasa, allgemein als „der Gulli“ bekannt. Einer meiner Brixner Vorfahren, Heinrich Fink, hat ihn persönlich als Schüler erlebt. Eines seiner Leibsätze war „…namhafte Experten stimmen mit mir iberein“.
    Um den Gulli rankten sich viele Geschichten, sie erschienen, von Schülern und Schülerlateinern zusammengetragen, auch in zwei Büchlein. Wen es interessiert, es gibt einen Nachdruck, erhältlich über sagen.at/doku/gullibuch/Gullibuch.html

    Man verkennt einwenig den damaligen Einfluß der Schule auf die Heranzucht von Priestern. Da war der Einfluß des Elternhauses ungleich größer. Häufig stammte der Wunsch, ein Sohn solle Priester werden, nicht selten Dank von oben erhoffend, aus einem Gelübde der Eltern. Vorallem Bauern sahen es als Ehre an, einen der Buben Theologie studieren zu lassen. Ehe da wieder auf die heutige Zeit geschlossen wird: Dem Wunsch der Eltern zu widersprechen galt im 19. und auch noch anfangs des 20. Jhdts als absolutes no-go.

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