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Ein Hauch Von Luxor

Ein Hauch von Luxor

umweht dieses außergewöhnliche Haus, das so gut wie unverändert (nur der linke Gartenausgang wurde verschluckt und der hölzerne Zaun durch eine massive Mauer ersetzt) seit knapp 100 Jahren auf Nummer 33 an der damals noch lückenhaft besiedelten Reichenauer Straße steht. Schon in einem Artikel von Lukas Morscher ging es, speziell im Forum, ausführlich um dieses Gebäude. Erbaut hat es Hans Blaas, dessen Werdegang und Portefeuille an ausgeübten Berufen und Vereinstätigkeiten beeindruckend sind. Im Innsbrucker Adressbuch residierte er ab 1927 immer nur unter dieser Adresse, zunächst mit der für den Autor dieser Zeilen unverständlichen und in unserer Stadtgeschichte ausschließlich von ihm selbst verwendeten Berufsbezeichnung „Sensale an der Warenbörse“. Nach etwas gegoogle erfährt man, dass in Österreich mit Sensale eine besondere Börsenfunktion bezeichnet wird, der dem Makler ähnliche Aufgaben erfüllt. Hat dieser 1894 in Schwaz gebürtige Mann also in Frankfurt, Zürich, Wien oder New York in jungen Jahren sein Vermögen gemacht und sich dann hier niedergelassen? Hat sich diesen kleinen ägyptischen Tempel (Kollege Morscher empfand visuell eher eine Südstaaten-Villa) in die Wiesen der Reichenau gestellt, mit von Säulenkränzen umstellten Pylonen, deren Kapitelle mehr von Edfu und Philae inspiriert scheinen als vom Graeco-Klassizismus eines Theophil Hansen in Wien oder des Leo von Klenze in München?

Die Geschichte ist etwas anders verlaufen. Der jugendliche Hans Blaas war im Ersten Weltkrieg schwer verwundet worden und hatte am Monte Piano 1915 ein Bein verloren. Die Kriegserlebnisse und deren politsche Folgen ließen ihn in vielen Vereinen aktiv werden, naheliegend ist da auch die spätere Obmannschaft im Invalidenverband 1937. Zuvor war er noch Mitbegründer und Aktivist im Verband der katholischen Burschen- und Jugendvereine gewesen.

Beruflich blieb Hans Blaas nach Konsultation der Zeitungen und Gelben Seiten allerdings auch immer in Innsbruck. Er war nämlich als Sensale ausschließlich Makler an der dem Autor dieser Zeilen bisher völlig unbenannten Warenbörse Innsbruck. Diese Warenbörse war im Krisensommer 1919 ins Leben gerufen worden. In den zur Eröffnung erschienenen Berichten wird auf die glorreiche Entwicklung Bozens verwiesen, wo seit dem Mittelalter Warenbörsen und Messen zum unermesslichen Reichtum der Bozner Kaufleute beigetragen hatten. Zu diesem Zeitpunkt Mitte 1919 war Südtirol dauerhaft unerreichbar und in Innsbruck mangelte es an so gut wie allem (im Winter drauf gab es dann auch Hungerkrawalle). Die Innsbrucker Kaufmannschaft reagierte mit der Gründung einer „Börse“. Börsengebäude war zunächst das vakante Café im Stadtsaal, das ausreichend Platz und Bequemlichkeit für die verschiedenen Angebote lieferte. Etwa 1925 tauchte das Café Kreid am Boznerplatz als Handelsort auf (mit seiner Nähe zur Wirtschaftskammer natürlich praktischer gelegen), später kam auch noch das benachbarte Café Weiß in der Wilhelm-Greil-Straße hinzu.

Man hätte diese Börse auch „Gelegenheits-Versteigerungsplatz gestrandeter Warenbestände“ nennen können, diesen Eindruck gewinnt man, wenn man die Annoncen der auf dem provinziellen Floor tatsächlich getradeten Waren betrachtet. Hier ein paar Zentner Rohzucker, da ein herrenloser Bestand Gefrierfleisch, gelegentlich Emmentaler Käse, zunächst immer wieder bündelweise Stoffe und Kleider oder ein paar Festmeter Holz in Brettern, in den 1930er Jahren dann meist nur mehr Felle und Häute. Es wurde stets ein Vadium vorgeschrieben, an anderen Börsen so etwas wie der Nachweis der finanziellen Liquidität der möglichen Bieter. In den Inflationszeiten verlangte man hier manchmal 1 Million Kronen, später oft 500 oder 1000 Schillinge. Meistens stand in den Berichten dann auch noch, dass der Umsatz und Besuch mäßig gewesen waren, was dann dem schönen Wetter oder auch der allgemeinen wirtschaftlichen Lage zugeschrieben wurde.

Hans Blaas war nebenbei oft als Ausgleichsverwalter bestellt. Zu dieser vielschichtigen Biografie passt es da ganz gut, dass er rund um die Fertigstellung des Eigenheimes selbst einmal den Ausgleich anmelden musste. Vielleicht auch deshalb wohnten in dem großen Haus neben der Familie auch immer eine Reihe anderer Persönlichkeiten, von Miltärs im Ruhestand bis zum städtischen Gärtner. Im Jahr 1932 erwarb Hans Blaas das Heimatrecht in Innsbruck, 1934 promovierte er mit 40 Jahren an der Universität Innsbruck zum Doktor der Rechte. Im selben Jahr heiratete er auch Therese Messner aus St. Nikolaus. In der späteren Zwischenkriegszeit annoncierte Hans Blaas seine beit gefächerten Tätigkeiten auch als Exekutor von Inkassogeschäften, als Immobilienmakler und als Betreiber einer Botenzentrale, alles mit Standort Altstadt, Hofgasse 2.

1938 verschwand dann die Innsbrucker Warenbörse aus den Zeitungen. Dort hatte man unvorsichtigerweise kurz nach dem Anschluss einen Bericht über rezent erzielte Höchstpreise publiziert, was jedoch der vom NS-Regime vorgeschriebenen Preisstabilität widersprach und man darob sogar einen Errata-Artikel nachreichen musste. Ein vorangekündigter Börsetag im Herbst entfiel, die Idee des freien Handels wurde von der faschistisch gelenkten Kriegswirtschaft verschluckt. Die Warenbörse wechselte aus der Meinhardstraße 14 ins Privathaus des nunmehrigen Sensalen, Fregattenkapitän a. D. Ernst Sauter, in die ferne Bruder-Willram-Straße 5. Als dritter Funktionär der „Börse“ sei noch Max Otter aus der Mariahilfstraße 38 genannt, der spätestens ab 1928 auch als Handelsmakler agiert hatte.

Hans Blaas war nie Mitglied der NSDAP sondern wurde in der NS-Zeit wiederholt denunziert. Im August 1946 wurde er (selbst wie oben erwähnt Invalide des Ersten Weltkriegs) Landesobmann des Tiroler Kriegsopferverbandes. Dieser konnte Empfehlungen für seine Mitglieder aussprechen, auch was die Vergabe zentral regulierter Lizenzen betraf. In den Adressbüchern nach 1945 übte Dr. Hans Blaas dann stets den Beruf des Trafikanten aus. Als solcher hat er seinen Kunden unter anderem Zigaretten der Marken Memphis oder Nil zum staatlich festgelegten Monopolpreis verkauft. Blaas blieb in den Nachkriegsjahren politisch aktiv, auch noch 1953 beim Tiroler Heimatbund, sein auserkorener innerparteilicher Lieblingsgegner war dabei jahrelang der Kurzzeit-Landeshauptmann und spätere Außenminister Karl Gruber. Bei der Gründung des VdU wurde er als möglicher Verbindungsmann des FPÖ-Vorgängers in die konservativen Kreise der ÖVP vorgeschlagen. Hans Blaas starb 1964 in Innsbruck, seine acht Jahre jüngere Frau Therese folgte ihm 30 Jahre später. Die Trafik im Zentrum von Innsbruck wurde von Tochter und Enkelin übernommen und besteht dort noch heute.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Der Tiroler Kunstkataster schreibt über die Villa Blaas in der Reichenauer Straße 33:

    „Erbaut 1926/1927, Umbau 1964/1965. Spätsezessionistische, wienerische Villa mit verfremdeten
    klassizistischen Elementen. Betonte, jedoch leicht verschobene Mittelachse mit Doppelerker-Motiv.
    Zweigeschoßiger, dreiteilig gebildeter Baukörper mit Walmdach. Der Mittelteil durch zwei
    segmentbogige, von dienstartigen Rundstäben gegliederte Vorsprünge akzentuiert, verbunden durch ein
    weit vorkragendes Traufgesims. An der Hinterfront Terrassen mit dekorativen Eisengittern.
    Gartenmauer mit Steinplastiken.“

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