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Ein Wenig (erweiterte) Heimatkunde

Ein wenig (erweiterte) Heimatkunde

Der 20. September ist (oder wahrscheinlich war) Südtiroler Volkschülerin und Volkschüler als Geburtstag eines der berühmtesten Erfinders des Landes und dessen tragischer Geschichte bekannt. Am 20. September 1822, also heute vor 200 Jahren, erblickte Peter Mitterhofer in Partschins das Licht der Welt. Mitterhofer war Zimmermann und ein begnadeter Tüftler und entwickelte in den 1860er Jahren mehrere Schreibmaschinenmodelle. Mit den jeweils am weitesten ausgereiften Modellen machte er sich zweimal zu Fuß – wie man in der Volksschule ungläubig von seiner Lehrerin hörte – auf nach Wien, um sie Kaiser Franz Joseph und seinen Beratern vorzuführen.

Die Tragik der Geschichte ist jedoch, dass die kaiserlichen Experten zwar das Funktionieren der von Mitterhofer entwickelten Schreibmaschine anerkennen, sie aber lediglich als Kuriosum erachten und nicht erkennen, welch revolutionäres Potential in der Maschine steckt. Mitterhofer erhält das Lob des Kaisers und die Schreibmaschinen werden für die Sammlung der technischen Lehranstalt in Wien angekauft. Sie sollen den Studierenden als Beispiel für den Fleiß und die Strebsamkeit eines Erfinders dienen, an eine Patentierung oder gar Fertigung wird indes nicht gedacht.

Die weitere Geschichte ist rasch erzählt: Mitterhofer gab die Weiterentwicklung der Schreibmaschine auf und in den USA ließ Christopher Latham Sholes die von ihm selbst entwickelte Schreibmaschine 1868 patentieren. Von den USA aus verbreitete sich die Schreibmaschine (der Firma Remington) stetig und veränderte anfangs zögerlich, dann aber immer rascher und nachhaltig die Arbeit in der Verwaltung und Büros. Mitterhofer starb 1893 in seiner Heimat, ohne vom Erfolg der Schreibmaschine zu profitieren und verbittert, wie vielfach zu lesen ist. Heute erinnert dort ein Museum an seine lange verkannte Erfindertätigkeit.

In der lokalen Presse fand die Erfindung Mitterhofers schon 1867 einen ersten Niederschlag, wenngleich der Redakteur den Namen des Erfinders falsch geschrieben hatte. In der kurzen Meldung (siehe unten) wird die mögliche zukünftige Bedeutung der Maschine zwar angedeutet, gleichzeitig lässt der Schreiber der Nachricht eine gewisse Technikskepsis durchblicken.

Innsbrucker Nachrichten, 13. Dezember 1867.

Auch in den kommenden Jahren überwogen in den vereinzelten Nachrichten in der Innsbrucker und Tiroler Presse die kritischen Stimmen, was die mögliche Verbreitung der Schreibmaschine – nun schon als amerikanische Erfindung ’stigmatisiert‘ – betrifft. Besonders der Verlust an Arbeitsplätzen wurde prognostiziert. Aber auch negative Auswirkungen auf die intellektuellen Fähigkeiten der Menschen wurde befürchtet.

Neue Tiroler Stimmen, 29. Mai 1875.

Diese Befürchtungen konnten natürlich die Verbreitung der Maschine und die Rationalisierung von Schreibarbeiten nicht aufhalten. Die Massenarbeitslosigkeit blieb aus, stattdessen entwickelten sich neue Berufsbilder – Stenotypistinnen, Schreibmaschinenmechaniker und -verkäufer (einige Werbungen aus den Innsbrucker Adressbüchern hier und hier).

Wie rasch die Verbreitung der Schreibmaschine in den Innsbrucker Büros erfolgte, ist schwer genau zu beziffern. Sucht man in ANNO nach dem Begriff „Schreibmaschine“ so zeigt sich für Innsbruck als Erscheinungsort, dass bis in die 1890er Jahre nur vereinzelt Nachrichten zu finden sind. Danach nehmen die Treffer rasch zu, was auf eine zunehmende Bewerbung und auch entsprechende Verwendung schließen lässt. Dazu passt auch ein Beispiel, das ich kenne: In der Verwaltung der Innsbrucker Universität tauchen ab den späten 1890er Jahren erstmals maschinengeschriebene Dokumente auf. Dort war es interessanterweise die als konservativ verschmähte Theologische Fakultät, die als erste eine Schreibmaschine benutzte. Schon zu Beginn des Ersten Weltkriegs war der Siegeszug der Schreibmaschinen nicht mehr aufzuhalten, bis auch sie irgendwann obsolet wurden.

(Titelbild: Innsbrucker Nachrichten, 19. April 1924)

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare
    1. Fein, Herr Auer, dass ich Sie wieder einmal in diesem Forum sehe – ich habe schon geglaubt, dass nur mehr Herr Hirsch vom harten Kern übrigbleibt!! Mir sind besonders die vielen Links, die Sie uns zu den verschiedenen Beiträgen geboten haben, abgegangen! Man konnte schnell auf diese Seite gehen, konnte sich weiterbilden und musste nicht selbst lange herumsuchen!! Ich bedanke mich im Nachhinein dafür und hoffe, dass Sie weitermachen!!

      1. Vielen Dank für Ihre Zeilen, Herr Roilo! Schön, dass Herr Hirsch und Sie als Kommentatoren hier immer wacker die Stellung halten.
        Aus Zeitgründen kann ich leider nicht mehr so viel schreiben wie früher, aber wenn es sich ergibt immer gerne! Dafür haben bestimmt viele, viele andere die Gelegenheit, bei den Rätseln zu glänzen und fleißig mitzuraten. Alles Gute!

        1. Ich bin richtig froh, Herr Auer, dass es „nur“ Zeitmangel ist, dass wir Sie so selten spüren, es gäbe Schlimmeres! Ja – sicher hätten sehr viele Innsbrucker die Gelegenheit, in diesem Forum mitzumachen – sie tun es leider nicht, oder nur passiv!
          Auch ich wünsche Ihnen alles Gute!

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