Ein besonderer Punkt
Im Titelbild sehen Sie einen Ausschnitt aus einem Blatt des Katasterplans von 1856 als Teil des sog. Franziszeischen Katasters. Zu sehen sind darauf sattsam bekannte Gebäude der Altstadt mit der entsprechenden Beschriftung sowie der Rennweg mit dem Baumbestand; sogar das Reiterstandbild von Erzherzog Leopold ist abgebildet. Lenkt man den Blick indes auf Pfarrkirche St. Jakob, fällt im linken unteren Eck ein eigentümliches Dreieck auf. Das Zeichen weist den Südturm der Innsbrucker Pfarrkirche als besonderen trigonometrischen Punkt aus. Die Spitze des Turms bildete nämlich den Koordinatenursprung für die Vermessungsarbeiten zum Franziszeischen Kataster in Tirol.
Der Franziszeische Kataster, benannt nach Kaiser Franz II./I., war die erste vollständige Aufnahme aller Grundstücke der Monarchie und sollte in erster Linie zur Neuregelung und Vereinheitlichung der Grundsteuer erhoben werden. Dieses Großprojekt dauerte von 1817 bis 1861 und war eine riesige technische und personelle Herausforderung. Das Ergebnis war die Erfassung von knapp 50.000.000 Millionen Grundparzellen auf etwa 160.000 Mappenblättern. Eine Folge des Katasters war auch die Einrichtung des Grundbuchs im Jahr 1871. Zumal Grund und Boden nun erstmals vollständig aufgenommen waren, wurden diese auch kapitalisierbar, was letztlich zu einer neuen wirtschaftlichen Dynamik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte. Daneben stellt der Kataster in seiner Genauigkeit noch heute eine wichtige und faszinierende Quelle dar, insbesondere in Kombination mit den Grund- und Bauparzellenprotokollen.
An die Funktion des Turms von St. Jakob als Ursprung des Koordinatensystems erinnert auch eine Tafel, die allerdings etwas versteckt bzw. relativ hoch angebracht ist.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Pl-661 – Ausschnitt)
Sehr interessanter Beitrag zu einem wichtigen historischen Thema! Der Franziszeische Kataster ist ja ein Glanzstück der Kartografie im 19. Jahrhundert.
Im Text steht, dass sogar der Leopoldsbrunnen abgebildet sei. Das ist leider ein offenkundiger Irrtum, weil der Leopoldsbrunnen in seiner heutigen Gestalt erst 1893 geschaffen wurde. Vorher stand die Reiterstatue des Erzherzogs Leopold ganz allein auf einem Sockel. Von Brunnen keine Spur, bitte korrigieren!
Lieber Herr Auer,
vielen Dank für den Hinweis, das war natürlich ein Fehler meinerseits. Ich habe das im Text oben korrigiert.
LG
Ch. Aichner
Die Gedenktafel am Südturm des Doms zu St. Jakob stammt interessanterweise erst aus jüngerer Zeit und wurde 1990 feierlich eingeweiht.
Die Enthüllung der Gedenktafel durch Bürgermeister Romuald Niescher und den
Präsidenten des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen Dipl.-Ing. Friedrich
Hrbek fand am 28. Juni 1990 statt.
Die Stadtnachrichten würdigten die Einweihung mit einem eigenen Bericht samt Foto:
http://amtsblatt.stadtarchiv-innsbruck.at/bild.php?id=8321&suchtext=KOORDINATENURSPRUNG
Zwei weitere schöne Denkmäler der Landvermessung von 1851 und 1888 befinden sich in der Haller Straße und in der Pestalozzistraße. Das Denkmal in der Haller Straße trägt u.a. die schöne Inschrift: „IN.MENSVRA.ET. PERPENDICVLO.VERITAS.“ Frei übersetzt: „In Maß und Lot liegt Wahrheit.“
Zum Titelfoto ist vielleicht noch interessant, dass es sich wohl um eine vereinfachte Ausführung des Franziszeischen Katasters handelt. Indiz dafür ist u.a. die fehlende Grundstücksnummerierung.
In der Urmappe sind die Grundstücke nummeriert und die Gebäude je nach Nutzung anders eingefärbt, vgl. dazu dieses Digitalisat desselben Kartenbildes in der Urmappe:
https://maps.arcanum.com/en/map/cadastral/?bbox=1268256.8375507328%2C5986060.687585713%2C1268706.5022561918%2C5986206.3956708815&layers=3%2C4
Wenn man genau hinschaut, sieht man auch, dass die Bäume am Rennweg unterschiedlich eingezeichnet sind. Ein weiterer Unterschied ist der Brunnen in einem Innenhof der Hofburg, welcher im Gegensatz zur Urmappe fehlt.
Archiviert sind die handkolorierten und handgezeichneten Originale der Urmappen im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen in Wien.
Zur Illustration noch ein Ausschnitt aus dem Blatt 2 der „Übersicht der sämtlichen Catastral-Gemeinden in Tirol und Vorarlberg“ von 1861.
https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=Uebersichtskarten_georef&scale=36111.9818670124¢erx=1274335.2955069453¢ery=5985653.113845895¢erspatial=102100&map=2634
Zu sehen ist der Ursprung des Koordinatensystems für Tirol in Nord-Süd- und West- Ostrichtung am Südturm des Innsbrucker Domes, der auch den Blattschnitt des Franziszeischen Katasters definiert hat. Vor allem sind aber auch die zwei Basispunkte eingezeichnet, an deren Stelle die von Herrn Auer beschriebenen Denkmäler an der Haller Straße stehen. Sie bildeten die Endpunkte der Basislinie von 5.671 Meter, von der aus die Vermessung aller Grund- und Hausparzellen mittels Triangulierung erfolgte.
Wer sich die Enden der Basislinie in Natura ansehen möchte: Es handelt sich um zwei Steinpyramiden, die erste steht in einer Mini-Grünanlage nördlich der Haller Straße im Bereich der BP-Tankstelle vor der Firma BoConcept, die zweite in Hall am Spielplatz Kugelanger zwischen der Kreuzung Innsbrucker Straße – Bahnhofstraße und dem Kloster / Pflegeheim Haus zum Guten Hirten.
Interessant ist vielleicht auch, daß bis zum Ende der Monarchie sich die Koordinaten auf Ferro bezogen, nicht auf Greenwich.
Ist hier auf der abgebildeten Tafel ersichtlich.
aus Wiki
In der Antike galten die Kanarischen Inseln als das westliche Ende der Welt. Claudius Ptolemäus legte daher um 150 den durch die Kanaren verlaufenden Meridian als Nullmeridian fest. Später wurde diese Festlegung auf die westlichste Insel El Hierro präzisiert. Es entstand der Ferro-Meridian,[2] nach dem sich die geographischen Koordinaten zahlreicher Navigations- und Landkarten vom 16. bis ins 19. Jahrhundert richteten. Damit wurde die Insel im Volksmund auch Isla del Meridiano oder Isla del Meridiano Cero genannt. Erst als 1884 der Meridian von Greenwich als Nullmeridian international festgelegt worden war, begann seine Bedeutung zu schwinden.
Liebes Expertenforum,
vielen Dank für Ihre zahlreichen Kommentare und Hinweise auf weitere Erinnerungen an dieses Großprojekt des 19. Jahrhunderts im Raum Innsbruck und die Links zu weiteren Mappenblättern.
Ch. Aichner