Ein berüchtigter Winter
Ein Titelbild, das sowohl in seiner künstlerischen Darstellung beeindruckt (zumindest meiner Meinung nach), als auch mit der sich hinter dem Bild verbergenden zerstörerischen Kraft. Was Rudolf Preuss lediglich mit leicht blauen Schattierungen darstellt, würde sich in Realität als gewaltige Schneemassen präsentieren, die hoch über darunter stehenden Menschen ragen würde. Das Gemälde hält die Folgen der Mühlauer-Klamm-Lawine des 21. Jänner 1951 fest. Es blickt in die Mühlauer Klamm mit Aussichtspunkt nähe der Schweinsbrücke, mittig ist das damalige E-Werk Mühlau zu sehen. Zu beachten ist auch, dass es sich bei dem hellgrünen „Gebüsch“ auf der linken Seite nicht wirklich um Gebüsch handelt, sondern um Baumspitzen. Die herausragenden Bäume mögen als Indikator dienen, wie hoch sich der Schnee um das damalige Werk sammelte.
Der Winter 1951 war zweifellos folgenschwer in der Art und Weise, wie die Wetterbedingungen in der gesamten alpinen Region vielzählige Lawinenabgänge verursachte. Allerdings lassen sich diese Auswirkungen gerade im Fall der Mühlauer-Klamm-Lawine veranschaulichen. Eine Mischung aus trockenem und nassen Lockerschnee sowie die spätere Verknüpfung von Lawine und Mure sind beides Faktoren, die eine derartige Naturgewalt erzeugten, dass sowohl Schutzbauten als auch Bannwälder schlicht dem Erdboden gleichgemacht wurden. Aber auch diese Metapher trifft in diesem Fall auf ihre Grenzen, denn sogar der Erdboden wurde an gewissen Stellen von der Lawine mitgerissen.
Die Auswirkungen auf das E-Werk entpuppten sich als zerstörerisch: Obwohl zunächst die Lawine die Maschinen selbst teilweise verschonte, wurde das Kraftwerk am Folgetag durch die Stauung des Mühlauer Bachs verschüttet. Mit enormer Kraft zwängte sich von der Grundlawine mitgerissenes Geröll zwischen und gegen die Maschinen, wodurch sich die Innenräume teilweise meterhoch füllten. Wie das die derzeitige Errichtung des neuen Mühlauer Kraftwerks beeinflusste, können Sie in diesem früheren Beitrag zur Geschichte des Kraftwerks lesen. Noch intensiver als das Aussetzen des E-Werks schien jedoch die katastrophale Zerstörung von zwei der drei Hauptwasserleitungen, die Innsbruck mit Trinkwasser versorgten. Die ohnehin knappe Wasserversorgung minderte sich somit auf weniger als ein Drittel, was die Stadt für einige Tage in Wassernot versetzte.
Doch diese Lawine ist nur eine einzelne Veräußerung der Brutalität dieses Winters, wenn auch eine überzeugende. Sämtliche Nachbarsdörfer litten unter den ständigen Lawinen enorm. Die Ausgaben der Tiroler Tageszeitung vom 21. bis 23. Jänner 1951 berichteten von einer Art Alarmzustand im gesamten Tirol. So etwa wird darüber geschrieben, wie das gesamte Zillertal eine Zeit lang ohne Strom verblieb. Der Arlberg sei so tief verschneit wie seit 26 Jahren nicht mehr: In Lech wurden 4 Meter Schnee berichtet, in Zürs sogar 4,5. Aber auch außerhalb von Tirol wurden ständige Lawinenabgänge gemeldet, wie etwa in Kärnten und Salzburg. Fälle, in denen ganze Anwesen und Bauernhöfe komplett verschüttet oder sogar auch weggerissen wurden, waren leider keine Seltenheit für diese Zeit. Unter diesen Umständen innerhalb Österreichs und ähnlichen Zuständen in Nachbarländern, wie etwa der Schweiz, wurde dieser Winter als „Lawinenwinter 1951“ bekannt. Ein weiterer solch großräumiger und verheerender „Lawinenwinter“ soll im alpinen Raum erst wieder im Jahr 1999 vorgekommen sein.
Helmut Heuberger (1952/1953): Die Mühlauer-Klamm-Lawine vom 21. Jänner 1951 und ihre Folgen (mit 1 Skizze und 6 Abb.). – Veröffentlichungen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum – 032_033: 5 – 13.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Signaturen: Bi-g-1736, Ph-A-835-3-005, Ph-A-835-2-083)
Verfasser: Kevin Albu