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Drei Heilige Und Eine Pest (I.)

Drei Heilige und eine Pest (I.)

Im Namen der Dreiheiligenkirche versteckt sich ein subtiler Hinweis, dass sie über mehr als einen Patron verfügt. In Anbetracht der Umstände der Gründung ist es vielleicht verständlich, dass man es nicht bei einem Heiligen beließ, sondern zur Sicherheit gleich drei nahm.

Als im Oktober 1611 mit dem Bau der Kirche begonnen wurde, wütete in Innsbruck seit einigen Monaten bereits eine Pest. Nicht die Pest wie es scheint, es wird allgemein davon ausgegangen, dass es sich um Fleckfieber handelte, auch wenn Diagnosen nach vier Jahrhunderten selten Anspruch auf Gewissheit erheben können. Genannt wurde es zeitgenössisch auch die „ungarische Krankheit“, da es sich wohl von Osten kommend ausgebreitet hatte.

Die ersten Fälle in Tirol dürften durch einen Zug von gefangenen Osmanen ausgelöst worden sein, die zu Beginn des Jahrhunderts durch Tirol nach Genua gebrachten werden sollten, um dort verkauft zu werden. Seitdem gab es immer wieder kleinere Herde der Krankheit, so auch in Schwatz im Februar 1611. Sie flackerte dort immer wieder auf, die anfänglichen Maßnahmen wurden mehrmals fallengelassen und wieder verhängt, da sie sich zu Beginn nicht sonderlich rasch ausbreitete und es bedenken gab, den Handel zu stark zu beeinträchtigen. So griff die Seuche bald in die umliegenden Orte über, darunter auch Innsbruck. In Schwaz raffte sie beinahe ein Drittel der Bevölkerung dahin, über 2000 Todesopfern waren zu beklagen. In Innsbruck forderte sie Seuche 222 Tote. Der Grund für die gewaltigen Zahlen in Schwaz ist vermutlich in der bitteren Armut von Teilen der örtlichen Bevölkerung zu suchen, nachdem die silbernen Zeiten des Bergwerkes Vergangenheit waren. Dies war bereits das Urteil des Pestarztes Dr. Paulus Weinhart, der die Stadt mehrmals besucht hatte, um die Krankheit zu untersuchen und feststellte, dass es sich wohl um Fleckfieber, oder wie er es nannte, „die ungarische Krankheit“, handelte.

Der Bau der Dreiheiligenkirche war eine der Maßnahmen mit der die Stadt versuchte, den Ausbruch zu bekämpfen. Melchior Köstlan, ein Jesuitenpater, der die Kranken betreute, plädierte für die Errichtung des Gotteshauses, doch auch die medizinischen Autoritäten sahen religiöse Buße als notwendigen Bestandteil der Seuchenbekämpfung, so etwa der erwähnte Pestarzt Dr. Paulus Weinhart. Geweiht wurde sie den Heiligen Pirmin, Rochus und Sebastian, allesamt Heilige die als Schutzpatrone gegen die Pest helfen sollten. Als sie Ende 1613 fertiggestellt wurde, besaß sie noch nicht einen deutlich über das Kirchenschiff hinausragenden Turm, der erst durch eine Spende Maximilians des Deutschmeisters zwei Jahre später ermöglicht wurde.

(Signatur Ph-7014)

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
  1. „Als sie Ende 1913 fertiggestellt wurde“ – I don´t know about that……
    Da wird im letzten Absatz aus Plausibilitätsgründen wohl 1613 gemeint sein?

    Das Titelfoto mit seiner künstlerischen Darstellung der Dreiheiligenkirche samt Lokomotive ist sehr putzig und drollig! Der etwas charmante Hintergrund mit Patscherkofel, Serles und Nockspitze stimmt ja so überhaupt nicht mit der Realität überein. Künstlerische Freiheit nennt man das wohl.

    1. Vielen Dank für den Hinweis, da hat sich ein Tippfehler eingeschlichen – es ist ja nicht der Kölner Dom.
      Mit den etwas geschönten Hintergrund haben sie wohl auch recht, zumindest die Himmelsrichtung stimmt 😉

  2. Ein Treppenwitz der Geschichte ist, dass die Dreiheiligenkirche seit 1785 ja in der Tat eine Vierheiligenkirche ist, wie man auch am neoromanischen Fassadenmosaik erkennen kann.
    Das Mosaik ist von 1900, womit sich auch ein Terminus post quem für diese lustige Postkarte ergibt.

  3. Einer der ältesten Pläne im Onlineportal „Historische Karten Tirol“ ist interessanterweise ein Situationsplan der Dreiheiligenkirche von 1612.

    Man sieht auf dem Plan u.a. die Kirche, den Pestfriedhof und auch die große und die kleine Sill, wohl eine der ältesten Darstellungen des Sillkanals:
    https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=SonstigeKarten_Plaene_nicht_georef&scale=2256.998866688275&centerx=1269154.3976953248&centery=5985802.810087688&centerspatial=102100&map=2593

    1. Spannend war das Auffinden dieses Planes. Er ist mir erstmals in der Österreichischen Kunsttopographie Bd. 45 von 1981 als kleines Schwarzweiß-Bildchen aufgefallen, den ich unbedingt in die Sammlung HIK aufnehmen wollte. Die Quellenangabe dazu war „Mus. Ferd. Innsbrucker Mappe“. Eine Nachfrage in der Bibliothek des Ferdinandeums blieb ohne Erfolg. Mein Freund Meinrad Pizzinini gab mir dazu die folgende Information: „Die „Innsbrucker Mappe“ gibt es nicht mehr. Davon weiß die heutige Bibliotheksbesatzung nichts mehr. Sie war eine Schachtel, in die alte Innsbruck-Ansichten kunterbunt ohne genauere Inventarisierung und Verzettelung hinein gegeben wurden. Erst unter Dr. Wieser als Bibliothekar wurde sie – schon aus konservatorischen Gründen – aufgelöst. Die genannt Ansicht wirst du finden im „kleinen Zettelkatalog“ von Innsbruck unter Kohlstatt oder Universitätsstraße oder Dreiheiligen oder Dreiheiligenkirche“ . Leider war er auch unter diesen Stichworten weder in der Bibliothek noch im Zeughaus zu finden. Mag. Sila hat mir dann den entscheidenden Tip gegeben, nämlich in der Abteilung graphischen Sammlungen nachzusehen: Kustos Dr. Dankl hatte den Plan tatsächlich in seiner Sammlung.

  4. Ein interessantes Detail:
    Die erste Frau von Dr. Paul Weinhart, die Wohlersame Anna Juliana Hildtprandtin erlag im Jahr 1611 selbst der Pest! Am 4. Juni 1612 heiratet er seine zweite Frau Anna Burglechner.

    Zur Nachkommenschaft bzw. Deszendenz des berühmten Pestarztes Paul Weinhart gehört u.a. auch Marie Grass-Cornet, deren Tagebücher hier wöchentlich publiziert werden. Ihre Großmutter mütterlicherseits war Anna Fuchs geborene von Weinhart zu Thierburg und Vollandsegg.

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