Die Jesuiten im Jahr 1848
Der Jesuitenorden (SJ) prägte seit der Gründung eines Kollegs im Jahr 1562 die Geschichte der Stadt entscheidend mit. Insbesondere die Innsbrucker Bildungsgeschichte ist eng verbunden mit den Geschicken des Ordens, unterhielt dieser doch das Gymnasium und spielte seit 1669 auch in der Universität eine wichtige Rolle. Mit dem Nikolaihaus führte der Orden außerdem ein Kolleg für arme Schüler und Studenten. Eingebunden in das Netzwerk des jesuitischen Ordens etablierte sich zudem ein reger Austausch von Personen und Ideen aus dem süddeutschen Raum, der Schweiz und Italien.
Damit war es 1773 vorerst vorbei, als der Orden durch den Papst aufgelöst wurde. Erst im Jahr 1839 wurden die Jesuiten in Tirol wieder zugelassen (der Orden schon 1814), und die SJ übernahm neuerlich die Leitung des Gymnasiums und nun auch des Theresianums. Außerdem betreute er die Dreifaltigkeitskirche. Das ehemalige Nikolaihaus konnte der Orden ebenfalls wieder kaufen, und errichtet dort schließlich ein Theologiestudium für Ordensmitglieder.
Die Freude währte für den Orden allerdings nicht lang, denn im Zuge der Revolution von 1848 (deren 175jähriges Jubiläum heuer weitgehend geräuschlos vonstatten geht) verbot Kaiser Ferdinand den Orden neuerlich, galt dieser den Protagonisten der Revolution doch als Inbegriff der Rückständigkeit – gerade im Bereich des Bildungswesens. Liberale Zeitgenossen nahmen das Verbot des Ordens daher mit Genugtuung auf, so liest man beispielsweise in der kurzlebigen, liberalen Innsbrucker Zeitung vom 6. Juni 1848, dass die Aufhebung ein Gewinn sei, da die Methoden und „dessen Lehrplan und Wirken in der ganzen gebildeten Welt gründlichen Tadel“ erfahre.
Die Skepsis gegenüber den Jesuiten in Innsbruck hatte sich im Revolutionsjahr schon vor dem Verbot gezeigt, sodass es offenbar zu Protesten gegen die Jesuiten seitens der Studenten gekommen war. Die Jesuiten dementierten zwar einen Vorfall, dies scheint allerdings hauptsächlich der öffentlichen Beruhigung gedient zu haben.
Allerdings waren nicht alle Menschen in Innsbruck mit der Aufhebung des Ordens und der Anordnung, dass die Ordensmitglieder das Land verlassen mussten, einverstanden, wie die Petition an das Gubernium im heutigen Titelbild zeigt. Dort forderte die Bürgerschaft der Stadt das Gubernium auf, beim Ministerium gegen diese Anordnung zu protestieren.
Am interessantesten an dieser Petition finde ich dabei allerdings nicht die Sache an sich, sondern dass die Bürgerschaft dabei mit den gerade erst bewilligten verfassungsmäßigen Bürgerrechten argumentierte und selbstbewusst betonte nicht Gnade, sondern Recht zu fordern. Innerhalb von wenigen Monaten seit Gewährung der ersten Verfassung der Monarchie im April 1848 hatte die Bürgerschaft Innsbrucks die garantierten bürgerlichen Rechte bereits verinnerlicht und sahen in den Anordnungen gegen die Ordensmitglieder einen Bruch dieser verbürgten Rechte, was einen fundamentalen Wandel im Rechtsverständnis verdeutlicht. Auch wenn die Verfassungen der Revolutionsperiode später wieder kassiert wurden, konnte das Versprechen dieser verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte nicht mehr aus den Köpfen der Menschen getilgt werden. Eine neue Verfassung war daher nur eine Frage der Zeit, was sich dann in den 1860er Jahren auch verwirklichen sollte.
Letztlich hatte der Einschreiten der Bürgerschaft aber nur bedingt Erfolg. Erst im Jahr 1857 konnte der Orden in Innsbruck wieder richtig Fuß fassen, dann jedoch mit einem Paukenschlag, als der Kaiser dem Orden die Führung der neu gegründeten Theologischen Fakultät in Innsbruck übertrug. War die Entfernung der Jesuiten 1848 eine Handlung mit großer symbolischer Wirkung gewesen, galt dasselbe nun auch in umgekehrter Richtung und verdeutlicht die veränderte Stimmung in der neoabsolutistischen Ära nach der Revolution. Insbesondere die Liberalen sah darin ein Zeichen einer neuen Dunkelheit nach der Morgendämmerung der Revolution und kritisierten die Entscheidung unverhohlen. Was folgte waren jahrzehntelange Kämpfe um die Rolle und die Sonderstellung der Fakultät innerhalb der Universität, die letztlich auch eine Auseinandersetzung darüber waren, welche Rolle die Kirche und die Religion im Bildungssystem spielen sollten. Der Anziehungskraft der Fakultät und des Kollegiums tat dies keinen Abbruch, wobei diese weit über die Grenzen des Landes und der Monarchie Studierende anzog. Das ist dann aber wieder eine andere Geschichte.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum VO-53)