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Der Verhinderte Stadtpark

Der verhinderte Stadtpark

Als es im Frühjahr 1907 so aussah, als könnte die Stadt Innsbruck in Kürze die sogenannten Zelgergründe zwischen der heutigen Maximilian-, Leopold- und Heiliggeistraße erwerben, „um hier einen öffentlichen Park zu errichten“, zeigten sich die Innsbrucker Nachrichten voll des Lobes und des Vertrauens in die Stadtväter (IN, 6. April 1907):

Die Stadt Innsbruck ist leider sehr arm an größeren Plätzen und Parkanlagen, es er­gibt sich also hier wohl die letzte Gelegenheit, diesen Fehler einigermaßen gut zu machen. Gerade an einem solchen, von allen Seiten er­reichbaren Zentralpunkt, wäre eine Parkanlage eine Wohltat für die Bevölkerung unserer Stadt. Bei den modernen Ansichten über Städtebau ist wohl kaum daran zweifeln, daß unsere Gemeindevertretung die Gelegenheit nicht vor­übergehen lassen wird, sich hier ein dauerndes Denkmal ihrer Voraussicht und ihres Weit­blickes zu sichern. Die Erwerbung dieses Grundes seitens der Stadt bedeutet für Wilten und Innsbruck die einzige Möglichkeit, innerhalb der Stadtmarken einen für jedermann, nament­lich auch für die Jugend, wertvollen Erholungsplatz zu schaffen, der für die Stadt auch in hygienischer und ästhetischer Hinsicht einen Ge­winn darstellt, welcher die dafür gebrachten Opfer für alle Zukunft reichlich entschädiget. In 50 Jahren würde man der jetzigen Gene­ration das Versäumen dieser letzten Gelegenheit schwer zum Vorwürfe machen, dann wäre aber auch mit den schwersten Geldopfern der Fehler nicht mehr gut zu machen.

Die von den IN erhofften Qualitäten der „Voraussicht und des Weit­blickes“ reichten dann aber doch nicht ganz so weit voraus. Sehr rasch nahmen vor allem Pläne zur teilweisen Verbauung Richtung Leopold- und Heiliggeistraße konkrete Formen an, inklusive eines „großen Geschäfts- und Wohnhauses“ samt „Kinematographenteater“. (IN, 18. Mai 1911, S. 3) Und wenig überraschend formierte sich Widerstand von AnrainerInnen und ParkbefürworterInnen.

Stellvertretend seien drei flammende Appelle in der Presse erwähnt. „Haben wir noch nicht genug an einem halben Dutzend Kinematographen, nicht schon genügend Warenhäuser, die einander Konkurrenz machen?“, fragte „v. W.“ in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. Mai 1911. Die Zelgergründe der „Bauwut“ zu opfern wäre „geradezu erschütternd und nie wieder gutzumachen“. Stattdessen sollte ein kleiner Erholungspark angelegt werden, der sich bis zur Triumphpforte herum erstrecken sollte. „Das Denkmal ruft förmlich nach Freiheit, nach grüner Umrahmung.“

Ins selbe Horn stieß vier Tage später „L. L.“ seines Zeichens „Ein wahrer Freund seiner Vaterstadt“: „In anderen modernen Städten werden ganze Reihen, mitunter der schönsten Häuser, niedergerissen, um breiten, bepflanzten Straßen Platz zu machen. Und jetzt, im 20. Jahrhundert des Fort­schrittes, will man den einzig verfügbaren, schönen, großen Platz ‚Neu-Innsbrucks‘ mit modernen Zins­kasernen, Kaufläden usw. verbauen?“ Die „einzig richtige Lösung“ sei ein hübscher Stadtpark- oder Volksgarten – und zudem „sollte man das schon seit Jahren geplante Tiroler Volkskunst- und Gewerbe-Museum“ auf dieser Fläche realisieren. (IN 24. Mai 1911)

Ein halbes Jahr später ließ der konservative Allgemeine Tiroler Anzeiger vom 24. Jänner 1912 „Das Schicksal der Zelgergründe“ Revue passieren und geizte nicht mit Attacken auf die deutschliberale Stadtpolitik, die auch „das letzte freie Fleckchen mit Zinskasernen vollstellen ließ“: „Der Mangel an städtischen Anlagen, bedeutende­ren Anlagen, ist für Innsbruck charakteristisch. Wir besitzen zu wenig Anlagen und unter diesen wenigen solche, die nicht nur klein, schofel, sondern auch so ungünstig gelegen sind, daß man ja nicht auf sie Hinweisen, davon lieber schweigen sollte.“ Deshalb habe der seinerzeitige Entschluss des Gemeinderates, „diesen altbekannten Fehler unseres Stadtbildes“ auf den Zelgergründen zu mindern, „freudige Erregung hervorgerufen“. Dann aber passierte Monate, ja zwei Jahre lang nichts. Statt dass gepflanzt wurde, bot sich „als neueste Sehenswürdigkeit der Fremdenstadt eine Wüste inmitten der Stadt zu Ansicht“ dar. Das könne aber nicht wirklich verwundern. Schließlich, so der ATA, hätten die „gemeinderätlichen Bodenspekulanten“ die Aussicht auf einen Park lediglich als Vorwand benutzt, um den Grund unter Wert an sich zu reißen. Nun aber gäbe es „keine Hoffnungen mehr auf eine städtische Parkanlage an der Maximilianstraße“, denn „nach dem Ratschlusse der Oligarchen“ würden bald „himmelhohe Ziegelmauern den freundlichen Sonnenstrahlen den Weg versperren“.

Letztendlich blieb das Match der Park- und der Verbauungsbefürworter für etwa ein halbes Jahrhundert lang unentschieden. Wie man auf der obigen Aufnahme aus der Mitte der 1920er-Jahre erkennen kann, präsentierten sich die Zelgergründe noch immer als ziemliche „Gstettn“ – für die in der Zwischenzeit aber zweifellos auch sinnvolle Nutzungen gefunden wurden…

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, KR-PL-3566)

Dieser Beitrag hat 14 Kommentare
  1. Auf dem Foto ist eine interessante Anlage mit quadratischem Platz erkennbar, die dem EWI-Hochhaus zum Opfer gefallen ist.

    Der Bismarkplatz überlebte als solcher bis zum Bau des Holiday Inn. Aber das weiß eh ein jeder. Nicht so bekannt ist vielleicht die Nutzung des Grundstücks für Zirkusaufbauten und sonstige Artistik. Ich erinnere mich an eine Hochseilvorführung mit Anstieg zum Hochhaus. Ein schwer verdientes Einkommen, schon allein wegen der Klamauk Ambiance.

  2. Auf dem zauberhaften Titelfoto gibt es etliche interessante Details zu beobachten.

    Die Steidle-Villa ist zum Beispiel gerade eingerüstet.
    Die Nationalbank fehlt noch in der Adamgasse.

    Wann mag es wohl entstanden sein? Etwa noch in der Goldenen Ära des Ballonfahrens?

  3. Auch der ca. 1927 erbaute Uhrturm beim Bahnhof fehlt noch!

    Das Foto muss also sehr früh entstanden sein. Möglicherweise noch vor Eröffnung des Flughafens in der Reichenau.

  4. Das ist ja eine tolle Aufnahme, beinahe alle Stadtteile Innsbrucks auf einem Bild! Auch wenn das eine oder andere Gebäude noch nicht vorhanden ist, gibt es viel zu entdecken, man kann richtig eintauchen in diese Häuserschluchten. Bei einem dieser Tauchgänge habe ich eine alte Bekannte wieder gefunden: die Zelger-Villa an der Welsergasse, hier zum ersten Mal in ihrer gesamten Länge.
    Das Canisianum steht auch schon. Es wurde lt. Wikipedia 1910/11 erbaut. Vielleicht – neben den Hinweisen von Herrn Auer – eine weitere Möglichkeit, die Entstehungszeit dieser Aufnahme einzugrenzen.
    Bei dieser Gelegenheit eine Frage an die geschätzten TeilnehmerInnen dieses Forums: Weiß jemand, wann der südliche Teil der Wilhelm-Greil-Straße (Bozner Platz – Salurner Straße) fertiggestellt wurde? Auf den alten Aufnahmen sieht es für mich so aus, als sei der nördliche Teil, vormals Karlstraße, früher entstanden.

    1. Grüß Gott, Frau Stolz! Eigentlich wollte ich Sie schon gestern drauf aufmerksam machen, dass man „Ihre“ Zelger-Villa hier besonders gut sieht!
      Zu dieser Zelger-Villa möchte ich gegenüber dem letzten Beitrag, in dem so viel darüber geschrieben wurde, https://innsbruck-erinnert.at/ich-habe-da-ein-album-entdeckt-xii/ – noch etwas anbringen: Im Zötsch – Gemälde haben wir festgestellt, dass sich im Ostteil der Villa in den Dreißigerjahren eine Reifenfirma angesiedelt hat (Tafel „Semperit Cord“) – https://innsbruck-erinnert.at/selten-in-farbe-ein-raetsel-mit-vielen-hinweisen/
      Ich habe dann herausbekommen, dass es sich um den Anfängen der bekannten Firma Reifen Rebitzer gehandelt hat.
      Nun habe ich im Findbuch Innsbruck 1938 eine Annonce gefunden: https://postimg.cc/qN05pXfR
      Die Zelger – Villa hatte also zumindest seit der Umbenennung der Straßen nach Südtiroler Städten die Adresse Salurnerstraße 18, eigentlich klar, denn der Haupteingang war sicher vom Süden her durch die Parkanlage. Hinten hinaus zur Welsergasse wird es schon auch ein Türl gegeben haben, damit man schneller in die Stadt kam.
      Die Salurnerstraße war ja vorher (wahrscheinlich im WK I) die Kaiser Wilhelmstraße, mit dem noch früher durchgeführten Durchstich dieses Straßenzuges durch die Parkanlage hieß auch das Teilstück Triumphpforte bis zum Bahnhofsplatz / Bahnstraße (heutiger Südtirolerplatz) anscheinend Maximilianstraße.

  5. Zur Wilhelm Greilstraße noch: Der Nordteil (Museumstraße – Bozner Platz) bestand als Karl-Straße schon länger, dem Ausbau des Südteils stand lange das Fuggerhaus (Handelsakademie) im Wege. Darüber war in https://innsbruck-erinnert.at/im-weg-gestanden/ und https://innsbruck-erinnert.at/haeusersalat/ zu lesen. Das Rettungsheim stand jedenfalls schon in der Baufluchtlinie der späteren Wilhelm Greilstraße, auch das Eckhaus am Boznerplatz.

    1. Vielen lieben Dank, Herr Roilo, dass Sie mir – wieder einmal – so ausführlich geantwortet haben! Ich lerne hier ständig dazu, und gleichzeitig kann ich ein bissl Heimweh abstreifen, wenn ich in Gedanken oder anhand eines Plans durch Innsbrucks Straßen gehe. Überhaupt sind die Straßen ein interessantes Kapitel, finde ich. Schon erstaunlich, wie oft und aus welchen Gründen sich bei manchen im Laufe der Zeit Name oder Verlauf geändert hat. Und bei der aktuell äußerst aktiven Bautätigkeit bleibt dieses Thema wohl weiterhin spannend …

  6. Exzellente Kommentare zur Datierung – ganz richtig! Die Aufschrift auf dem Originalkuvert des Fotos lautet: „8. August 1925. [..] Gegenstand der Aufnahme Innsbruck gegen Norden vom Fokker.“

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