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Der Gute Ruf Des Westens

Der gute Ruf des Westens

Als der Autor dieses Beitrags im zarten Kindesalter eines Tages im Sommer mit seinen Eltern und Geschwistern per Autofähre von Italien nach Griechenland übersetzte, entspann sich ein in im Rahmen der familiären Usancen durchaus normaler Disput zwischen älterem und jüngerem Bruder, das Thema ist, da 45 Jahre her, nicht mehr erinnerlich und auch nicht so wichtig. Der Ort des Geschehens war der Salzwasserpool der Fähre (wer damals hin und wieder mit solchen Schiffen unterwegs war, erinnert sich an alle möglichen und unmöglichen Zustände sanitärer Installationen an Deck). Da kam eine Stimme aus dem Hintergrund, ein älterer Mitreisender fragte uns aus dem greco-italienischen Stimmengewirr heraus etwas schneidend:
– „Seids es Hettinger?“
was wir wahrheitsgetreu bejahten, davonstieben und uns dann samt Familienrat darüber wunderten, dass dieser Unbekannte aus diesen wenigen vorgetragenen Flüchen und Beleidigungen nicht nur die Stadt, sondern auch genau das Herkunftsviertel unserer Kindheit heraushören konnte. Für unsere Mutter, die als Wienerin ein gewisses Operetten-Libretto-Repertoire kannte, war es fast ein My-Fair-Lady-Moment.

Es war dann knapp zwei Dekaden später, als sich im ersten Kennenlern- und Abtast-Prozess mit dem Vater einer Freundin, der seinerseits aus Seefeld stammte, die Frage nach der regionalen Herkunft stellte. Auf die vorgebrachte Antwort kam postwendend folgende Kurzgeschichte:

Ein Gondoliere steht an seiner kleinen Brücke im Cannareggio und sieht eine Gruppe Touristen nahen, denen er, wie in seinem Beruf üblich, seine Fährdienste anpreist.
(Mit starkem italienischem Akzent vorgetragen):
– „Buongiorno signori, meine ‚Errschaften, wunderschonen guten Tag, darf ich Ihnen bitte anbieten eine kleine Fahrt mit meine schone Gondola an diese ‚errliche Giornata in unsere schone Stadt?“
(Einer aus der Gruppe antwortet):
– „Geh fliag decht o Du bleder Trottel.“
(Der Gondoliere):
– „Ah, die ‚Erren kommen aus ‚Ötting?“

Aus der Erstbegegnung mit dem Vater der Freundin ist trotzdem lebenslange Wertschätzung und Zuneigung geworden, was sicher auch daran liegt, dass die Menschen aus Hötting derlei völlig aus der Luft gegriffene Vorurteile und Zuschreibungen kennen und das Problem professionell verarbeiten können. Nicht mehr ganz sicher war ich allerdings nach diesem Witzchen, was der Herr am Pool der Adria-Fähre eigentlich zu meinem Bruder und mir sagen wollte.

(Sammlung Nemec Brunner)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Der Herr war sicher nur erfreut darüber, weit weg von den heimatlichen Bergen ein paar vertraute Laute zu hören. „Des hoamalet“ wird er sich gedacht haben. Heutzutage ist es nichts Besonderes mehr, im hintersten Winkel der Welt eine Landsfrau / einen Landsmann zu treffen. In den 50-er Jahren hat man sich manchmal aber noch mit der Lichthupe „zugeblinzelt“, wenn man im Ausland einem Auto mit Tiroler Kennzeichen begegnet ist.

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