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Der „böse“ Ludwig (Teil III)

Der „böse“ Ludwig (Teil III)

Wir nähern uns langsam dem Ende des Dramas. Heute erfahren Sie, wie die Wahrmund-Affäre ausgegangen ist.

Nachdem Wahrmund seine augenscheinlich ketzerische Rede gehalten hatte und diese dann anschließend sogar gedruckt wurde, ging es in Innsbruck drunter und drüber. Katholiken und Deutschfreiheitliche diskutierten darüber, wie nun mit der Person Ludwig Wahrmund umgegangen werden sollte. Inmitten der hitzigen Debatte befand sich eine Regierung, die es keiner Seite mehr Recht machen konnte. Unterrichtsminister Marchet konnte Wahrmund zwar zu einem Urlaub überreden, allerdings hatte das Kollegium der juristischen Fakultät vor, Wahrmunds Vorlesungen für das Sommersemester gänzlich entfallen zu lassen, woraufhin deutschfreiheitliche Studenten erstmals mit einem Streikvorhaben drohten.

Als Wahrmund am 1.Juni sein kirchenrechtliches Seminar trotz Einwände dennoch begann, wollten katholische Studenten in den frühen Morgenstunden die Universität besetzen. Die verschlossenen Türen hinderten sie allerdings an ihrem Vorhaben. Der Statthalter Graf Spiegelfeld ordnete daraufhin an, die Vorlesung von Ludwig Wahrmund einzustellen, was der akademische Senat widerwillig in die Tat umsetzte. Es folgte ein dreitägiger Generalstreik an allen österreichischen Hochschulen: „Die deutschfreiheitliche Studentenschaft hat am Sonntag […] beschlossen, für den Fall, als Professor Wahrmund am Lesen verhindert werden sollte, die schärfsten Mittel dagegen anzuwenden. Nun haben die Innsbrucker Studenten heute sofort ihren Kommilitonen an den anderen Hochschulen telegraphisch von der erfolgten Sistierung der Vorlesungen Mitteilung gemacht“ (Neue Freie Presse, Nr.15728, 3.6.1908, S. 3.). Interessant ist hierbei, dass für diesen kurzen Zeitraum die freiheitliche Studentenschaft geeint gegen das Leseverbot Wahrmunds vorging. Nationale Spannungen untereinander spielten vorübergehend keine Rolle, denn es überwiegte der Antiklerikalismus und der Kampf für die Lehrfreiheit: „Die freisinnigen Studenten deutscher und czechischer Nationalität in Prag haben heute nachts beschlossen, morgen mit dem Streik einzusetzen […]“ (Ebd.). Die Christlichsozialen forderten den Unterrichtsminister dazu auf, der Unruhe ein Ende zu bereiten. Die Rektoren der Hochschulen wurden daraufhin für eine Konferenz nach Wien gerufen, was den Streik nochmals verlängerte. Man einigte sich darauf, dass Ludwig Wahrmund mit 1. Oktober desselben Jahres nach Prag an die deutsche Universität versetzt werden sollte, um dort seine Lehrtätigkeit fortzusetzen. Am 24. Juni 1908 nahm die Universität Innsbruck den Lehrbetrieb wieder auf.

Damit schließe ich das Kapitel Ludwig Wahrmund und hoffe, Ihnen ein spannendes Kapitel der Innsbrucker Universitätsgeschichte nähergebracht zu haben. Ich würde mich freuen eventuell wieder ein paar Kommentare von Ihnen lesen zu können. Da bekanntlich in der Kürze die Würze liegt, musste ich die Ereignisse rund um Wahrmund etwas kompakt darstellen. Wer an der Langversion der Wahrmund-Affäre interessiert ist, dem kann ich folgenden Beitrag empfehlen, den auch ich für meine Recherchen herangezogen habe: Gunda Barth-Scalmani, Krisensymptome 1908: Die Wahrmund-Affäre, in: Margret Friedrich/ Dirk Rupnow (Hrsg.), Geschichte der Universität Innsbruck 1669-2019. Band I: Phasen der Universitätsgeschichte. Teilband 1: Von der Gründung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Innsbruck 2019, S. 518-532.

(Verena Kaiser)

(Foto: Kikeriki, 2.4.1908)

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  1. Ich hab diese Wahrmund Affäre im gesellschaftlichen und politischen Spannungsfeld der damaligen Zeit interessiert verfolgt. Leider kann ich wenig dazu beitragen, aber mir fiel der Name Spiegelfeld auf, wohl wegen der zurzeit wieder laufenden Sendungen ‚Herrschaftszeiten‘, die ich gerne verfolge.
    Dieser hier erwähnte Statthalter Graf Spiegelfeld wohnte damals im Schneeburgschlössl und hatte in seiner Karriere neben dieser Wahrmund Affäre viele weitere Troubles in einer aufgeheizten Zeit am Hals.
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Markus_von_Spiegelfeld

  2. Lieber Herr Pechlaner,

    vielen Dank für Ihr Feedback. Es freut mich, dass ich Sie für die Wahrmund-Affäre begeistern konnte. Wer weiß, vielleicht wird bald der nächste historische Innsbrucker Skandal hier behandelt.

    Ich wünsche ein schönes Wochenende!

    Verena Kaiser

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