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Atemberaubende Schönheit

Atemberaubende Schönheit

Wenn man unter Boomern ein wenig ins Räsonieren kommt, wird gern auch die allgemeine Ungläubigkeit gegenüber den Selbstoptimierungszwängen der Generation Z besprochen. Die jungen Leutchen sind schwer unter Druck, so auszusehen, wie sie das selbst für perfekt halten. Dies ist in der Regel genauso schwer erreichen wie wir es damals nicht schafften so hart wie Belmondo und so weich wie Delon auszusehen, so tanzen zu können wie Travolta, witziger als Kottan zu sein und Gedichte schreiben zu können wie Ernst Jandl. Es ging vielleicht weniger um die perfekte Optik weil fotografieren ein teures Hobby war aber unerreichbare Ziele hatten wir auch immer.

Beim eingehenden Studium der abgebildeten Personen dieses etwa 1905 entstandenen Fotos aus der Familiensammlung Winkler sticht die Schärpe um die Wespentaille der jungen Mutter in der Bildmitte ins Auge. Absolutes Schönheitsideal der Mittel- und Oberschicht, wurde es in über Jahrhunderte einmal mehr und in anderen weniger von jungen Frauen praktiziert, sich den Nabelbereich mit Schnüren und Korsetten auf ein am besten mit zwei Händen umfassbares biologisch gerade noch mögliches Minimum zu reduzieren. Alle Formen der Gesundheitsfolgen nahm man in Kauf, um vielleicht in diesem Punkte der zum Zeitpunkt der Aufnahme bereits tragisch ermordeten ewig jungen Kaiserin Sissi (46 cm Taille) gleichen zu können. Schon das einfache Erschrecken wurde für sie verschnürten Frauen zum Problem, da ein schnelles Einatmen in dieser Bondage nicht mehr möglich war und nicht selten in Ohnmacht endete.

Dank der akribischen Recherchen von Renate Erhart für das Volkskunstmuseum wissen wir, wer hier auf dem in Hall gemachten Bild zu sehen ist. Frau Luise Winkler, * 1873 in Imst geborene Leeb, war die Gattin des Pharmazeuten Dr. Ludwig Winkler (links von ihr) und Mutter des Leiterwagenziehers Franz (*1901). Sie bekam 1909 noch ihr zweites Kind Margarethe; Luise Winkler wurde nur 37 Jahre alt und starb 1910 in Innsbruck an einer akuten Anämie nach Schwangerschaftskomplikationen. Eine Familienaufstellung kann man der Heimatrollenkarte ihres Gatten entnehmen.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare
  1. Jaaa, schon wieder ich…!
    Warum fällt mir bei diesem Bild unsere Hauptschul-Handarbeitslehrerin Frau Maria Ramert ein? Nun, die blonde „Schönheit“ unserer Klasse hat sich im Schuljahr 1951/52 einen hellblauen weiten („oben eingereihten“) Sommerrock in Hellblau genäht, diesen eine Handbreit überm Saum mit schwarzen Samtmaschelen benäht (wozu Frau Ramert grummelte „A Mode von zwölfe bis z’Mitt°ag!“) und, als der Rock fertig war und sie ihn anzog, holte sie einen ca. 15 cm breiten schwarzen Gummigürtel aus der Schultasche und schnallte ihn sich um die Mitte. Frau Ramert breitete daraufhin ihr gesamtes medizinisches Wissen vor uns aus (ihre Frau Schwester war ja schließlich Pharmazeutin in der Andreas-Hofer-Apotheke) und erklärte uns, wie schädlich diese Abschnürung für Leber, Galle, Niere, Herz, den Blutkreislauf und das Hirn (soferne vorhanden!) sei.
    Na ja. Länger als zwei Sommer sah man diese Gürtel nicht – gottseidank haben sie sich nicht gehalten, diese schwarzen breiten Gummigürtel mit den „Gold“-Schließen aus Eloxal….

    1. Liebe Frau Stepanek,
      mich hat es sehr gefreut, über Ihren Kommentar bei Nachforschungen zu meiner Familie zu stoßen. (Eine Google-Suche zu „Maria Ramert“ hat mich hierhergeführt.) Eine sehr lustige und nette Anekdote! Einzig: Kann es sein, dass Ihre Handarbeitslehrerin mit Vornamen Elisabeth hieß? Maria war die, von Ihnen ebenso erwähnte, Schwester und Pharmazeutin — in unserer Familie „Tante Mitzi“ genannt.

      1. Ja, sowieso war das die Frau Handarbeitslehrerin, die Elisabeth Ramert, mit stets freundlichen Gesicht, die Stirne umrahmt von leicht gewelltem Blondhaar, das im Nacken zu einem Knoten zusammengefaßt war. Das Jahres- und Entlassungszeugnis der Hauptschule vom Schuljahr ^1951/52^ liegt gerade neben mir, auf dem auch ihre schöne Unterschrift prangt.
        Als unsere „Klassenschönheitskönigin“ Helga sich unter Anleitung von Frau Ramert einen himmelblauen gereihten Rock und eine weiße Bluse dazu angefertigt hatte – so weit, so gut – und den Rock handbreit überm Saum, sowie die beiden (angeschnittenen) kurzen
        Ärmel mit lauter schwarzen Samtmaschelen benähte – und bei der Vorführung, falls ich mich richtig erinnere, einen mindestens handbreiten schwarzen Gummigürtel mit goldenen Schließen um die („Wespen“-)Taille zerrte und schloß, hörte ich „die Ramert“ leise knurren „Des is a Mode vo zwö(l)fe bis Mitt°ach!“
        Mit ihrer großen (Einkaufs-)Tasche, mit welcher sie zum Unterricht kam, machte sie einen sehr vernünftigen Eindruck. Ich erinnere mich nicht, von ihr – außer dem oben erwähnten Ausspruch! – jemals von ihr auch nur ein einziges negatives oder übellauniges Wort gehört zu haben.
        Bloß bezüglich der Haarfarbe wurde hinter vorgehaltener Hand getuschelt: „Ah geh! – dee färbt sie nach!“ – was 1950-52 ein zwar unhörbares, aber doch fühlbares „Z-z-z-z-zt!“ durch den Raum schweben ließ.
        Danke für Ihre Korrektur – und verzeihen Sie die Respektlosigkeit der „wiedererweckten Erinnerungen einer 14-Jährigen“
        Eine Generation zurück – in der Bürgerschulzeit meiner Mutter – gabs an der Schule noch eine Ramert, eine Viktorine – und ich habe das Gefühl, als hätte ich sie selbst auch noch gesehen. Einen halben Kopf kleiner als ihre Schwester Elisabeth, die Haar heller, das Gesicht schmäler, ebenfalls Knotenfrisur – aber an unserer Klasse hat sie leider nicht unterrichtet, zumindest nicht von 1950 – 1952 (da bin ich erst wieder nach Innsbruck gekommen)

      2. ICH HATTE SCHON EINE ANTWORT VERSUCHT; BEVOR ICH ABBERUFEN WURDE – DANACH WAR SIE WEG:
        Also – bitte um Entschuldigung, wenn etwas „doppelt“ erscheint!
        Es gab noch eine Lehrerin Ramert – auch schon zur Bürgerschulzeit meiner Mutter (1927-30) mit Vornamen „Viktorine“. Sie war schmäler, kleiner, ihre Haare waren heller blond. Was sie unterrichtet hat, weiß ich nicht. Wir „hatten“ sie nicht.
        Aber schon immer hätte mich interessiert, woher die Familie Ramert stammte – und wie sie nach Innsbruck gekommen war.
        Meine Mutter meinte lakonisch „Mei – so a „Offiziersrasse“ halt, Altösterreich!- die waren „überall und nirgends“ daheim – aber alles feine, gebildete Leut‘!!“

        1. Korrektur:
          Vergessen Sie bitte die Viktorine – da hat sich bei mir alles durcheinandergemischt!
          Diese „Viktorine“ hieß nämlich K r a m e r , wie mir später siedendheiß wieder einfiel, war Lehrerin meiner Mutter, kränklich, in der Volksschule Leopoldstraße – und Mama ging ab der 2. Klasse Volksschule bis in die Fischergasse.
          Weil die Krankenvertreterin der Kramer soooooo nett war…! Ja!
          Meine Mama war keine Wienerin, denn sonst hätte sie gesagt „Hearst! Do bin i wo nei’tretn!“
          Aber man könnte es nicht treffender ausdrücken…!
          Trotzdem: Einen schönen Sonntag noch!

  2. Darf ich mich mit der Frage wo? im die Erläuterungen zur Mode einmischen? Ich tippe auf Absam, an der (Karl Zanger) Straße, die von Hall heraufführt. Da gibts gegenüber dem Gasthaus Ebner heute noch so kleine Häuser. Der Hintergrund mit Neunerspitz und im Dunst fast nicht sichtbarem Glungezer tät auch passen.

    Diese tiefen Frieden Und Prosperität in Europa vermittelnden Familienbilder erwecken in mir immer die absolut hilflosen Gedanken an die damals in naher Zukunft lauernden Kriegszeiten. Und wir rudern derzeit mit Händ und Füß, daß es heute wieder solche Bilder gibt. Mit Smartphone aufgenommen.

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