„Es ist schade, daß in Innsbruck das Eishockey so bekämpft wurde.“
Die Geschichte des Eishockeys in der Stadt wurde hier ja bereits in ein paar Beiträgen mit Bildern dokumentiert. In diesem Beitrag hier finden sich beispielsweise zwei schöne Bilder von Hockeyspielern aus den 1920er Jahren auf dem Eislaufplatz auf dem heutigen Messegelände. Doch schon vor dem Ersten Weltkrieg gab es in Innsbruck einen ersten Eishockeyklub, dessen Geschichte aber weitgehend vergessen ist.
Eislaufen hatte um 1900 schon eine gewisse Tradition in Innsbruck. Der Innsbrucker Eislaufverein war bereits 1884 gegründet worden und veranstaltete – nach dem berühmten Vorbild, dem Wiener Eislaufverein – jährlich zahlreiche Wettkämpfe und Feste auf dem Eislaufplatz in der Falkstraße. Im Jänner 1909 feierte der Verein sein 25-jähriges Bestehen und aus Anlass dieses Ereignisses fand in Innsbruck auch ein „Eishockey-Wettspiel“ statt. Damals spielte eine „Innsbrucker Mannschaft“ gegen die Prager deutsche Eishockey-Gesellschaft.
Diese Innsbrucker Mannschaft war von Emil Mitter unter den Fittichen des Eislaufvereins erst in jener Saison gegründet worden. Mitter hatte das Eishockeyspiel in Prag kennengelernt und war dort für die deutsche Eishockey-Gesellschaft aufgelaufen. Bei seiner Übersiedlung nach Innsbruck kurz zuvor hatte er den Sport mitgebracht und durch sein Vermittlung war das Spiel gegen Prag zustande gekommen. Mitter arbeitete damals als Sportreferent im Landesverband für Fremdenverkehr in Tirol. Er war zu dieser Zeit auch in die Gründung des Fußballvereins Tiroler Sportclub involviert, als Organisator von Bob- oder Skirennen aktiv und spielte für die Popularisierung zahlreicher Sportarten in Tirol eine wichtige Rolle.
Das Ergebnis des Spiels gegen Prag zeigte deutlich, dass der Eishockeysport in Innsbruck damals noch in den Kinderschuhen steckte. Die Innsbrucker Mannschaft verlor 22:0. Schon tags zuvor hatte man gegen dieselbe Mannschaft in Kitzbühel 14:3 den kürzeren gezogen. Zwei Wochen davor war man gegen eine Münchener Auswahl zweimal mit 14:3 und 14:7 arg unter die Räder gekommen. So heftig wie im Heimspiel gegen Prag war die Abfuhr aber bisher noch nie gewesen. Daher versuchte man in der Berichterstattung das Debakel damit zu erklären, dass die Innsbrucker Mannschaft zum ersten Mal auf einer kleinen Eisfläche gespielt hatte. Die Prager Mannschaft, die damals gemeinsam mit dem Team aus St. Moritz, zu den besten Europas zählte, war anders als Innsbruck diese kleinere Eisfläche gewohnt.
Der Hinweis auf die Größe der Eisfläche lässt auch vermuten, dass man in Innsbruck damals wohl eher Bandy, einen Vorläufer bzw. eine Sonderform des Eishockey spielte, bei der man mit Schlägern ähnlich dem Feldhockey, einem Ball und auf größere Tore spielte. (Siehe dazu den Vergleich im Titelbild) Da die Begriffe aber oft synonym verwendet wurden bzw. es offenbar auch Mischformen gab, muss es letztlich offen bleiben, nach welchen Regeln damals genau gespielt wurde – so oder so: der Start in die Innsbrucker Eishockey-Geschichte war damit getan, wenngleich etwas holprig.
Zwei Wochen später spielte die Mannschaft ihr nächstes Spiel. Diesmal ging es gegen eine Mannschaft aus Kitzbühel, die sich anlässlich des ersten Matches zwischen Innsbruck und Prag spontan aus Einheimischen und „in Kitzbühel weilenden englischen Sportsmännern“ gebildet hatte. Gefördert wurde diese Mannschaft übrigens vom bekannten Forschungsreisenden und Bergsportpionier Willi Rickmer Rickmers. Das Spiel gegen Kitzbühel konnte Innsbruck mit 13:0 gewinnen und somit erstmals einen Sieg verbuchen.
In der kommenden Saison hatten man dann bereits weitere Gegner zur Auswahl: zu Kitzbühel waren auch noch Schwaz und Gossensaß hinzugekommen, überdies plante man Spiele gegen St. Moritz, Davos, München und Leipzig – damals die Hochburgen des Eishockey auf dem europäischen Festland. Anfang Dezember 1909 spielte die Innsbrucker Mannschaft sogar gegen eine anglo-amerikanische Auswahl, die nach kanadischem System mit längeren Schlägern spielte. Im Spiel der „verschiedenen Systeme“ (Innsbrucker Nachrichten, 18. Dezember 1909) siegten die Gäste bei schlechten Eisbedingungen mit 12:3.
In die großen Pläne hatten sich aber auch schon einige Probleme gemischt, als sich einige Mitglieder des Eislaufvereins über die ausgedehnten Trainingszeiten der Eishockeyspieler und die damit verbundenen Platzsperren echauffierten. Für Unmut sorgte in Teilen des Vereins zudem, dass die Spiele an den Wochenenden angesetzt waren, an denen der Eislaufplatz naturgemäß am besten besucht war und die Hockeyspieler das Eis zerstören würden. Diese Auseinandersetzung wurde teilweise auch über Leserbriefe in der Presse ausgefochten, sodass wir uns ein lebhaftes Bild von dem Konflikt machen können. Die Sportjournalisten waren in diesem Konflikt im Übrigen weitgehend auf der Seite der Eishockeyspieler, wie das Zitat im Titel beispielhaft zeigt.
Eine außerordentliche Mitgliederversammlung des Eislaufvereins im Dezember 1909 konnte die Sitution zwar kurzfristig entschärfen, die Vorbehalte gegen das neue Spiel bestanden aber offenbar weiterhin. Daher hatten sich mehrere ehemalige Mitglieder der Eishockeysektion dem gerade erst gegründeten Tiroler Sportklub angeschlossen, an dem ja auch Emil Mitter beteiligt war, und dort eine neue Eishockeymannschaft gebildet. Diese trainierte und spielte zunächst in Amras und dann auf dem Lanser See. Diese Mannschaft trug ebenfalls einige Spiele gegen auswärtige Teams aus bestand aber auch nicht lange, denn spätestens mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs war es mit dem Aufschwung vorbei. Im Jahr 1913 hatte zwar auch der Innsbrucker Eislaufverein wieder an die Aufstellung einer Mannschaft gedacht, doch auch hier hatte der Kriegsausbruch diese Pläne zunichte gemacht. Somit kam es erst nach dem Ende des Krieges Mitte der 1920er Jahre zu einer dauerhaften Etablierung des Sports in Innsbruck.
Die ersten Anläufe den Eishockeysport in Innsbruck zu etablieren sind somit in mehrfacher Hinsicht interessant. Wie bei so viele anderen Sportarten spielten auch hier englische Vorbilder eine prägende Rolle: die verwendeten Begriffe für Positionen, wie Goalkeeper oder Halfbacks, verweisen deutlich auf die Herkunft des Sports aus dem englischsprachigen Raum und die wichtige Rolle, die die „englischen Sportsmänner“ bei der Vermittlung spielten. Zudem legte die Presse in der Berichterstattung stets großen Wert auf die hohe Fairness der beteiligten Sportler – auch das war ja ein Kennzeichen der englischen Gentlemen und steht etwas im Gegensatz zum heutigen Bild von Eishockey. Die unterschiedlichen Spielfeldgrößen, Längen der verwendeten Schläger oder die „verschiedenen Systeme“ wie es die Innsbrucker Nachrichten nannten, zeigen, dass sich das Regelset dieser in Europa vergleichsweise jungen Sportart noch fest etablieren und ausdifferenzieren musste. Deutlich wird in den vielen Berichten, wie sehr damals Eishockey noch eine Freiluftsportart war, die von den Witterungsverhältnissen abhängig war und besonders beim Innsbrucker Föhn ein oft prekäres Dasein fristete, sodass den Spielern das Eis oft buchstäblich unter den Kufen wegschmolz. Anders als auf dem Titelbild, wo auch zahlreiche Frauen Eishockey bzw. Bandy spielen, wurden für die frühen Jahre in Innsbruck keine hockeyspielenden Frauen erwähnt, was freilich nicht ausschließt, dass es auch solche gegeben hat.
Darüber hinaus geben uns die Presse über die ersten Eishockeyspele in Innsbruck aber auch Einblick in die explosive Lage im Vielvölkerreich der Habsburger kurz vor dem Ersten Weltkrieg: In den Berichten wird nämlich stets auf die stramme deutsche Gesinnung der Prager Mannschaft hingewiesen, welche die „Interessen des schwerbedrohten Deutschtums in Prag“ (Innsbrucker Nachrichten, 15. Jänner 1909) stets verteidigt habe. In Tirol, das ebenfalls ein gemischtsprachiges Kronland war, und wo deutschnationale Gruppierungen eine Bedrohung des Deutschtums fürchteten, waren die Prager Eishockeyspieler, zumindest bei Deutschnationalen, somit gern gesehene Gäste. Sport war eben auch damals schon politisch.
(Das Titelbild aus dem Jahr 1909 zeigt Eishockey- und Bandyspieler in St. Moritz, vielleicht die zukünftigen Gegner der Innsbrucker Mannschaft … Aus: Sport im Bild, 52/1909, S. 1407.)
Herrlich! Die Fotos aus St. Moritz sind sehr interessant, einige der eleganten Damen tragen während des Spiels ja sogar modische Hüte!
Wenn man sich den auch im Text schon angeführten Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/alter-eislaufplatz-in-der-falkstrasse/ und darin meinen damaligen Eintrag bezüglich der Bandenhöhe anschaut, dann fühle ich mich bestätigt! Genau so hat es bei meinem ersten Eishockeyspiel, das ich in der Falkstraße miterlebte, an den Seiten ausgesehen.