Julius Pitscheider – ein Feuerwehrpionier
Beschäftigt man sich mit der Entwicklung des Innsbrucker bzw. Tiroler Feuerwehrwesens in der Zwischenkriegszeit, so wird schnell klar, dass die Modernisierung und Professionalisierung der Feuerwehren in der Stadt, aber auch auf dem Land untrennbar mit dem Innsbrucker Julius Pitscheider (1884-1963) verbunden sind.
Julius Pitscheider wurde am 14. Juni 1884 als Sohn des Spenglermeisters Josef Pitscheider und der Aloisia, geb. Engl im Haus Innstraße 19 geboren und am acht Tage später in der Pfarrkirche Mariahilf von Kooperator Martin Unterlechner getauft. Über seine Kindheit und Jugend finden sich so gut wie keine Anhaltspunkt in den verfügbaren Quellenbeständen. Er ging bei seinem Vater in die Lehre und übernahm mit 1. August 1909 das väterliche Geschäft für Haus- und Küchengeräte in der Herzog-Friedrich-Straße 8. Gemeinsam „mit seiner als tüchtige Geschäftsfrau bekannten Mutter Luise Wwe. Pitscheider [baute er] den Betrieb im Laufe der Jahre zu einem im ganzen Land geachteten und bekannten Fachunternehmen für Haus- und Küchengeräte, Glas und Porzellan aus“ (Tiroler Nachrichten, 13. Juni 1959). Vier Jahre nach der Geschäftsübernahme, heiratete Julius Pitscheider am 15. September 1913 in der Stadtpfarrkirche St. Jakob die Bäckermeistertochter Anna Schwaighofer (1888-1976).
Mit 1. August 1914 trat Julius Pitscheider der I. Kompanie der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck bei (offenbar musste er nicht infolge der allgemeinen Mobilmachung einrücken). Sechs Jahre später wurde er im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung der I. Kompanie am 7. September 1920 zum Hauptmann-Stellvertreter ernannt. Etwa zur selben Zeit übernahm er auch das Kommando über die Dampfspritze. Nach dem Tod von Hauptmann Josef Gasteiger wählten ihn die Mitglieder der I. Kompanie schließlich am 10. Juli 1923 zu ihrem Kommandanten.
Als Kommandant der I. Kompanie erwarb sich Julius Pitscheider große Verdienste um die Motorisierung der Innsbrucker Feuerwehr. Er war maßgeblich an der Anschaffung der ersten Autospritze im Jahr 1923 beteiligt, die von der I. Kompanie bedient wurde. Es folgten: 1927 ein Rüstwagen (Froß-Büssing), 1931 der Pionierwagen, 1932 der Fernlöschzug und 1935 ein neuer Kommandowagen. Finanziert wurden diese Fahrzeuge zum Großteil durch Spendengelder und Eigenmittel der I. Kompanie; der Steyr VII war, bevor er 1935 in das Inventar der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck überging, Pitscheiders privates Fahrzeug.
Neben der Motorisierung befasste sich Julius Pitscheider auch mit der Ausbildung. Im Jahr 1925 legte er mit seinem „Leitfaden für die Feuerwehren Tirols“ das erste österreichische Lehrbuch für die Feuerwehrausbildung vor. Der Allgemeine Tiroler Anzeiger besprach das Lehrbuch am 26. September 1925 äußerst vorteilhaft:
„In diesem 304 Textseiten und 137 Abbildungen umfassenden Büchlein hat ein bewährter Feuerwehr-Fachmann seine langjährigen Erfahrungen auf das glücklichste verwertet und einen Lehrbehelf geschaffen, den jeder Feuerwehrführer unbedingt besitzen soll. Die Einteilung ist klar und übersichtlich. Die Schreibweise einfach, die zahlreichen Abbildungen eigens für dieses Buch hergestellt und sorgfältigst ausgewählt, so daß es ein Nachschlagewerk von bleibendem Werte geworden ist. Aus dem Inhalte seien als besonders erwähnenswert herausgegriffen: „Wie sind die Übungen abzuhalten?“ „Wie befehle ich richtig?“ „Übungen an den Steiggeräten“ „Hydranten“ sowie die umfassenden Besprechungen über die „Spritzen“. Hiebei sei besonders darauf verwiesen, daß nicht nur die Handdruckspritzen eingehende Erörterung fanden, sondern daß den Anforderungen der Zeit entsprechend, die Motorspritzen und deren Bedienung ausführlich gewürdiget wurden. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das Studium dieses Buches seitens der Feuerwehr-Chargen nicht wenig zur Hebung der Schlagfertigkeit unserer Wehren beitragen wird.“
Julius Pitscheider stand – mit einer kurzen Unterbrechung 1936/37 – bis 1945 an der Spitze der I. Kompanie bzw. des Löschzuges 1 bzw. der Löschgruppe 1 Ost. Mit 12. März 1940 wurde er zudem zum Leiter des Feuerlösch- und Entgiftungsdienstes in Innsbruck bestellt. Im selben Jahr besuchte er einen „Führerkurs“ an der Feuerwehrschule in Regensburg. Am 10. Mai 1945 rüstete er als Kommandant der sog. Löschgruppe 1 Ost ab. Abgesehen von diesen spärlichen Eckdaten konnten bislang keine Quellen gefunden werden, die über seine Tätigkeit während der NS-Zeit Aufschluss gegeben.
Im Mai 1946 scheint der mittlerweile 62jährige Pitscheider als Mitglied des neu aufgestellten Löschzuges I auf; aber es ist unklar, ob er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges tatsächlich noch einmal als Feuerwehrmann aktiv wurde, da andere Listen seinen Austritt aus der Freiwilligen Feuerwehr Innsbruck mit 1945 angeben.
Im Laufe der Jahre erhielt Julius Pitscheider zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen, so etwa 1932 die Goldene Medaille für Verdienste um die Republik. Am 25. Feber 1963 starb Julius Pitscheider im 79. Lebensjahr in Innsbruck. Er wurde am Städtischen Westfriedhof begraben.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck)