Die Heimwehr in Innsbruck (III.)
Im Dezember 1918 wurde Steidle Abgeordneter der provisorischen Landesversammlung. Bewusst wird hier das Wort „gewählt“ vermieden, denn die Mitglieder der Versammlung wurden nicht durch eine Wahl, sondern von den Parteien bestimmt (Steidle wurde von der Tiroler Volkspartei ernannt). In Folge wurde er Obmann des Kulturausschusses der Versammlung. In der Pressemitteilung der sich konstituierenden Versammlung wurde die von Steidle bereits argumentierte politische Eigenständigkeit Tirols ebenfalls festgehalten.
Im Gegensatz zu den Konstituierenden anderer Landesversammlungen erklärt die Tiroler Landesversammlung Tirol nicht als Provinz Deutschösterreichs, sondern die Nationalversammlung konstituierte sich auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker und beansprucht auch die Vertretung bei der Friedenskonferenz.
Als Obmann des Kulturausschusses kommentierte Steidle auch die Versuche des Stadttheaters, damals unter der Leitung von Ferdinand Exl (1875–1942) den Spielbetrieb in dieser schwierigen Zeit aufrechtzuerhalten. Er lobte zwar den ambitionierten Spielplan, der nicht nur „billigen Ansprüchen“ zu genügen suche, kritisierte aber Exls Aussendung über die Winterspielzeit:
Herr Exl streift auf drei ebenso gut gemeinten wie sittlich nicht immer unbedenklichen Seiten die Schwierigkeiten, mit denen sein guter Wille zu kämpfen hatte; so die gewaltsame Ertötung [sic] der für das Theater notwendigen Stimmung durch das Heizverbot, wie auch die schwere Not, einem Publikum mit künstlerischen Bestrebungen beizukommen, das zähe und standhaft solchen Erziehungsversuchen stillen, aber um so nachhaltigeren Widerstand entgegensetzt.
Was an der Aussendung des Stadttheaters damals „sittlich bedenklich“ war, führte er leider nicht näher aus.
Als im Juni 1919 die Wahl zum ersten Tiroler Landtag nach dem Ende der Monarchie und dem Verlust Südtirols stattfand, wurde die Volkspartei mit 68% zur mit Abstand stärksten Kraft. Steidle war einer der 38 Abgeordneten, die sie in den Landtag entsenden konnte (an zweiter Stelle kamen die Sozialdemokraten mit 11).
(Steidle als Mitglied der Tiroler Landesversammlung 1919, Signatur Ph-26430)