Was verspricht uns der Kaiser? (II.)
Das zweite Versprechen des Kaisers, eine Verfassung, musste zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Schrift erst noch eingelöst werden. Entsprechend vage waren die Erläuterungen dazu in der Begleitschrift. In Aussicht gestellt wurde im Wesentlichen eine Versammlung gewählter Volksvertreter aus dem ganzen Kaiserreich.
Ferdinand I. erließ die versprochenen Verfassung am 25. April 1848. Die von Ministerpräsident Franz von Pillersdorf ausgearbeitete und in der Folge nach ihm benannte Verfassung sah einen Reichsrat mit zwei Kammern, Senat und Abgeordnetenhaus, vor. Im Senat würden Prinzen des Hauses Habsburg sitzen, sowie die Minister und gewählte Großgrundbesitzer, insgesamt 300 Senatoren. Die 380 Abgeordneten im Unterhaus würden vom „Volk“ gewählt, wobei unter diesem Wort hier Männer über 24. Jahren, ausgenommen Dienstboten, Fürsorgeempfänger und Arbeiter, zu verstehen sind. Neben diesen Ausnahmen, welche die Mehrheit der Bevölkerung ohnehin vom Wahlrecht ausschlossen, waren nicht alle Personen gleich vertreten. Die Großgrundbesitzer im Senat wurden nur von ihresgleichen gewählt, somit kamen rund 20 Wähler auf einen Senator, im Unterhaus dagegen 50.000 Wähler auf einen Abgeordneten.
Um Gesetze zu verabschieden, war die Zustimmung beider Kammern und des Kaisers notwendig. Das vorgeschriebene Präsenzquorum war dabei allerdings kurios niedrig angesetzt. Während in unserem heutigen Nationalrat für einfache Gesetze ein Drittel der Abgeordneten anwesend sein müssen, und für Verfassungsänderungen die Hälfte, waren beide Kammern nach der Pillersdorfschen Verfassung mit nur einem Sechstel der Mitglieder beschlussfähig.
Bezüglich des Kaisers wurde weiterhin festgelegt:
„Die Person des Kaisers ist geheiligt und unverletzlich. Er ist für die Ausübung der Regierungsgewalt unverantwortlich, seine Anordnungen bedürfen aber zur vollen Gültigkeit der Mitfertigung eines verantwortlichen Ministers.“
Die scheinbare Einschränkung der Autorität des Kaisers durch letztere Bestimmung wäre dadurch unterwandert worden, dass niemand anderer als seine Majestät selbst die besagten Minister ernennen würde.
Während diese Bestimmungen sichtlich nur sehr vorsichtigen Zugeständnisse seitens der Monarchie darstellten, brachte die Verfassung auch erstmals festgeschriebene Staatsbürger- und Menschenrechte für das Kaisertum Österreich.
Die Verfassung wurde jedoch bereits weniger als einen Monat später für provisorisch erklärt, und im Juli schließlich ganz aufgehoben.
(Text zur Verkündung der Pillersdorfschen Verfassung, April 1848, Signatur VO-1131)